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Jammerkultur versus (persönlicher) Erfolgsbilanz

**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Jammerkultur versus (persönlicher) Erfolgsbilanz
Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt. Erich Kästner, 1930

Diese Frage hat Erich Kästner 1930 gestellt- und für sich beantwortet.
Das ist jetzt rund 85 Jahre her. Und ja- da waren noch andere Zeiten! Der erste Weltkrieg vorbei, der zweite nah.

Ja wo isses es denn, das Positive? Wo hat es sich denn versteckt hinter all dem aktuellen Gejammer?
Das hier so oft zelebriert wird?

70 Jahre ohne Krieg im eigenen Land.
Wirtschaftlicher Aufschwung. Meinungsfreiheit. Absicherung. Größtmögliche Selbstbestimmung.
Und was noch mehr.

Ja klar! Das Leben ist trotzdem nicht immer einfach gestrickt. Hält genügend Stolpersteine bereit.
Und auch ich hätte es mir oft leichter, unkomplizierter, abgesicherter, freier und beschützter gewünscht.

War/ist halt nicht. Dafür ist und war es spannend! Und oft anstrengend.
Die Verluste haben Narben hinterlassen. Aber meine Erfolgsbilanzen sind mir sicht- und greifbar *g*

Wie ist das so hier in der Gruppe?
Was steht persönlich im Vordergrund?

Wo bleibt denn das Positive?
*******tia Mann
5.166 Beiträge
Ich denke immer positiv - oder versuche es zumindest.
Sonst wäre das Leben doch nicht zu ertragen...
******161 Mann
936 Beiträge
Aus den "Mutmachergedichten", einem meiner Gedichtbände, gebe ich hier mal einen zum Besten:

Für eine lange Zeit

Für eine lange Zeit
Die mir noch zugemessen
Geh ich nicht mehr so weit
Werd hier mein Süppchen essen
Hier trink ich meinen Wein
Auch wenn er sauer wäre
Ich werde fröhlich sein
Und fühle keine Schwere

Ich weiß, dass ich viel weiß
Und werde noch viel lernen
Nie eingefahr'nes Gleis
Nicht allzuweit entfernen
Werd für die spät're Welt
Nun meine Reime sichten
Und werd, wenn's mir gefällt
Noch viele Verse dichten
Ich sag' es einmal so ...
... ich bin ja im ersten Nachkriegsjahr geboren. Meine Kinderzeit war noch eine Not-Zeit, was ich als Kind aber gar nicht registriert habe, es war, wie es war, ich kannte ja nichts anderes. Dann wurde es wirtschaftlich besser, jedes Jahr spürbar, bis in den 80ern allmählich eine Sättigung einsetzte. Und heute - jammern wir auf einem so hohen Niveau, wie es früher niemals gegeben war.

Meine Genaration - in Deutschland - wird vermutlich die glücklichste innerhalb eines Zeitraumes von mehreren hundert Jahren sein. 70 Jahre Frieden, wann gab es das vorher? Und ob es das in Zukunft wieder gibt ist heute auch ziemlich fraglich.

tassilo
***ly Frau
185.999 Beiträge
JOY-Team 
Die Abschaffung der Paragrafen 175 und 218 empfinde ich u.a. als sehr positiv.
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Ja, das stimmt!
Bei der Idee zum Thema und dessen Erstellung hab ich mir allerdings so was persönliches vorgestellt.

So ein Stück eigene Erfolgsbilanz, für sich selbst gesehen und geschätzt und gehütet..

Etwas, was Bestand hat neben dem ganzen Gejammere rundherum, das gerade so in Mode ist. Etwas, was gut tut und wahrgenommen wird und unseren Alltag schön macht.
Da gibt's so sehr vieles! Auch ganz kleines.

• der heiße Kaffee, den ich morgens ans Bett kriege
• das Lächeln, das mit jemand auf der Straße erwidert
• die Stelle, die ich bekommen hab
• eine bestandene Prüfung
• ein wunderbares, selbstgekochtes Essen - am liebsten für den Liebsten
• ein schönes Telefonat
• das neue Kleid, nach dem ich so lange gesucht hab
• ein gutes Buch das ich nicht mehr aus der Hand legen kann
• ein Musikstück, das gerade zu meiner Stimmung passt
• ein Kuss...........oder eine zärtliche Berührung
• ein Lachen mit jemandem, den ich mag
• die letzten Rosen, die jetzt im Garten blühen
• und und und

Es sind die Kleinigkeiten, die das Leben lebenswert machen. Und Sorgen zurückdrängen.
Und jede dieser "Kleinigkeiten" ist ein Stück persönliches. Ein Stück persönlicher Erfolg.

