Von meiner Seite ein paar Anmerkungen:
1. Soldaten unterliegen dem Soldatengestz. Da ist zu unterscheiden gegenüber Beamtentum. Treuegelöbnis und einige Beschränkungen mehr im Vergleich zu Beamten gehören dazu.
2. Wir haben eine Parlamentsarmee. Es verbietet sich daher jeglicher Gedanke, dass seitens der Armee losgelöst vom Parlament ein Eigenleben und -wirken stattfindet.
3. Der Bürger in Uniform existiert weiter, auch wenn die Wehrpflicht zur Zeit ausgesetzt ist. Die entsprechenden Ausbildungsinhalte sind auch heute Inhalt des Soldatentums. Wer mag, kann sich die Lehrprogramme anschauen.
4. Admiräle und Generäle sind keine politischen Soldaten. Es gibt den parlamentarischen und den verbeamteten Staatssekretär. Vielleicht ist daher der Eindruck erwachsen. Was es aber gibt: jeder General, jeder Admiral bzw. Generälin oder Admirälin kann jederzeit ohne Angabe von Gründen durch die politische Führung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Unter anderem das kennzeichnet unsere Armee als Parlamentsarmee.
5. In der Ukraine war nicht vergessen worden, dass Stalin die Umsiedelung aller Nichtrussen 1944 verfügt hatte. Jedenfalls war das bei meinem Aufenthalt in der Ukraine Anfang der 90er auch noch präsent und da fing die Zeitrechnung nicht erst die Zeit danach, nach dem zweiten Weltkrieg an.
5. Als die Ukraine selbstständig wurde, ist die Krim auch als autonome Republik in der Ukraine weitergeführt worden. Bis zur Besatzung.
6. Die Ukraine mit ihrem westlich und östlich gelegenen, sich unterscheidenden Gebieten ist trotz allem völkerrechtlich ein Staat. Es ist Russland, dass seit Jahren in den dortigen umkämpften Gebieten Pässe ausgibt. Übrigens nicht nur dort.
7. Das Argument, es darf sich nicht in innerstaatliche Angelegenheiten eingemischt werden, ist nur eine Seite der Medaille. Die Verletzung von Menschenrechten, nämlich Verbrechen staatlicherseits, ermöglichen zum Beispiel durchaus das Einschreiten seitens der internationalen Gemeinschaft.
8. Seitens Herrn Schönbach gab es noch mehr Äußerungen anlässlich der Konferenz in Indien. So verwies er einerseits darauf, dass er radikaler römisch-katholischer Christ sei und ihm deswegen Russland als christliches Land näher liege, auch wenn Putin kein Christ sei, aber er sei ein notwendiger Verbündeter gegen China. Es gab noch mehr, alles in diesem Kontext zusammen. Ich denke, dass daher auch seine ansonsten aus dem Zusammenhang ohne weitere Erläuterung gerissene Bemerkung zu sehen ist. Auf diesem Wege erklärt sich eventuell, wieso er diese Äußerungen tat, und zwar in Indien, wo der chinesische Einfluss spürbar ist.
9. Persönlich glaube ich nicht, dass er mit diesen Wellen ob seiner Äußerungen gerechnet hat, obwohl er wissen musste, dass in der heutigen Welt so etwas medial wandert. Die Konsequenzen sind ihm erst später wirklich bewusst geworden. Er hat ja selbst das Ganze danach als seinen Fehler beurteilt und eingestanden und daher um Versetzung in den Ruhestand gebeten. Dem ist die Verteidigungsministerin folgerichtig nachgekommen.
10. Die Einschätzung, man könne seine Meinung nicht sagen, ist für diesen Fall falsch. Er hat in seiner Eigenschaft, in Uniform die Bundesrepublik Deutschland vertreten. Es gibt klaren Sprachgebrauch, den die politische Führung der Parlamentsarmee für Äußerungen nach Außen vorgibt, idR abgestimmt mit Kanzleramt und Außenministerium. Das hat er nicht beachtet. Und das geht nicht. Die gewählte politische Führung gibt die Leitlinien vor. Das Spiel kannte er durch seine Verwendungen. Nur meine Mutmaßung: er hat sich mitreißen lassen, denn die Äußerungen waren zu einem Zeitpunkt erfolgt, bei dem es nicht mehr um einen vorgefertigten Vortrag ging. Da hätte schon sein Adjutant oder ansonsten jemand aus seinem ihn begleitenden Stab dazu was gesagt.
