Ich versuche hier ein wenig das Thema aufzutrennen, da es sich aus meiner Sicht um verschiedene Bereiche handelt:
1. "Ist es o.k., dass Leute, die in der glücklichen Lage sind in einer schönen Gegend zu wohnen, mittels einer lokalen (!) demokratischen Entscheidung die Errichtung eines Freizeitparks verhindern, der vielen anderen Leuten, die nicht in dieser glücklichen Lage sind, auch ein entsprechendes Freizeiterlebnis ermöglicht hätte?"
2. "Das zieht sich aber an anderen Stellen noch weiter. Immer, wenn irgendwo etwas geplant wird, was überregional notwendig ist, entstehen Bürgerinitiativen, die nach dem Floriansprinzip dies verhindern wollen. Egal, ob es um eine Bahnstrecke, einen Windpark, eine Stromtrasse oder eben einen Freizeitpark geht.
"Bei uns hier ist es schön, so wie es ist. So soll es bleiben und alles andere interessiert uns nicht.""
zu 1.:
Erst einmal ganz klar:
zu dieser gestellten Frage. Weswegen: es handelt sich um eine in unserem Rechtssystem eingeführte Möglichkeit der direkten Beteiligung, die wahrgenommen wurde. Diese Möglichkeit gibt es in der Art noch nicht so lange im Vergelich zu anderen Beteiligungen. Sie waren aber lange diskutiert worden und ihr Fehlen wurde als ein wesentlicher Aspekt genannt, weswegen der Bürger sich ohnmächtig fühlt, sich nicht an Politik beteiligt. Hier haben die betroffenen Bürger ihr Recht wahrgenommen und das ist o.k.
Zum weiteren Hintergrund: bevor derartiges starten kann, muss vorab eine ausreichende Beteiligung durch Einholen von Unterschriften erfolgen, wobei für diese Unterschriften die Fragen wiederum dem jeweiligen Anforderungskatalog, der gesetzlich und aufsichtrechtlich vorgegeben und überprüft wird, genügen müssen. Die eigentlich zu stellende Bürgerbefragung selbst unterliegt auch einem regen Austausch, bis feststeht, wie denn diese überhaupt stattfinden darf. Und der Ausgang ist sodann verbindlich. Ein sehr demokratisches Verfahren, bei dem Beteiligung gelebt werden muss, damit es überhaupt soweit kommt. Denn, ich kann auch negativ abstimmen, mich enthalten, so dass bei einer nichterreichten Mindestbeteiligung das Bürgerbegehren per se gescheitert wäre.
Persönlich empfinde ich das als ein sehr wertvolles Instrument für Betroffene. Wieso: momentan lebe ich wieder an der Küste, an der Lübecker Bucht, um mich herum schöne Strände, Natur u.a., Orte wie Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug, Grömitz, Kellenhusen, Cismar, Eutin, Dahme liegen vor meiner Haustür. Als Kind gab es kaum die Frage, wo fahren wir in den Urlaub. Den Urlaub gab es vor der Haustür. Nach über 35 Jahren an anderen Orten in der Welt lebend, hat es mich wieder in die alte Heimat verschlagen. Hier hat sich viel getan. Die Küstenlinie ist mit Bebauung und Campingplätzen überseht. Die Preise sind in eine Höhe geschossen, die viele hier verzweifeln lässt. Und jeder will was vom Kuchen abhaben. Schlage ich die Zeitung auf, steht da: "Suche Grundstück zu kaufen", "Ärztin kauft auch ihr Haus", "Hamburger Investor hat 8 Millionen und möchte es gerne hier investieren" Corona hat die Preisspirale weiter verschärft. Folgen?
a) Hier Wohnende werden verdrängt, da kein bezahlbarer Wohnraum mehr zur Verfügung steht. Während der Sperrungen bin ich an so vielen leeren Wohnungen und Häusern in Pelzerhaken, Rettin, Scharbeutz und überall vorbeigekommen: die Einheimischen werden bzw. sind verdrängt. In Grömitz gab es deswegen auch ein Bürgerbegehren. Ursprünglich vorgesehene Gemeindebebauung für bezahlbare Wohnungen sollten auf einmal an einen Investor gehen. Das wurde nicht großartig publik gemacht. Nur durch das Bürgebegehren war es möglich, dieses zu drehen und bezahlbare Wohnungen für Einheimische zu schaffen.
b) Die Ausrichtung auf den Tourismus bewirkt eine vollkommen andere Struktur und Abhängigkeit. Viele im Tourismus Arbeitende sind abgewandert, weil wegen Corona alles geschlossen war. Jetzt sucht jeder verzweifelt Mitarbeiter. Aber das sind keine hochbezahlten Arbeitsplätze. Davon bei den horrenden Mieten leben zu können? Wie?