Wenn man/frau sie denn sehen und wahrnehmen kann.
**********lover Mann
5.304 Beiträge
ich freue mich über meinen WasserHahn.
meinen schönen verchromten Wasser-Hahn.
ich polier ihn und beäuge ihn.

um dann ganz behutsam ein kleines Hebelchen zu bedienen.
und ja, dann freue ich mich, wie schön das Wasser rausfliesst.

frisch
und kalt.
und trinkbar.
*******oja Mann
50 Beiträge
Nicht 'Kultur' sondern Symptom des Leids
leiden_schaften, ich stimme dir zu! Es gibt ein großes Spektrum kleiner Dinge, die das Potenzial in sich tragen dem Menschen den Tag zu versüßen und ihnen kleine und große Momente des Glücks - oder zumindest des positiven Empfindens - zu bescheren. Ob ich soweit gehen wollte, um aus ihnen eine persönliche "Erfolgsbilanz" zu schmieden? Nein! Denn schon der Begriff gemahnt mich zu sehr an eine gesellschaftliche Erwartung- und Leistungshaltung, die m.E. maßgeblich dazu beiträgt, den Blick für eben diese kleinen Dinge zu trüben. Je höher das Stresslevel steigt, umso schwieriger wird es den Blick für die unscheinbaren Glücksmomente offenzuhalten, und das, obwohl es gerade in solchen Momenten umso wichtiger ist. Die Wahrnehmung des Unscheinbaren - gerade in solchen Situationen - ist und wird damit zunehmend zu einer Gabe, die allzusehr verlorengegangene ist. So scheint es mir denn auch falsch von einer "Jammerkultur" zu sprechen!
Sicher, wir leben und meckern auf einem Niveau, um das uns - um (sinngemäß) mit Volker Pispere zu sprechen - "sowohl unsere Vorfahren, als auch unsere Nachkommen beneiden werden" und ganz sicher viele unserer Zeitgenossen in anderen Ecken der Welt. Sorgen und Nöte lassen sich hingegen nur schwer miteinander vergleichen. Zu wissen, dass anderswo Hunger oder Krieg oder Krankheit herrscht, während ich in der Überversorgung, im Frieden, in Gesundheit lebe, vermag zwar zu einer rationalen Beruhigung beitragen, die subjektiv empfundenen Sorgen hingegen nicht zu lindern. Zumal dann, wenn globale Entwicklungen zu diesen Empfindungen beitragen. Was du "Jammerkultur" nennst, würde ich von daher eher als Ausdruck eben dieses Wunsches nach Mitgefühl, Empathie, nach den kleinen Glücksmomenten betrachten, von dem du schreibst.
Von daher stimme ich dir dahingehend zu, dass wir mehr auf die kleinen Dinge achten sollten, das Wohlsein, das Glück, die Freude, in den kleinen Gesten und kurzen Blicken, im herbstlichen Morgenduft und der letzten Rose, in der Musik, dem Kuchenstück, der Lektüre oder dem Moment einvernehmlichen Schweigens wiederzufinden lernen sollten. Eine persönliche Erfolgsbilanz mag ich darin hingegen nicht sehen und noch weniger vermag ich in jenen, die zum Wahrnehmen der kleinen Dinge nicht in der Lage sind, Anhänger einer "Jammerkultur" zu erkennen - sie sind diejenigen, die an der von uns geschaffenen Welt am meisten kranken, die Suchenden, die Dürstenden, denen das unscheinbare Glück verloren gegangen ist.

Schönen Abend...
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Oh, @Barbarroja
da haben wir wohl zu guten Teilen ganz unterschiedliche Ideen und Vorstellungen.

Meine persönliche "Erfolgsbilanz" misst sich nicht an allgemeinem Leistungsstreben und der Erwartungshaltung anderer.
Sie ist subjektiv von mir so aufgestellt und passt zu mir.

