Ich fühle mich von
@******ier nicht als hyperaktive Schnellposterin angesprochen, immerhin habe ich mich eine ganze Weile hier komplett raus gezogen. Ich nehme aber genau diesen Post und auch den von
@*****har zitierten zum Anlass, etwas zu schreiben, was mir schon lange auf der Seele lastet.
Die Fronten sind dermaßen verhärtet, dass es kaum mehr möglich scheint, ein halbwegs vernünftiges Gespräch zu führen. Die Einen sind die Covidioten, die Anderen die Coronoia-Kranken oder Schlafschafe. Jede Seite legt die Zahlen nach ihrer Überzeugung aus, und wer es anders sieht, hat irgendwas nicht verstanden, ist eh zu doof, hat das alles immer noch nicht kapiert. Argumente haben beide Seiten, nur zum Austausch kommt es nicht mehr, weil man sich schon lange vorher so beschimpft, dass ein vernünftiges Gespräch nicht mehr möglich ist. Und dieser Vorwurf geht an beide Seiten gleichermaßen.
Ich gehe mal auf
@*****har ein.
Ja, es gab Länder, in denen sehr viele Menschen gestorben sind. Wie wütend Menschen in diesen Ländern sind, weiß ich nicht, denn ich habe darüber nichts gehört. Und ich verfolge nicht nur die deutschen Mainstream-Medien.
Länder, in denen Menschen berechtigt wütend sein könnten wären z. B. USA und GB. Da wurde sehr spät reagiert und es gab viele Tote. In den USA haben wir sehr bald Wahlen und ich höre kaum klare Prognosen, denn Trump scheint immer noch sehr viele Anhänger zu haben und seine Wiederwahl scheint trotz dem Totalversagen angesichts Corona nicht ausgeschlossen. Und meiner Meinung nach war die Politik in den USA spätestens seit Anfang März völlig unterirdisch.
England steht auch nicht so toll da, aber von der Insel höre ich eher Proteste gegen die Maßnahmen als gegen Nichts-Tun seitens der Regierung. Die haben noch das Brexit-Problem, vielleicht geht es gerade da noch viel mehr um die Wirtschaft als hierzulande.
Frankreich hat es auch ziemlich stark getroffen, von da höre ich (neben Medien auch von Freunden, die dort leben), dass man sich nur bedingt an Maskenpflicht hält, die Maßnahmen nicht wirklich angenommen werden. Von Spanien weiß ich es nur über eine Freundin, die enge Kontakte hat... ebenfalls hart getroffen in der ersten Welle scheint auch dort die Zustimmung zu den Maßnahmen nicht allzu groß bzw. sie werden nicht umgesetzt/umgangen, wann immer es geht.
Wenn du ein anderes Land meintest oder andere Infos hast, bitte gerne her damit! Mich interessiert das nämlich sehr, vielleicht bin ich ja so tief in meiner Bubble, dass ich das nicht mehr mitkriege. Und das meine ich ohne jegliche Ironie.
Und dann gibt es ja noch Schweden, den Ausreißer. Auch da wird nicht über massiven Protest oder Wut über das angebliche Nichtstun berichtet. Scheinbar hat sich das Volk da ganz gut eingerichtet mit der Art und Weise, wie die Pandemie gemanaged wird.
Auf der anderen Seite schreibt
@*****har gibt es hier in D diejenigen, die
sich vorübergehend in ihrer vermeintlichen oder angeblichen persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen
. Auch das ist eine Verkürzung, ein gefärbtes Bild. Und ja, auch eine Diffamierung, denn die Formulierung "vermeintliche oder angebliche persönliche Einschränkung" sagt ja schon, dass da eigentlich kein Problem ist. Nur, lieber
@*****har, mit welchem Recht sprichst du denjenigen, die derzeit ein massives Problem in der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung und der Demokratie sehen und fühlen ab, dass sie das tun? Die Begriffe vermeintlich und angeblich suggerieren für mich nämlich genau das. Und de facto ist es derzeit so, dass Parlament und Bundesrat ausgesetzt sind, wir laufen unter Infektionsschutzgesetz. In der Justiz läuft alles nur noch über Eilanträge, das bedeutet, es gibt derzeit nahezu keine Verfahren mehr, in denen es sowas wie eine Beweisaufnahme gibt.
