Okay, dann versuche ich mich mal an einem sachlichen Beitrag zur Debatte über die Atomkraftwerke: der Wirkungsgrad ist sehr schlecht und erreicht mit etwa 33% gerade etwas mehr als ein Drittel von modernen Kraft-Wärme-Kopplungen (die liegen inzwischen bei 90% und darüber). Und vielleicht 60% eines modernen Kohlekraftwerks mit überkritischem Dampfkreislauf (Wirkungsgrad auch ohne Abwärmenutzung über 50%).
Je nach Reaktortyp gibt es unterschiedliche Verhaltensweisen des Prozesses. Probleme wie die chemische Vergiftung in bestimmten Betriebszuständen bei den östlichen RMBK Typen waren seit Jahrzehnten bekannt und wurden einfach hingenommen. Probleme mit den eingesetzten Werkstoffen ebenfalls und zwar hüben und drüben des eisernen Zauns, äh Vorhangs. Vereinfacht gesagt verspröden die eingesetzten Stähle im Laufe der Zeit und es kommt immer häufiger zu Haarrissen und Spannungsbrüchen. Ich bin nur Elektriker mit begrenzten Kenntnissen in Mechanischer Technologie, aber die Werkstoffexperten können das sicher besser und genauer als ich erklären.
Mit der Technologie des "neuen europäischen Druckwasserreaktors" habe ich mich nicht beschäftigt, das mögen euch auch gerne die Experten erklären, aber es soll sich um eine recht sichere Variante handeln. Damit kommt der Knackpunkt dieser ganzen Technologie zur Sprache: die Sicherheit. Aus philosophischer Sichtweise sollte klar sein, dass es sowas wie eine 100%ige Sicherheit nicht geben kann. Aber, und das ist in meinen Augen der Kardinalsfehler, den die Atomwirtschaft in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, man hat dem Bürger gebetsmühlenhaft vorgebetet, wie sicher der ganze Kram sei und das ist etwa so richtig, wie es falsch ist. Die Kerntechnologie ist das sicherste, was man sich heutzutage ausdenken kann und insofern sind die Behauptungen der Industrie natürlich gerechtfertigt. Aber auch bei der todsicheren westlichen Kerntechnologie, in der speziellen Ausbildung der deutschen Kerntechnologie, die sich als Sicherheitsmaßstab an der deutschen Rente messen lassen muss (die ist bekanntlich sicher), gibt es hier und da kleine Hoppalas, Störfälle und den ein oder anderen Todesfall, welche die weiße Weste beschmutzen. In den 1970er Jahren (13.1.77, wenn ich recht erinnere) gab es in Gundremmingen A einen Unfall mit Dampfaustritt, der 2 Todesopfer forderte. Das Kraftwerk wurde danach nie wieder in Betrieb genommen, was nach kurz über 10 Jahren Betriebsdauer aus kapitalistischer Sicht mindestens suboptimal sein dürfte.
Überhaupt das Kapital: Wer sich über die Sicherheit von Kernkraftwerken und die Vertretbarkeit dieser Technologie Gedanken macht, sollte öfter mal fragen, ob das Kapital diese Hütten eigentlich gern finanziert und ob sie guten Reibach damit machen. Die mir bekannte Antwort (aber vielleicht gibt es inzwischen auch neuere Erkenntnisse) lautet so, dass diese Projekte nur mit staatlicher Hilfe finanziert werden (können). Dieser Euphemismus sollte vielleicht etwas detaillierter erklärt werden: staatliche Hilfe kann bedeuten, dass Proteste von wütenden Bürgern wegkartätscht werden, dass Geschenke z.B. in Form von Land und Steuernachlässen gewährt werden, dass Gesetze so gestaltet werden, dass es der Industrie zupass kommt (das sollte man eigentlich aus allen anderen Industriezweigen auch kennen) usw., usw. Und nicht zu vergessen das größte Geschenk: Die Atomklo-Frage muss nicht beantwortet werden! Dafür werden Findungskommissionen, staatliche Institute und irgendwelche sonstigen Weisen beauftragt, die in den bisherigen Jahrzehnten einfach nur die am grünen Tisch in irgendwelchen Kabinettszimmern ausgeklüngelten Standorte absegnen sollten. Wenigstens ist schon nach weniger als 1-2 Generationen klar geworden, dass manche (oder waren es doch alle?) dieser Orte sich bereits in dieser lächerlich kurzen Zeit als ungeeignet herausgestellt haben, ganz zu schweigen von den 30.000 Generationen, für die sie halten sollen.
Ich verstehe nicht sonderlich viel von Geld, aber zumindest mein Bauchgefühl sagt mir, dass in 30 Jahren wohl kaum so viel verdient werden kann, wie die Lagerung des Mülls in den anschließenden 30 x 30.000 Jahren kosten wird. Das ist nur durch konsequentes Ignorieren der Fakten eingängig. Sowas kann man gut in unseren Kitas beobachten: "ich sehe dich nicht, also siehst du mich nicht", was einem fröhliche Kinder entgegenquaken, die sich die Hände vor die Augen halten.
Die militärischen Implikationen, die wir seit über einem Jahr vor unserer Haustüre beobachten können, will ich erst gar nicht anführen. Was haben wir uns die Köpfe zerbrochen wie dick die Reaktor-Betonschalen sein müssen, damit ein kleines, ein mittleres oder auch ein ganz großes Flugzeug draufkrachen kann. Niemand, absolut niemand von all diesen wohlmeinenden Technikern hatte jemals auf dem Schirm, dass AKWs einfach auch strategisch angegriffen, besetzt und in letzter Konsequenz auch zerstört werden können. Weil sich jeder dachte "das ist dermaßen hirnrissig, dass niemand jemals auf diese Idee kommen wird". Und spätestens seit dem 11.9.2001 sollte jedem klar sein, dass es genug hirnrissige Leutz gibt, die ganz genau auf diese Idee kommen.
Daher lautet mein Fazit als Inschinör, dem nix zu schwör ist und der der Technologie der friedlichen Nutzung der Kernkraft eigentlich faszinierend und AKWs eigentlich ganz toll findet: SEID FROH, DASS ES VORBEI IST! Wir werden ohnehin noch sehr, sehr, sehr lang damit zu tun haben, den ganzen Mist zurück zu bauen, vom Entsorgen des angefallenen Drecks ganz zu schweigen.