Zugänge zu „Gott“
Zugegeben: Gottesbeweise sind ein recht rationaler Versuch des Zugangs. Eher etwas für Menschen, die Wissenschaft, Theologie und Philosophie mögen. Nicht jederfraus oder jedermanns Sache.
Ein anderer Zugang wäre, sich in die „heiligen“ Schriften einer Religion zu vertiefen. Gott oder Götter haben zumeist eine Biographie. Religionen haben Geschichte. Und heilige Schrift sind zumeist normative Quellen einer Religionen.
Nun ist das auch recht mühevoll. Die meisten Schriften sind als Übersetzungen in die jeweilige Landesprache vorhanden. Und zumeist sind es dicke Bücher, die man dort wälzen muss, um einigermaßen diese Welt der Religion zu verstehen oder einen Überblick zu gewinnen. Verständlicherweise schreckt das viele ab. Wer hat schon in seinem christlichen Leben die ganze Bibel, Altes und Neues Testament, gelesen? Oder den Koran, oder die Baghvagita oder andere. Wenn es sich um alte Religionen handelt wie im Judentum, Christentum oder Islam, sind sie meist in alte Sprachen ursprünglich verfasst, in unseren westlichen Breiten und dem Orient: Hebräisch, Alt-Griechisch, Latein, Hocharabisch. Ist schon das Lesen einer deutschen Übersetzung dieser Schriften zumindest zeitaufwendig, wird es spätestens zu einer Lebensaufgabe. Theologen gleich welcher Religion können ein Lied davon singen. Sie sind nämlich in der Regel „Schriftgelehrte“. Sie lernen – manchmal von Kindesbeinen an bevor sie in weitere Studien eintreten erst einmal Sprachen und nichts als Sprachen, um die Überlieferung in der ursprünglichen Sprache kennen zu lernen und häufig auch lieben zu lernen. Auch in der christlichen Theologie ist das so; daran kann sich keiner vorbeischummeln, es sei denn, er gehört zum Personal einer Freikirche, denen das Deutsche als „heilige“ Sprache meist ausreicht. So ist dann aber auch die Qualität ihrer Theologie und da gibt wirklich auch Unterschiede (siehe das Christentum in den USA).
Übrigens heißen „heilige Schriften“ nicht deshalb so, weil sie von Gott, den Göttern, von Propheten und Gurus diktiert wurden. Das ist sogar recht selten der Fall. Die 5 Bücher Mose in der Bibel hat mit nichten Mose beschrieben, auch nicht Gott. Sondern Generationen von Menschen haben Geschichten erzählt und tradiert und die wurden irgendwann dann aufgeschrieben und zwischen Papierrollen und Buchdeckel gepresst. Heilig werden sie genannt als Textsicherungsverfahren. Ein heiliges Buch verändert man nicht (zumindest nicht absichtlich … nobody is perfekt). Sozusagen ein antiker Kopierschutz vor willkührlichem Eingriff. Vor der Erfindung des Buchdrucks mussten sie ja in mühevoller Handarbeit durch Abschreiben kopiert werden. In der Hebräischen Bibel findet man daher am Textrand kleinere Buchstaben, die keine Worte bilden, sondern Zahlen darstellen. Jede Zeile ist nummerisch erfasst umso eine Hilfe beim Abschreiben zu haben. Jeder Buchstabe wurde gezählt. Ich habe den Eindruck, dass unsere Vorfahren sorgfältiger mit Texten umgingen als wir heute.
Heilige Schriften sind zuerst und zuletzt: Literatur. Sie werden erst im Lebensgebrauch zu normative Schriften. Das ist wichtig zu unterscheiden. Die christliche Theologie heute behandelt die Bibel als Literatur wie andere Literaturwissenschaften ihren Forschungsgegenstand auch. Sogar nach den selben Regeln. Der Gebrauch der Bibel in der Kirche hingegen ist eine andere, eine spirituelle im Leben der Gemeinde und im Gottesdienst. Das ist ähnlich wie in der Musik. Das Studium der Partitur einer Sinfonie ist absolut notwendig, wenn man diese später aufführen will. Ein Musiker muss das gelernt haben neben der möglichst virtuosen Beherrschung seines Instrumentes. Sonst wird das nix mit der schönen Musik im Konzertsaal. Und genau das will das Publikum, in der Religion wären das die Glaubenden, die keine Zeit haben für Erläuterungen zur Partitur, das Studium derer oder das Erlernen eines Instruments. Deswegen vergleiche ich die Religionen gerne mit den Künsten (die jede auch einen wissenschaftlichen Grund haben) als mit den Naturwissenschaften. Kunst und Naturwissenschaften widersprechen sich einander nicht, sie sprechen nur verschiedene Sprachen. Das verstehen z.B. Fundamentalisten und Kreationisten, allerdings auch philosophische Naturalisten nicht. „Hätte Gott sich den Naturwissenschaftlern verständlich machen wollen, so hätte er die Bibel in mathematischen Formel verfassen müssen.“ Wahrscheinlich wäre sie dann auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Und wenn dann doch nicht, so könnten nur etwa 10% der Menschheit auch verstehen. Das soll eine witzige Randbemerkung sein. Die Bibel wurde von Menschen in ihrer Sprache verfasst, die über Generationen Erfahrungen mit Gott gesammelt haben. Die sind übrigens sehr bunt und vielfältig und ja, auch durchaus widersprüchlich. Aber das ist so, wenn man es mit der Menschheit und nicht mit homogenen Wesen zu tun hat.
Der nächsten Zugang: Gott von Mensch zu Mensch – aber dat kriegen wir in der nächsten Stunde!
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer schrieb übrigens: Einen Gott, den es gibt, gibt es gar nicht.