Diese persönliche Erfolgsbilanz beinhaltet Ziele, die ich erreicht habe und die mir bewusst sind.
Die müssen ja nicht materiell sein!
Und meine mir wichtigen Ziele habe ich erreicht - und vor allem: ich sehe und schätze sie!

Dazu gehört auch, die kleinen Dinge zu sehen, die mir begegnen. Die mir gut tun. Deshalb achte ich sie besonders. Für mich ist das die Bestätigung, außer den großen erreichten Zielen auch die kleinen positiven Punkte zu sehen und wahrzunehmen. Auch wenn's außenrum und im großen und ganzen vielleicht gerade schwierig ist.

"Jammerkultur" nenne ich etwas ganz anderes.
Das nenne ich persönlich die gerade herrschende Stimmung, die sich so breitmacht.
In einem Land, das gut aufgestellt ist. In dem es zwar nicht nur Reiche gibt, aber in dem ganz sicher jeder Mensch versorgt werden kann. Auch wenn's da oft knapp zugeht.

Spannenderweise jammern nicht die Menschen, die wirklich wenig haben laut im Moment. Die haben nämlich anderes zu tun.
Sondern die, die recht gut abgesichert sind aber halt nichts abgeben wollen von dem, was sie haben!
Die haben Angst. Vor dem, was sie verlieren könnten.
Obwohl sie alles haben und sicher leben. Sie jammern laut und deutlich!
Obwohl sie gar nicht bereit sind, sich auf anderes und vielleicht erst mal fremd erscheinendes einzulassen.
Und die können wohl die "normalen", täglichen kleinen Glücksmomente nicht mehr geniessen.

Wie schade!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Zwischendurch ist es mir ein Bedürfnis, auch mal auf zwei Threads hinzuweisen, die ähnlich gedacht sind; vielleicht wird dadurch noch deutlicher, worum es hier geht und wie sehr so manches "kleine Glück" und wie ein Verweilen im Genießen durchaus in der Lage sein kann, größere Wirkungen zu erzeugen - und sei es nur durch die daraus entstehende persönliche Ausstrahlung, die dann ja auch auf andere wirkt:

Tabu: made my day

Tabu: Was macht Euer Leben reich und lebenswert?

(Der Antaghar)
**********lover Mann
5.304 Beiträge
Verlustängste
Die haben Angst. Vor dem, was sie verlieren könnten.
Obwohl sie alles haben und sicher leben. Sie jammern laut und deutlich!

warum immer "die"?
hast Du keine Verlustängste?

und das meine ich noch nicht mal materiell.
momentan ist "The German Angst" durchaus begründet!

Bekommen wir jetzt nicht bald die Kurve in immer mehr überschaukelnden Systemen, so wird es uns (fast) alle erwischen. Dazu braucht man nicht Nostradamus sein, um das zu erkennen.

Es ist so, als würdest Du in immer noch kürzeren Zeitabschnitten abwechselnd Abführmittel und Anti-Durchfallmittel schlucken, bis Dein Darm (die Welt) verrückt spielt.

Liebe Grüße - lover -
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Lächel
nein, ich hab keine Angst vor dem, was Du schilderst @**********lover.
Vor allem keine Verlustängste.
Ich weiß was und wieviel ich arbeite und was ich tue.

Und ich hab sehr wohl unterschieden zwischen "die"
Spannenderweise jammern nicht die Menschen, die wirklich wenig haben laut im Moment. Die haben nämlich anderes zu tun.
Sondern die, die recht gut abgesichert sind aber halt nichts abgeben wollen von dem, was sie haben!
Die haben Angst. Vor dem, was sie verlieren könnten.

und "die"
Und die können wohl die "normalen", täglichen kleinen Glücksmomente nicht mehr geniessen.

Das hier erschließt sich mir leider nicht:
Es ist so, als würdest Du in immer noch kürzeren Zeitabschnitten abwechselnd Abführmittel und Anti-Durchfallmittel schlucken, bis Dein Darm (die Welt) verrückt spielt.
und es hat auch wenig mit dem Thema hier zu tun, oder?

Meine Frage zu Deinem Posting auch: wer sind die "wir", die jetzt "die Kurve kriegen müssen"?????????

Also bittte: zurück zum Thema: "Jammerkultur versus (persönliche) Erfolgsbilanz!
******161 Mann
936 Beiträge
>Spannenderweise jammern nicht die Menschen, die wirklich wenig haben laut im Moment. Die haben nämlich anderes zu tun.
Sondern die, die recht gut abgesichert sind aber halt nichts abgeben wollen von dem, was sie haben!
Die haben Angst. Vor dem, was sie verlieren könnten.