Und es ist auch zu kurz gedacht, zu sagen, "was haben die denn mit der Meinungsfreiheit, die dürfen doch demonstrieren" Das Demonstrationsrecht musste seit der Kundgebung am 1.8. in Berlin immer wieder erstritten werden.
Und es bringt mich wieder zurück zu dem Thema: Können wir nicht mehr miteinander reden, ohne zu streiten, ohne uns gegenseitig in Ecken zu schieben und den Dialog endgültig unmöglich zu machen? Können wir das nicht besser?
@***ie
Ich bin immer noch überzeugt davon, dass es sinnvoll ist, regional zu handeln. Auf Basis klarer staatlicher
Vorgaben. Ich halte es immer noch für sinnvoll, dass man nicht ganz Deutschland in den Lockdown schicken muss, wenn bei Tönnies ein Ausbruch ist. Der Nebeneffekt dabei ist aber, dass es hier gerade einen massiven Unterschied macht, ob du bei uns im Dorf lebst oder 5 km weiter. Denn wir sind noch orange (ich schätze, wir reißen die 50-Grenze nächste Woche, denn wir haben hier 2 Teststationen, die auch stark genutzt werden, übrigens spielt es dabei keine Rolle, woher der Mensch kommt, der getestet wird), 5 km weiter ist die Zone rot und es gelten andere Regeln.
Letztlich geht es doch darum, dass jeder weiß, was wann Sache ist. Und das ist leider nicht so. Und mein Eindruck ist, dass sich die meisten Menschen damit auch gar nicht mehr auseinander setzen wollen oder können. Sprich, man weiß sowieso nicht mehr, wie man sich zu verhalten hat.
Kleines Beispiel:
In BaWü gilt ab Montag eine neue Verordnung. Manches steht schon fest, manches wird bis Sonntag noch bekannt gegeben. Der Meine ist Kellner, der muss ab Montag wissen, wieviele Personen er als Reservierung annehmen darf. Bisher war die Informationslage da immer sehr schwierig, um es diplomatisch auszudrücken. Auf deutsch: keine Sau weiß, was eigentlich erlaubt ist und was nicht. Die wenigen übrig gebliebenen potenziellen Gäste interessiert das seit April schon nicht mehr. Die rufen einfach an und reservieren auf einen Tag in zwei Wochen. Und im Zweifel musst du dann wegen einer neuen Verordnung die einzige lukrative Feier im Monat kurzfristig absagen.
So what, kann man sagen, wenn es nicht um den eigenen Job geht. Für uns geht es um den Lebensunterhalt. Und Unsicherheit ist Gift für jede Art von Geschäft, das merken wir seit Monaten deutlichst. Viele andere Branchen übrigens auch.
@*********uelle
Es tut mir sehr leid, dass ich hier einen langen Post geschrieben habe, in dem ich nicht auf deinen EP eingegangen bin und nicht auf deine letzte Einlassung reagiert habe. Ich habe das in meinem einzigen anderen Beitrag versucht.
Ich bin vollkommen bei dir, dass es hier - wie auch in meinem privaten Umfeld - längst nicht mehr um Lösungen irgendwelcher Probleme geht. Die haben wir alle auch gar nicht. Wenn irgendwer von uns die Lösung des Problems hätte, wäre er/sie vermutlich schneller Kanzler als gedacht oder gewollt
Nochmal, die Fronten verhärten sich immer mehr und das ist traurig. Und ich wünsche mir von beiden Seiten Abrüstung in der Diskussion, denn nur so kann man zu einem Konsens kommen. Hören wir bitte endlich auf, der jeweiligen Gegenseite Dinge zu unterstellen, auf die eigene Wahrheit zu pochen und lasst uns uns endlich wieder mal zuhören!
