In aller Nüchternheit
ich habe in den 80er Jahren immer wieder ein Land, in dem zu dieser Zeit ein vom Westen munter die verschiedenen Parteien mit Waffen subventionierter Bürgerkrieg herrschte, besucht und in den 90ern drei Jahre durchgängig im selben Land gelebt und gearbeitet.
Ein Land, das aus den Nachbarländern genauso viel Flüchtlinge in verschiedenen Wellen nach dem zweiten Weltkrieg aufgenommen hat und aktuell wieder so viele beherbergt, wie es eigene Einwohner hat.
Ein Land, in dem viele Erwachsene meiner Generation und viele Kinder der Generationen meiner Kinder keine Schule besuchen konnten, ohne die Gefahr, auf dem Weg von Heckenschützen erschossen zu werden, oder die keine Schule besuchen durften, weil das zu teuer war und sie ihre Familie durch Müllsammeln auf den Straßen unterstützen mussten, ein Land, in dem Menschen über Jahrzehnte in Lagern und Ruinen hausten. Ein Land, dessen Flüchtlinge hier in Europa, wenn sie Glück hatten, "geduldet" wurden.
Menschen über deren "Zuteilungsraten" und "Kontingentierung" man in Europa derzeit wieder schachert und feilscht, als ginge es um Viehherden.
Ich habe das, was hier zur Vesper in den Abendnachrichten serviert wird und was jeder dann politisch korrekt grauselig findet, live und in Farbe und in all seinen grässlichen Folgen gesehen, mit diesen Menschen gesprochen und gelebt.
Ich habe Verwandte und gute Freunde in diesem Land und kann Ihnen aufgrund der Politik meines eigenen Landes nicht helfen.
Was nützt diesen Menschen irgendwelche mit trauriger Musik untermalte Betroffenheitslyrik und schreckliche Bilder. Was nützen Ihnen die Krokodilstränen einer JoyCommunity, die sich zwischen Gangbang und BDSM-Session mit gewollter Gewalt ein bisschen politischen Small Talk gönnt und dann ihre Tränen genauso schnell herunterschlucken wird wie Ede Mustermann sein Leberwurstbrot, während er von der Tagesschau zum Abendprogramm weiterzappt?
Ich glaube anderen Menschen ihre "Betroffenheit" so lange nicht, wie sie nur hier verkünden, wie weh ihnen ums schwarze Herzelein ist, während sie gleichzeitig schreiben, sie würden deswegen die Nachrichten nicht mehr anschauen.
Nur der Vogel Strauß glaubt, dass die Welt verschwindet, wenn er den Kopf in den Sand steckt.
Daher sind für mich diejenigen ehrlicher, die nüchterne Kommentare abgeben und hier nicht öffentlich Betroffenheit verkünden und Trauer heucheln.
Noch lieber aber sind mir jene, die sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Opfer von Krieg und Zerstörung einsetzen und sich gegen eine Politik der Austerität Europas verwahren, gegen eine restriktive Flüchtlingspolitik, die immer schreit, unser Boot sei voll oder die sich aktiv gegen jene wenden, die Flüchtlingsheime anzünden, "weil man sowas nicht in der Nachbarschaft haben will", oder auch simpel und ergreifend mit individuellen Menschen arbeiten, die durch Kriege und Gewalt schwere Traumata erlitten haben und unser aller Hilfe zur Integration hier benötigen, wenn sie dann tatsächlich hierherkommen dürfen.
Auch dies ist wie immer meine persönliche Mein!ung, die niemand teilen muss
Gute Nacht John boy
Gute Nacht Elisabeth
Gute Nacht Joyclub
Beauty