Wie ist das mit dem Verstehen und dem Beweisen?
Es ging 2018 durch die Presse. Der junge Mathematiker Peter Scholze (30 Jahre) bekam den „Nobelpreis“, die Fields-Medaille, für Mathematik zugesprochen. Peter Scholze ist ein sehr sympathischer junger Mann. Als die Nachricht vom Preis bekannt wurde, stürzten sich Legionen von Journalisten auf ihn, und für einige Tage war er ein Medienstar. In Interviews gab er sich bescheiden, doch sah man ihm auch an, dass der ganze Rummel ihm eher lästig war. Als einer der Journalisten ihn fragte, ob er denn seine preisgekrönte Theorie mal in zwei bis drei Sätzen erklären könne (– was mich stark an die beliebte Anfragetechnik bei JOY erinnert: Ey, Schnegge, figgen …?), gab er zur Antwort: „Nein, das könne er nicht“. Manch einer mag ihm das als Arroganz auslegen, indes aber ist der Sachverhalt anders, wenn man sich halbwegs in der Welt der Wissenschaft und den Spielregeln auskennt. Auf der ganzen weiten Welt gäbe es nämlich nur eine Handvoll Mathematiker, die den Beweis oder überhaupt die Arbeit von Scholze, einschließlich seiner 25seitigen Doktorarbeit verstehen können, d.h. überhaupt in der Lage sind, seine Theoreme der „perfektoide Räume“ (nicht mal mein Rechtschreibeprogramm kennt den Begriff, und zeigt ihn gleich als Fehler an), im Kontext der Zahlentheorie und sein seinem Forschungsgebiet der „Arithmetischen Geometrie“ zu prüfen und nachzuvollziehen. Diese doch sehr kleine Gruppe von Mathematiker bezeichnen die Arbeit von Peter Scholze als brillant und Meilenstein in der mathematischen Forschung des 21. Jahrhunderts. Der junge Mann erhält, so befindet die Mathematik-Community trotz ihrer Unkenntnis, den Preis völlig zu Recht. Sie vertrauen also einfach den Urteil einer Handvoll Experten, die sich in diesem Gebiet auskennen. Selbst der Doktorvater von Scholze bekennt im Interview, das er der Forschungsleistung seines Zöglings in Gänze nicht mehr folgen könne.
Ich glaube ihnen auch, wenn ich das mal so sagen darf. Und ich wähle hier den Begriff „Glauben“ sehr bewusst. Er trifft nämlich in diesem Beispiel auch auf die allermeisten Mathematiker zu, die ansonsten mit „Glauben“ ziemlich wenig am Hut haben. Denn so funktioniert Wissenschaft auch, wenn auch zumeist in sehr kleinen, aber auch sehr bedeutenden Bereichen.
Witzig waren teilweise die Leserreaktionen im Internet auf die Nachricht. So beschwerte sich einer, dass er sich die Doktorarbeit von Scholze beschafft hätte. Aber die sei ja vollkommen unverständlich. Sie könne daher nicht stimmen. Ein anderer beklagte, dass ja die Doktorarbeit nur 25 Seiten umfasse und dass der junge Mann aufgrund dessen, Professor wurde an der Uni Bonn!
Scheinbar gibt es überall „Trolle“, in der Religion, in der Wissenschaft, im Netz sowieso.
Nach dem Motto: Was ich nicht sehe und verstehe, das gibt es gar nicht … und darf es auch gar nicht geben! PUNKT!
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