@ Kuestentiger
Es sind fünf derzeitige Bundestags- und sechs Landtagsabgeordete sowie der persönliche Referent eines ehemaligen Bundeskanzlers.
Nicht viele, aber für mich ausreichend, um eine Tendenz zu erkennen, weil ich immer wieder mal mit ihnen zusammensitze und mir anhöre, was sie so von sich selbst und vom politischen Alltagsgeschäft erzählen. Und es sind also keine "kleinen" Gemeinderatsmitglieder.
Wobei diejenigen, die ich aus Gemeindeverwaltung und Stadtrat kenne, eher noch die aufrechten und ehrlichen Politiker sind, soweit ich das beurteilen kann. Je höher einer kommt (und ich war mit einigen von sehr weit oben lange Zeit befreundet), um so mehr scheint er von seiner persönlichen Integrität zu verlieren bzw. verlieren zu müssen. Umso glattgebügelter und angepasster werden die meisten (wohlgemerkt: nicht alle!), und sei es nur auf die Linientreue zur Partei eingeschworen und nicht mehr auf das eigenen Gewissen.
Ich hab in meinem Leben ein paar Politikerkarrieren verfolgen können. Ich kannte sie, als sie noch keine Politiker waren, und hab beobachtet, wie sie sich verändert haben, als sie in die Politik eingestiegen sind. Da waren auch ein paar Grüne darunter.
Diejenigen, die auch noch heute meine Freunde sind (ich gehöre als Bestsellerautor hier unten im Süden zu den sehr prominenten Bürgern und hab deshalb lange genug in den entsprechenden Kreisen verkehrt), sind ziemlich rasch wieder aus der Politik ausgestiegen. Und sie haben mir sehr genau erklärt, warum sie das getan haben - ich kann sie gut verstehen, denn sie haben im Grunde nur ihre Seele gerettet. Alle anderen sind nach und nach sehr weit nach oben geklettert, den einen oder anderen kennt inzwischen jeder. Und ich kann mit ihnen, wenn wir uns mal begegnen, absolut nichts mehr anfangen. Sie wirken auf mich wie Zombies, wie Politikmaschinen ...
Da ist kein Fleisch und kein Blut mehr, nur noch geschulte Rhetorik und gekonnte, professionelle Selbstdarstellung. Und persönliche Meinungen haben sie nicht mehr, nur noch parteigeschulte Statements sind zu hören - sie können wohl gar nicht mehr anders.
Und wie es in ihren Familien und Beziehungen zugeht, ist leider in den meisten Fällen (nicht in allen!) wirklich total kaputt und erinnert mich fatal an die Bücher der Söhne von Altkanzler Kohl und das Buch über seine verstorbene Frau.
Man kann diese persönlichen Störungen all der Narzissten, die ja nicht ohne Grund in die Politik gehen, natürlich leugnen oder unwichtig finden - ich halte sie für eine der Ursachen der Probleme. Wer wirklich geistig und psychisch gesund ist, hat Besseres zu tun als in der Politik Karriere zu machen. Leider.
Aber das System, in das man gerät, wenn man in die Politik geht, ist nun mal so, dass man so gut wie keine Chance hat, nach oben zu kommen und etwas anders zu gestalten, wenn man seine Persönlichkeit nicht vollends total verbiegt und verleugnet. Wer das nicht macht, wird nicht weit kommen, bleibt aber wenigstens ein aufrecht gehender Mensch - alle anderen machen die gleiche Entwicklung durch wie einst die Grünen, die als "Revoluzzer" angetreten sind und schon bald all die Spiele der Macht bestens beherrscht haben und heute genau so aussehen und wirken, wie all die anderen Politiker auch, ja sie sogar noch übertreffen.
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Ich schließe keineswegs von Stuttgart 21 auf Erfolglosigkeit aller anderen Demonstrationen, sondern ich weiß einfach, dass etwas Ähnliches wie in den letzten Jahren in vielen afrikanischen und arabischen Ländern geschehen ist, bei uns hier nicht mal denkbar ist. Und ich stand in den 68ern auf Barrikaden und hatte die Hoffnung auf eine bessere Welt - und sehe heute, dass sie seitdem eher schlimmer geworden ist. Also, was haben all die Demos seinerzeit gebracht?
Ich bringe nochmal Hacker-Organisationen wie z. B. "
Anonymous" ins Spiel, die in Mexiko sogar die Mafia in die Knie gezwungen haben: Vielleicht ist das auf Dauer der einzige Weg, etwas Grundlegendes zu verändern?
(Der Antaghar)