Ich möchte ein - für mich persönlich - positives Beispiel nennen. Tübingen mit dem ach so schlimmen (noch) grünen OB Palmer bietet Risikopatienten an, für den normalen ÖPNV-Preis Taxi zu fahren. Das hilft dem Taxifahrer, der nämlich fast nichts mehr verdient, hilft denen, die ängstlich sind und dafür steht die Gemeinschaft ein. Es gibt dort bereits seit Monaten Einkaufszeiten für die Risikogruppe, so dass diejenigen auch mal rauskommen und andere treffen, ihr Leben selbstbestimmt gestalten können, ohne isoliert zu sein. Und scheinbar werden diese Angebote gerne genutzt.
Wäre das nicht ein Weg, damit umzugehen? Für die allermeisten Menschen ist Covid19 nicht gefährlich. So wie ich sind viele in häuslicher Pflege aktiv und schon lange soweit geschult, dass man Risikopatienten bei eigenen Symptomen egal welcher Art nicht zu nah kommt. Oder entsprechende Schutzmaßnahmen ergreift. Weil wir die Menschen schützen, die wir lieben, auch lange vor der Pandemie.
Vielleicht schaffen wir es irgendwann wieder, dass wir uns gegenseitig gesunden Menschenverstand zutrauen, dass wir uns gegenseitig Vertrauen schenken, endlich mal wieder an den Punkt kommen, dass wir alle uns fragen, vielleicht hat der Andere ja auch Recht? Mir tut diese Spaltung in der Gesellschaft inzwischen mehr weh als irgendwelche Einschränkungen, und letztere sind in unserem Fall nicht gerade gering.
Und noch eins, lieber @*********uelle
Die für dich wichtigste Zahl ist die der inzwischen Immunen (schwer zu sagen, weil es vielleicht sowas wie Hintergrund- und Kreuzimmunität geben könnte, vielleicht werden deshalb gerade die Kinder so selten krank; was uns übrigens alle glücklich machen sollte, stattdessen zwingen wir sie in BaWü ab der 5. Klasse ab Montag wieder in die Maske während des Unterrichts...) Von der Dunkelziffer ganz zu schweigen.
Für mich ist viel wichtiger, was passiert in den Alten- und Pflegeheimen, wie ist die Kapazität in den Krankenhäusern und was muten wir den Kindern und Jugendlichen zu. Denn das ist das, was man uns seit März erzählt: flatten the curve, um jeden Preis. Gesundheitssystem nicht überfordern. De facto war das System nie überfordert (wegen der Maßnahmen, sagen die Einen; weil das Virus nie so schlimm war, sagen die Anderen). Aber wir haben den Schwächsten unserer Gesellschaft sehr viel zugemutet. Den Alten in den Heimen und Zuhause (davon kann ich ein Lied singen) und vor allem den Jüngsten, den Kindern und Jugendlichen, denen wir unwiederbringliche Momente genommen haben (Einschulung, Abitur, Klassenfahrten, Oberstufenfeiern etc. pp.) All das kann man nicht nachholen und das hat Auswirkungen. Träume sind da zerplatzt für ein Risiko, dass diejenigen, die verzichten mussten, gar nicht betrifft.
Vielleicht sollten ein paar Menschen sich mal wieder an den Begriff Demut erinnern. Denn den größten Verzicht üben diejenigen, die am wenigsten selbst betroffen sind. Die wurden aber inzwischen fälschlicherweise als Virenschleudern, Verbreiter, Risikofaktoren bezeichnet.
Es wäre schön, wenn wir - entgegen der Spaltung - uns wieder darauf besinnen würden, die Schwächsten unserer Gesellschaft zu schützen und zu fördern. Das sind die Alten und vor allem die Jungen. Wir leben in einem Land, in dem das gehen würde.
Nur leider sehe ich nicht, dass das viele neugedruckte Geld da hinfließen würde.
Als überzeugte Realistin (wer mich kennt, verdreht an der Stelle die Augen, sie sagen, ich sei Pessimistin) gehe ich übrigens davon aus, dass es einen erneuten Lockdown geben wird, außer die Jurisprudenz macht ihren Job. Endlich.
Denn es geht nicht um Masken, die waren und sind nur ein Symbol. Es geht um Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Demokratie. Und es geht um die Zukunft dieses Landes und die liegt in den Händen der Kinder und Jugendlichen.
Sperling