Das unterschreibe ich zu 100%!
**********lover Mann
5.304 Beiträge
wer "wir" ist:
Meine Frage zu Deinem Posting auch: wer sind die "wir", die jetzt "die Kurve kriegen müssen"?????????

wir, das sind die, die entstehen, wenn das "ihr" entfällt.

das "ihr" kann dabei alles mögliche sein: z.B. "das schwarze Schaf"
das gibt es dann nimmer.

verstehst Du, was ich meine?
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Sorry, aber das zerfaselt mein Thema.
Und darauf mag ich mich nicht einlassen.

Also bitte *zumthema*
**********lover Mann
5.304 Beiträge
das Positive...
Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt. Erich Kästner, 1930

...verschwindet (nahezu) ganz, wenn nur noch das Negative verstärkt wird.
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Zu meiner
persönlichen Erfolgsbilanz gehört auch, dass ich mich nicht verbiegen lasse.

Das ist so, und das wird so bleiben.
Da hab ich viel meinem Vater zu danken, der 1925 geboren, das Glück hatte, gesund aus dem zweiten Weltkrieg heimzukommen.
Der immer authentisch war und sich auch meinen Fragen und Vorwürfen in den 70gern offen gestellt hat.
Auch wenn das oft nicht einfach war.

Er war ein wahrer Demokrat mit festen Wertgrundsätzen, die er nie verraten hat. Dazu viel Toleranz und Neugier. Schon zu seiner Zeit ein "Kosmopolit" der keine engen Grenzen kannte.
Hatte den Mut, für seine Meinung einzustehen und sie argumentativ zu vertreten.
Feig und mitläuferisch war er nie.

Das hat er mir weitergegeben. Und ich wohl meinen inzwischen erwachsenen Kindern.

Erfolgsbilanz!
******161 Mann
936 Beiträge
>Zu meiner
persönlichen Erfolgsbilanz gehört auch, dass ich mich nicht verbiegen lasse.

Genau darum geht es mir auch! Ich verbiege mich im Leben und stelle am Ende fest, dass ich mich schlecht fühle. Lieber gerade den Lebensweg gehen, dann wird alles gut!
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
"Sich nicht verbiegen lassen"
Das ist ein interessantes Thema. Ich kenne - im realen Leben ebenso wie hier im JOYclub - mittlerweile eine stattliche Anzahl von Menschen, die sich diesen Satz zum Lebensmotto gemacht haben. Und so einleuchtend es auf den ersten Blick wirken mag, so starrsinnig und zwanghaft kommt es manchmal rüber.

Man kann das auch anders sehen. Es gibt auch die innere Freiheit, sich in manche Gegebenheiten einzufügen (das ist was anderes als sich anzupassen!). Das aus dem Buddhismus stammende Bild des Flusses, der eben nicht mit dem Kopf durch die Wand geht, sondern sich fließend in die Landschaft einfügt, wäre da auch zu erwähnen ...

Ich denke da gerade mal an eine ziemlich alte Frau, die im Nachbarort wohnt und sich beharrlich weigert, eine Waschmaschine anzuschaffen. Sie wäscht heute noch ihre Wäsche, mühevoll wie vor 50 Jahren, mit einem Waschbrett in einem Trog und meint immer, wenn sie darauf angesprochen wird: "Ich lass mich nicht verbiegen!" Ob das wirklich eine sinnvolle und gute Haltung ist?

(Der Antaghar)
**********tarii Mann
3.376 Beiträge
*****har:
Ich denke da gerade mal an eine ziemlich alte Frau, die im Nachbarort wohnt und sich beharrlich weigert, eine Waschmaschine anzuschaffen. Sie wäscht heute noch ihre Wäsche, mühevoll wie vor 50 Jahren, mit einem Waschbrett in einem Trog und meint immer, wenn sie darauf angesprochen wird: "Ich lass mich nicht verbiegen!" Ob das wirklich eine sinnvolle und gute Haltung ist?

Diese Arbeit betrifft die Dame nur selbst. Solange sie nicht von allen anderen erwartet, dass diese auch mit dem Waschbrett waschen, ist das doch ihr gutes Recht. Wenn jemand ihre Wäsche wäscht, wird er das wohl auch der alten Dame zuliebe, nur wenige Male mit dem Waschbrett tun.

