Zitat von **********aften:
„ Für den angeblichen Verlust von Grundrechten und der Meinungsfreiheit- die ihnen doch gerade ermöglicht, so deutlich ihre Meinung sagen zu können!
Und dabei- und das finde ich völlig zum kotzen- ihre Kinder als Schutzschild mißbrauchen!
Das kann ich so wirklich nicht unwidersprochen stehen lassen.
Zum Einen mal hast du selbst geschrieben, dass es außer Angst auch andere Gründe für das eigene Verhalten geben kann, das beinhaltet sicherlich auch die Sorge um Kinder. Ob berechtigt oder unberechtigt, muss man das nicht auch ernst nehmen?!
Ich weiß nicht, ob du auf etwas bestimmtes anspielst, wenn ja, wüsste ich gerne, wo Kinder als Schutzschilder missbraucht werden.
Der "angebliche Verlust von Grundrechten"... da ist nichts angeblich, das ist schlicht Fakt und wird auch von der Regierung selbst nicht bestritten. Wir haben derzeit und nicht zuletzt mit dem neuen Paragraphen 28 a Infektionsschutzgesetz schwarz auf weiß die massivsten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen des GG. Ich gehe da gleich nochmal drauf ein.
Was die Meinungsfreiheit und Demonstrationen angeht, ist es seit Ausrufung der Pandemie nicht selten notwendig gewesen, dieses Recht mittels Eilverfahren vor Gericht zu erstreiten. Gerade heute hat Anselm Lenz, der in Berlin die ersten Demonstrationen organisiert hat, bei der Stiftung Corona Ausschuss dazu einiges zu sagen gehabt. Auch bei der Corona-Infotour gab es mehrere Verfahren, die dazu geführt haben, nicht genehmigte Versammlungen doch durchführen zu können. Zumindest scheint der Rechtsstaat in Teilen noch zu funktionieren (bedingt, da alles per Eilverfahren und damit ohne Beweisaufnahme und Hauptsacheverfahren stattfindet).
Ich bin absolut für die Durchsetzung der Versammlungsfreiheit zum Zwecke der freien Meinungsäußerung. Ich bin auch dafür, dabei die entsprechenden Regeln, sofern sinnvoll und GG-konform, einzuhalten. Und ja, das ist bei sämtlichen Großkundgebungen nicht der Fall gewesen und ich kann den Unmut darüber absolut verstehen. Ich würde mir diese Demos anders wünschen, regelkonform und inhaltlich versiert statt Partyveranstaltung und Selbstbestätigung.
Wenn ich aber bei der Corona-Infotour höre, dass in einer Verordnung steht, alle Teilnehmer, die ein Attest zur Maskenbefreiung haben, müssen in einen separaten, abgesperrten Bereich, dreht sich mir der Magen um. Zumal bei diesen Veranstaltungen (ich war selbst bei einer) klar dazu aufgerufen wird, sich an die Regeln zu halten.
Zu den Grundrechtseinschränkungen: es mag ja sein, dass Viele das gar nicht merken, weil es sie vielleicht nicht betrifft oder weil es nicht als Einschränkung empfunden wird. Das ist schön für diejenigen, aber das legitimiert nicht dazu, den Anderen ihr eigenes Gefühl und Erleben abzusprechen.
Was immer wieder - gerade in diesen Zeiten - vergessen wird, ist die Tatsache, dass es keine Hierarchie der Grundrechte gibt. Bundestagspräsident Schäuble hat es unlängst gesagt, wenn überhaupt, steht Artikel 1 über allem.
De facto haben wir aber derzeit ein übergeordnetes Grundrecht, nämlich Artikel 2, Absatz 2: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit [...]". Das ist die Grundlage, auf der fast alle anderen Grundrechte eingeschränkt werden können. Und es ist schon fast lustig, dass auch dieser Artikel eingeschränkt wird, zugunsten des Artikels selbst bzw. weil das kollektive Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit über das individuelle gestellt wird.
Ich beschränke mich im Folgenden auf einzelne Grundrechte, weil ich den Rahmen nicht sprengen will.
