Ich gehe nicht auf solche Demos, weil:
• mir dir Initiatoren suspekt sind
• ich nicht in eine Schublade gesteckt werden will mit Impfgegnern, Verschwörungstheoretikern und Rechten (dazu gleich ausführlicher)
• ich absolut keinen Mehrwert darin sehe, weil es schlicht nichts bringt.
Wer derzeit auf solche Demos geht, wird (auch hier im Thread) als unsozial, unvorsichtig, verschwurbelt, dumm etc. bezeichnet. Dabei sind das auch recht viele ganz Normale, die einfach an der derzeitigen Politik zweifeln, die das aktuelle System (Demokratie) gerne weiter hätten und es gefährdet sehen. Kann man wahrnehmen, wenn man denn will.
Ich treibe mich - auch wegen derzeitigem Berufsverbot - auch noch in anderen Foren rum und mir fällt eines immer mehr auf. Die Verteidiger der Maßnahmen sind in der Regel in ihrer Wortwahl deutlich schärfer und beleidigender als diejenigen, die darauf hinweisen wollen, dass die Kollateralschäden vielleicht heftiger sind als das Virus selbst.
Auch hier im Thread kann man das sehr genau sehen... wer ausfällig wird, wer wem etwas unterstellt. Nur zum Nachdenken.
Die Demonstranten als Rechte, VTler und Impfgegner abzustempeln, grenzt alle die noch mehr aus, die gerade an der Schwelle stehen. Wollen wir das? Haben wir aus Pegida nicht gelernt?
Ich würde - unter anderen Umständen (s.o.) auf eine solche Demo gehen, weil:
• ich der Meinung bin, dass Einschränkungen des GG besser begründet werden müssen
• ich glaube, dass die Prioritäten in der Politik falsch gesetzt werden
• ich denke, dass wir nicht differenziert genug informiert werden.
Ich sehe, neben den persönlichen Einschränkungen und der eigenen Existenzbedrohungen, vor allem ein gesellschaftliches Problem. Mir wurde hier übrigens auch schon Egoismus und "nicht über den Tellerand schauen können" vorgeworfen... dabei denke ich schon seit Langem eher darüber nach, was hier gerade mit unserer Gesellschaft passiert.
Der Großteil - wenn ich von der Zustimmung zur restriktiven Politik ausgehe und mir die Beiträge der Befürworter hier im Thread anschaue - scheint andere Menschen nur noch als potenzielles Gesundheitsrisiko anzusehen. Dabei verlieren wir nicht nur körperliche, sondern vor allem soziale Nähe.
Wenn sich nahestehende Freunde nur noch per Ellenbogen- oder Fußkontakt begrüßen, stimmt etwas mit unserer Gesellschaft nicht mehr. Und das hat Auswirkungen, die noch lange nachwirken werden.
Ich möchte nicht in einer Welt leben, wie ich sie seit Mitte Februar erlebe. Und ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird. Der Weg zurück ist um ein Vielfaches schwerer als der Weg in das Social Distancing.
Menschen vereinsamen zunehmend, sie haben kaum noch Meinungsaustausch, sie bleiben in ihrer Blase. Das gilt für Rechte, Verschwörungstheoretiker und anderweitig Verschwurbelte genauso wie für Regierungshörige, derzeit kaum Betroffene und anderweitig Paranoide. So sehen Grenzen aus.
Jeder von uns will irgendwo dazwischen sein. Vielleicht wäre es angebracht, jedem, der eine andere Meinung als die eigene vertritt, einzugestehen, dass er/sie zu keiner dieser Gruppen gehört. Vielleicht sind wir alle nur Menschen, die versuchen, mit all dem irgendwie klar zu kommen.
Ich selbst habe vor einiger Zeit als bekennend Linke ernsthaft Schwierigkeiten mit den Pegida-Demos gehabt. Mir tat das in der Seele weh, aber verdammt noch eins, Demokratie muss das aushalten!
Genauso müssen wir jetzt aushalten, dass Menschen für ihre Grundrechte auf die Straße gehen.
Und ja, da sind ernsthaft Verschwurbelte unterwegs, keine Frage.
Da sind aber auch sehr viele mittelständische Betriebler, ganz normale Nachbarn, Menschen, die gerade nicht mehr weiter wissen dabei.
Können wir endlich aufhören mit dem Schwarz-Weiß-Denken?
Können wir endlich aufhören mit dem pauschalen Verurteilen Anderer?
Und können wir uns mal Gedanken darüber machen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen?
Denn wir tendieren gerade immer mehr zum maximal unsozialen Leben.
Sperling