11. Zu der in dem Anfangsbeitrag angesprochenen inneren Konfliktherd in der Ukraine: während der sowjetischen Zeit ist das Ukrainische stark bedrängt gewesen. Das hat dann nach der Unabhängigkeit zu der aus meiner Sicht fatalen Beschränkung des Russischen in der Ukraine geführt. Was dann wiederum Proteste insbesondere in den östlichen Gebieten erzeugte. Die Unruhen in der Ukraine selbst nicht zu vergessen. Das Land selbst befindet sich weiterhin in Unruhe. Und die Angst vor Ort über das Eindringen russischer Kräfte ist da. Es hätte ja auch niemand gedacht, dass mal ein niederländisches Flugzeug durch eine russische Boden-Luft-Stellung von ukrainischem Staatsgebiet aus abgeschossen wird. Ist aber passiert.Daher kann ich die Ängste gegenüber einer hybriden Kriegsführung durchaus nachvollziehen.
12. Zu dem Punkt OSZE möchte ich in Erinnerung rufen, was die dortigen Berichte festhalten, nämlich es ist dort Krieg. Zwar werden nur akribisch Beschusslagen wiedergegeben ohne aber weitere Feststellungen. Das damalige Festsetzen der Beobachtermission sollte jedoch nicht vergessen werden.
13. Ein Punkt ist weiterhin verwunderlich: weswegen sollten denn die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstandenen souveränen Staaten nicht der NATO beitreten dürfen? Es gibt keinen Vertrag zu Lasten Dritter. Die NATO war nicht Bestandteil der Vier plus Zwei Gespräche. Also kann per se auch noch nicht einmal mündlich seitens der NATO eine derartige Verpflichtung abgegeben worden .
14. Russland selbst hatte nach dem Zerfall bis heute auch immer mit starken inneren Problemen zu kämpfen. Die heutige Versorgungslage der Rentner birgt Sprengstoff, besonders angesichts des großen Spalts zwischen arm und reich.Und Putin hat sein System mit Gefolgsleuten und Freunden aus seiner Leningrader Zeit aufgebaut, herrsche und teile. Er weiß auch, dass er inneren Problemen und Zerissenheiten nur entgehen kann, wenn er die wirtschaftlichen Probleme lösen kann oder aber er eine Situation schafft ode sich einstellt, die alle zusammenstehen lässt. Das kann ein Naturunglück sein oder aber eine Bedrohung von Außen, wie real oder auch nicht diese sein mag.
15. Persönlich glaube ich, dass Putins Ableben irgendwann zu einem Machtvakuum führen dürfte. Zwar hat er schon fleißig vorgebaut, aber er weiß auch, dass nach Abgabe der Macht sich der Wind auch intern sich schnell gegen ihn wenden kann. Daher halte ich es durchaus für möglich, dass es eine Führung auf Lebenszeit gibt, analog zu China. Aber abwarten. Jedenfalls, sofern es notwendig werden sollte, werden genügend russische Staatsbürger auf ukrainischem Boden nach Hilfe von Russland rufen und damit nach geltendem russischen Recht die vermeintliche Legitimation vorliegen, diesen russischen Mitbürgern in der Ukraine zu helfen. Sicherlich nicht das, was er momentan unbedingt anstrebt, aber durchaus ein realistisches Mittel wie auf der Krim, wofür er sich rüstet. Und sei es nur, daraus später diplomatisches Kapital zu schlagen.
16. das bringt mich zu meinem letzten Punkt: es ist gut, dass miteinander geredet wird. Denn das eröffnet die Möglichkeit, eine Situation wieder einfangen zu können, wenn sie aus dem Ruder gelaufen ist.
Das war’s. Erst mal. 🤒