*****har:
"Sich nicht verbiegen lassen"...
Man kann das auch anders sehen.

Diese Einstellung gehört schon zu einem eigenen persönlichen positiven Selbstbildnis. Ein positives Gesamtbild gibt es, wenn ich bei meinem "nicht verbiegen lassen" zusätzlich noch die anderen nicht verbiege. Jede Medaille hat zwei Seiten und beide gehören zum Ganzen. Wer in einer Demokratie lebt, darf meistens erkennen, wenn eine Seite einseitig den Weg vorgibt, gibt es nach bestimmten Zyklen Unwohlsein und gegen Bewegungen.

Wenn ich von etwas überzeugt bin, gewinne ich mehr, wenn ich menschen mit anderen Überzeugungen in langen, langsamen Schritten zum Nachdenken bewegen kann. In der letzten Woche durfte ich das bei einem auffälligen Jugendlichen erreichen und schwups wird er selber aktiv sich um einen Job zu kümmern. Mal sehen ob es klappt mich freut es.

DeltaSagittarii
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Lieber DeltaSagittarii,

ich kann Dir auf den ersten Blick nur zustimmen. Und ja, das Beispiel mit der alten Frau mag (wie fast alle Beispiele) ein wenig hinken. Der Haken an der Sache ist eben, dass diese Haltung oft fast schon zwanghaft wirkt, und mir persönlich ist innere Freiheit lieber. Wer ein Leben lang niemals seine Meinung ändert oder nie im Leben die Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive betrachten will, ist aus meiner persönlichen Sicht eher zu bedauern als zu bewundern.

Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, waren manchmal die großartigsten Entwicklungen für mich ausgerechnet diejenigen, die daraus entstanden sind, dass ich neue Gegebenheiten einfach auch mal akzeptiert habe und nicht starrsinnig und stur darauf beharrt habe, mich niemals verbiegen zu lassen.

Vielleicht wäre es ja hilfreich, dieses "Verbiegen" zu definieren? Ich bin nicht aus Stahl - und ich will das auch gar nicht sein. Manchmal kann es sinnvoller und erfüllender, sich zu ändern, sich innerlich aus vorgegebenen Haltungen zu lösen bzw. zu befreien. Dann bin ich immer noch ich, hab aber die Anregung, an mir zu arbeiten und mich entwickeln, positiv angenommen. Hätte ich darauf bestanden, mich niemals verbiegen zu lassen, wäre ich heute noch genau derjenige, der ich z. B. mit 17 oder mit 21 war. Ich würde das nicht für wünschenswert halten.

Es gibt da übrigens den häufigen Wunsch an Geburtstagen etc., dass man doch bitte so bleiben möge, wie man ist. Wünscht mir das jemand, betrachte ich das fast schon als Beleidigung, denn ich will gar nicht so bleiben, sondern wachsen, mich entwickeln, reifer werden und meinen Horizont erweitern.

(Der Antaghar)
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Ach weißt Du, Anthagar,
da kommt es wohl immer sehr auf den Menschen an, der hier sagt, er ließe sich nicht verbiegen.

Wenn Du das gelesen hast, was ich über meinen Vater geschrieben habe, dann zeigt sich wohl deutlich, dass zumindest bei mir nicht der Starrsinn und die Zwanghaftigkeit im Vordergrund stehen.

Wohl aber mein Wissen, dass ich mich keinen Unsinnigkeiten, keiner Gewalt, keinem Hass beugen werde (somit verbiegen lasse). Und schon gar nicht werde ich mir menschenverachtende Meinungen überstülpen lassen.
Dass es mir wichtig ist, neugierig und interessiert zu sein und zu bleiben.
Zugewandt, aufmerksam und kritisch.
Das ist meine Haltung. Und eine achtsame, menschliche Haltung ist mir wichtig.

Damit meine ich nicht, dass ich nicht dazulerne und mich mit den Jahren verändert habe.
Veränderung und dazulernen ist wichtig! Authentizität aber auch.
Und in den Spiegel möchte ich doch jeden Tag schauen können. Auch wenn ich da täglich älter werde. Wach und echt bin ich immer noch!

