Die Macht der Gewohnheit,
wird man auch im JoyClub nicht los.
Mit 21 Jahren lernte ich einen Mann kennen. Der schrieb alles bis auf den ersten Buchstaben im Satz klein. Wow, ein Revolutionär. Einer der es wagte dem Etablissement zu zeigen: „Hurra, ich pfeife auf Eure Konventionen.“ Ganz ehrlich, ich war beeindruckt und zugleich sah ich darin für mich eine Chance, eine eindeutige, persönliche Schwäche, als individualistische, meinem Selbstbewusstsein gut tuende Stärke zu verkaufen. Also pfeif drauf. Pfeif auf Duden und Konsorten, ich schreib wie ich will.
Diese Idee gefiel mir äußerst gut. Denn grammatikalisch, als auch orthografisch, war ich als Dialektsprechender, schon immer in einer Art Sonderstatus gefangen. Auch meine Interpunktion, per Gießkannenprinzip, konnte ich so wunderbar kaschieren. Hurra!
Zwei Jahre später wurde ich innerhalb einer Gruppe dazu verdonnert, mich um die Gruppenzeitung zu kümmern. Dies mit Sicherheit nicht, weil ich so gut im Schreiben war, sondern einfach nur, weil es kein anderer machen wollte, was ich allerdings damals nicht so erkannte, sondern eher auf meinen persönlichen Schreibstil zurückführte. Ja und so saß ich dann, ausgestattet mit einer Reiseschreibmaschine, Stolz wie ein Pfalzgraf, im Zug Richtung nach Hause. Der Weg zum Literaten schien vorgezeichnet.
Die Nachrichten, Kommentare und Beschreibungen, die ich auf die Papierfahnen bringen sollte, tröpfelten jedoch recht spärlich bei mir ein. Also nutzte ich die Gelegenheit eine Schreibmaschine zu haben und lernte nach einem eigenen Verfahren, in 3 mal 8 Stunden, 10 Finger blind zu schreiben. Und genau da begann dann das wahre Problem zum Vorschein zu kommen.
Schreiben ist ein Automatismus. Der Mensch denkt in Bildern. Zu denken: „Das Haus steht auf der Wiese“, kann auf zwei Arten erfolgen. Nämlich, entweder sehe ich den geschriebenen Satz vor meinem inneren Auge oder ich sehe eben ein Haus auf einer Wiese.
Da ich bei Denkvorgängen so gut wie nie Geschriebenes sehe, fällt es meinem Schreibmechanismus zu, das in Bildern gedachte, in Schreibworte zu fassen und per Tastatur auf Papier oder Bildschirm zu bringen. Das ist dann wie Laufen. Wenn ich zum Nachbarn will, dann gehe ich einfach. Ich muss nicht überlegen welchen Muskel ich jetzt anspannen muss oder welchen Fuß zu erst heben. Beim Gedanken in geschrieben Worte fassen, ist es bei mir sehr ähnlich. Wenn ich weiß, was ich sagen will, dann fließt es einfach auf oder in das Medium.
Groß oder klein? Einmal falsch antrainiert ist es sehr schwer es wieder los zu werden. Es nervt mich heute noch, dass ich so viel korrigieren muss. Einfach, weil ich es aus Gewohnheit falsch schreibe. Mein Automatismus selbst nach vielen Jahren immer noch nicht exakt weiß, was, wie richtig zu schreiben ist. Und ohne zu flunkern kann ich sagen, bei vielen Dingen weiß ich es auch wirklich nicht.
Eines ist jedoch ganz eindeutig. Wer sich zu weit von der korrekten, offiziellen, deutschen Rechtschreibung entfernt, bewusst und willentlich oder weil er es nicht kann und derart gezwungen ist, der hat einen Makel am Backen. Wessen Schreibfehler man bei oberflächlicher Betrachtung nicht mehr als Ausrutscher interpretieren kann, der schadet sich damit.
Es mag an der Aldikasse zwar wurscht sein, wie man sie schreibt, doch im Umgang mit Ämtern, Behörden, mit Chefs, Kunden, Geschäftspartnern, in Konkurrenz zu Mitbewerbern etc. wird der mit Schreibschwächen behaftete immer und grundsätzlich, minderwertiger gesehen. Er erleidet einen gehörigen Achtungsverlust, der anderweitig auszugleichen nicht einfach ist.
Mich hat meine rund 10 jährige Kleinschreibphase jedenfalls nachträglich eine ordentlich Portion Mühe gekostet. Nachträglich gesehen, hätte ich mir das Ganze sehr gerne erspart.
Und was den JoyClub oder überhaupt die ganze Kontaktiererei angeht, muss man nur einmal in sich hinein hören. Welcher Eindruck drängt sich mir von einer Person auf, wenn diese nur solala die Buchstaben als Salat präsentiert. Diesen ersten eingetrübten Eindruck später zu revidieren, dazu bekommt man in den seltensten Fällen noch eine weitere Chance. Das sollte Mann/Frau nie vergessen: Die Konkurrenz ist groß und schläft niemals.