Artikel 1 GG
ist wohl der schwierigste, weil sehr individuell interpretierbar. Ich bin der Meinung, es gibt genug Beispiele, in denen Menschen mit gewisser Expertise und abweichender Meinung inzwischen diskreditiert, öffentlich nieder gemacht und - ja - entwürdigt wurden.
Artikel 2 GG
Absatz 1: freie Entfaltung der Persönlichkeit
Eingeschränkt, da zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehört, dass ich als soziales Wesen Mensch selbst entscheiden kann, wen und wie viele Menschen ich treffe
Absatz 2: Leben und körperliche Unversehrtheit
Wir haben beide ein Attest, das uns bestätigt, dass das dauerhafte Maskentragen gesundheitsschädlich ist. Wurde mehrfach, auch durch die Polizei und Ordnungsamt nicht akzeptiert. Als gesunde Menschen, die noch dazu antikörperpositiv getestet wurden, müssen wir also unsere körperliche Unversehrtheit dem Kollektiv unterordnen.
Artikel 5 GG
Absatz 1 "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.[...] Eine Zensur findet nicht statt."
Ein ehemaliger Grünen-Politiker wird aus der Fraktion ausgeschlossen, weil er auf einer Demo redete. Die Medien berichten einseitig, Debatte findet nicht statt. Youtube sperrt dutzende alternative Medienkanäle.
Artikel 6 GG
Absatz 3 "Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen."
Mir liegt eine Quarantäneverordnung vor, in der die Eltern dazu aufgerufen werden, das (übrigens negativ getestete) Kind in der Wohnung zu isolieren. Inklusive Androhung einer externen Unterbringung.
Artikel 8 GG
Absatz 1 "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln"
Wir versuchen gerade, einen Kreisverband einer relativ neuen Partei zu gründen. Das ist wirklich schwierig, denn bisher (seit 3 Wochen versuchen wir es mittels Briefen, Mails und Telefonaten) können wir uns nicht legal treffen, da wir aus zu vielen Haushalten kommen. Die Behörden wissen selbst nicht, was erlaubt ist und was nicht. Also wird verboten.
Artikel 12 GG
Absatz 1 "Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden"
Ganze Branchen sind inzwischen seit Monaten lahm gelegt. Von freier Berufsausübung kann keine Rede sein, das Betteln um staatliche Zuschüsse komplett Arbeitsfähiger- und williger führt dann wieder zu Artikel 1 und 2...
Ich hoffe, dass vielleicht jemand kapiert hat, dass es hier nicht darum geht, auf der Straße ein bisschen zu trommeln und keine Maske zu tragen. Das ist nicht mein Begriff von Meinungsfreiheit.
Ich verstehe unter Meinungsfreiheit auch sowas wie Debattenkultur, die ich derzeit überhaupt nicht sehe.
Ich würde gerne mal umfassend in den Medien diskutiert sehen, welche Einschränkungen wie gerechtfertigt werden. Dazu hätte ich gerne abweichende Meinungen, sei es von Epidemiologen oder Wirtschaftswissenschaftlern, Psychologen oder Allgemeinmedizinern, die anders denken.
Dass genau das nicht stattfindet befeuert doch nur all die Verschwörungstheoretiker und das wollen wir doch alle nicht
Letztlich geht es doch bei allen Maßnahmen, egal wie sie aussehen, um eine Abwägung von Kosten und Nutzen, um Verhältnismäßigkeit. Und genau da fehlt mir jegliche evidenzbasierte und offen diskutierte Entscheidung. Wir haben hier so viele schlaue Köpfe, das war immer Deutschlands Potenzial, darauf gründet unter anderem unser Wohlstand. Warum schließen wir dann so viele davon aus (Juristen bei Anwälte für Aufklärung oder Klagepaten, Ärzte von Ärzte für Aufklärung, Eltern von Eltern stehen auf, Mittelstandsunternehmen, die sich gerade formieren...)
Wir müssen einen Weg finden, Grundrechte und Infektionsschutz so in Einklang zu bringen, dass zumindest fast jeder und jede das mittragen kann und will. Und dafür ist es zwingend notwendig, dass endlich auch mal andere Meinungen gehört werden. Frei nach dem Motto, der Andere könnte auch Recht haben.
Sperling