Das Beispiel der alten Frau mit der Waschmaschine erschließt sich mir leider in diesem Zusammenhang nicht.
Das klingt wohl wirklich nach Starrsinn. Aber- es ist ja ihre Entscheidung! Und wenn sie ihre Wäsche so waschen will dann soll sie das doch tun! Sie verlangt ja nicht von mir, das genauso zu machen.

Ob das zum Thema Jammerkultur und Erfolgsbilanz passt?
Sie jammert ja wohl nicht. Und wenn sie dann saubere Wäsche hat ist es vielleicht ihre eigene Erfolgsbilanz.
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Unabhängig davon, ob das nun wirklich zum Thema passt oder nicht (wir sind hier ja unter uns und können mal ein Auge zudrücken *zwinker*):

So kann ich das, was Du meinst, etwas besser nachvollziehen, liebe leiden_schaften. Ich will dieses Lebensmotto auch gar nicht bestreiten o. dgl., sondern nur hinterfragen.

Es bleibt trotzdem im Hintergrund die Frage, ob diese Grundhaltung nicht auch etwas mit der Angst vor etwas Neuem oder vor Veränderungen zu tun hat. Nehmen wir mal eines Deiner Lieblingsthemen, die Politik und zuerst ein eher harmloses Beispiel: Wenn jemand vor 50 Jahren die SPD gewählt hat, dann liegt es doch auf der Hand, dass er heute nicht mehr die gleiche Partei wählt wie damals. Wenn er trotzdem darauf beharrt, auch heute und in Zukunft nur SPD zu wählen, hat er sich zwar nicht verbiegen lassen, wählt aber eine Partei, die der damaligen in keiner Weise mehr entspricht.

Nun noch ein eher krasses Beispiel: Der alte Nazi, der vor 30 Jahren mein Nachbar war, hatte exakt diesen Spruch auf Lager: "Ich lass mich doch nicht verbiegen!" - und er meinte damit, dass er immer noch Hitler verehrt und Nazi bleiben will. Immer dann, wenn meine Argumente ihn sprachlos machten und er keine Antwort mehr wusste, kam prompt dieser Satz: "Egal, ich lass mich niemals verbiegen!" Wie würdest Du das interpretieren? Und findest Du seine Haltung wirklich gut und richtig?

(Der Antaghar)
******161 Mann
936 Beiträge
>Und schon gar nicht werde ich mir menschenverachtende Meinungen überstülpen lassen.

leiden_schaften, du wirst mir immer sympathischer!!!!!!!!
**********aften Frau
8.068 Beiträge
Themenersteller 
Da muss ich jetzt tatsächlich lächeln
ach Anthagar, Angst vor Neuem oder Veränderung?

Das kann ich jetzt gerade bei mir nicht so sagen:-)

Ich hab mich vor 18 Jahren von meinem Mann nach längerer Ehe und meinen vielen Versuchen, diese zu retten, getrennt. Neu angefangen!
Wohlwissend, was da dann auf mich zukommen wird. Hab dann drei Kinder völlig allein erzogen und wenigstens den Unterhalt für sie erkämpft damit sie gute Schulausbildungen machen konnten.

Immer gearbeitet und dann - wegen meinem Wunsch nach Veränderung- so nebenher noch einen neuen Beruf studiert. Eine neue Stelle neu angefangen,
mich eingearbeitet und einige Projekte entwickelt.
Neu angefangen.
Die Kinder haben sich übrigens recht gut entwickelt und sind inzwischen alle erwachsen. In all den Jahren waren wir immer in einem sehr guten und achtsamen Dialog, der es ihnen ermöglicht hat ihre eigenen, subjektiven und für sie richtigen Wege zu gehen. Hab sie unterstützt und gestärkt und ermutigt. Hat geklappt.
Und immer noch haben wir einen guten Kontakt.

Erfolgsbilanz? Ich sehe das als meine.
Und die Angst vor Neuem hat mich nie geleitet! Die Neugierde schon!

Gewählt hab ich übrigens immer- und immer die Partei, die mich vorher durch ihre Argumente überzeugt hat.
In ein festes Lager bin ich deshalb leider nicht einzuordnen. Auch wenn ich weiß was mir wichtig ist.

Dein Nazibeispiel kannst Du wohl im Zusammenhang mit mir nicht ernst meinen, oder?
Denn wenn, dann würde mich das wirklich verletzen!
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