c) In Heiligenhafen möchte ein Investor auf einem der letzten freien Bereiche ein großes Hotel mit Schwimmbad hinbauen. Dort wird nun dafür gesammelt, dass das nicht ermöglicht wird. Ich kann eine Gegend nur einmal verbauen, dann ist sie weg. In vielen Köpfen Älterer gibt es noch das Bild, wie Haffkrug, Scharbeutz, Niendorf die alten Fischerdörfer gewesen sind, es war urig, trotzdem beliebt, aber nicht verbaut. Heute: ein Appartmentblock nach dem anderen, nur Vermietung. Wem gehören diese? Zum allergrößten Teil sind es Auswärtige, denen hier an der Küste vieles gehört. Oder einigen wenigen Lokalen. Aber es ist nicht so, dass alle vom Tourismus profitieren. Das stimmt nicht. Ich kann nur jedem raten, sich einmal mit Steuerrecht, Gründungen usw. auseinanderzusetzen. In meinem letzten Konzern war die Tax-Abteilung als Stabsabteilung die Größte mit zig Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Anwälten. Die, die hier investieren, wissen auch, wie das für sie am besten geht.
d) Neustadt in Holstein hatte wegen des Küstenschutzes in den 80ger Jahren in S-H extra einen stadteigenen Campingplatz aufgegeben. Ziel war die Bewahrung des Küstenstreifens und die Verhinderung eines Überlaufens an Campingurlaubern. In der Saison stieg die Zahl der Bewohner von ansonsten 14.500 im Herbst und Winter auf ca. 50.000 im Sommer an. Das ist dann ein anderes Erleben von Touristen. Einige Hamburger haben einen als Dorftrottel behandelt, sind arrogant aufgetreten, laute Klappe etc. Das hat mich gegenüber Großstadtmenschen geprägt. Was ist zwischenzeitlich passiert: die Stadt hat das gelände verkauft und jetzt macht ein Privater das Geschäft dort mit...dem Betrieb eines Campingplatzes!
Worauf ich hinaus will: manchmal muss es durch die vor Ort Betroffenen geregelt werden können, wenn der Wunsch von Nichtbetroffenen/Einzelnen alle anderen vor Ort betrifft. Das halte ich durchaus für demokratisch im besten Sinne.
zu 2.:
Ich kann nur jedem empfehlen, sich mit dem lokal geltenden Recht vertraut zu machen. Es gab und gibt viele Einwirkungsmöglichkeiten vor Ort lokal, die nur die wenigsten kennen und wissen.
Die Störung von Vorhaben durch Bürgerinitiativen etc.: es gibt eine vielfältige Mitwirkungspflicht bei Bauvorhaben, sei es auch die Einbindung der unteren Naturschutzbehörde, die obere Naturschutzbehörde etc. Klar ist, dass in Deutschland sich im Verwaltungsrecht ein System etabliert hat, dass die Durchführung von Vorhaben erschwert, zeitlich extrem in die Länge zieht und damit auch unmöglich machen kann. Ich kenne niemanden, der letztendlich darüber mittlerweile noch glücklich ist. Wirkt eine neue Regelung für einen Verband positiv, wirkt eine andere Regelung für den Verband negativ. Das geht mit Verlust von Rechtssicherheit ein. Es ist aber sehr schwer, hier ein System zu ändern, was noch funktioniert und allen gerecht wird. Die Partikularinteressen sind vorhanden und Lobbyarbeit wird von vielen betrieben. Viele Regelungen, die früheres Übergehen von berechtigten Einwendungen verhindern sollten, stehen nun selbst in der Kritik, da auch mit ihnen anders umgegangen werden kann als ursprünglich gedacht. Ein Beispiel ist die aktuelle Diskussion zu Windanlagen. Oder die Feststellung von grüner Seite, zu überlegen, ob das Festellen eines xyz-Hamsters auf dem Feld tatsächlich ein ganzes Projekt stoppen darf. Hier sind alle gefordert, zu überlegen, was kann besser gemacht werden. Und sich einbringen.
Und bevor es nun losgeht: es war nie einfacher, sich einbringen zu können wie heute. Allein die Mitgliederzahlen der etablierten Parteien zeigen es: Ende 2019 Grüne ca. 96.500, FDP ca. 65.500, Linke ca. 61.000, AfD knapp 35.000 Mitglieder, CSU ca. 140.000, SPD ca. 420.000 und CDU ca. 405.000 Mitglieder. Brecht das auf die Bundesländer, Kreise und dann Kommunen runter, rechnet die Karteileichen raus, die nicht aktiv sind. In den Städten werden Leute gesucht, die sich auf dür die Stadtparlamente auftsellen lassen, in den Ausschüssen mitarbeiten wollen. Ist das einfach? Nö, nicht unbedingt. Aber es hat ja auch niemand einen Ponyhof oder ein
versprochen
Es ist aber spannend, da dort tatsächlich etwas bewirkt werden kann.
Und dann wird es auch klappen, dass wir bessere Politik haben als wenn alle nur daneben stehen und schimpfen.