Rauchen --- wie lange noch !
Von Fanny JiménezRauchen Rauchen fällt leicht, das Aufhören dagegen nicht. © imago/ARCO IMAGES
Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 110.000 Menschen an den Folgen ihres größten Lasters: des Rauchens. Das sind gut 300 verlorene Leben pro Tag – mehr als durch Alkohol oder Verkehrsunfälle verursachte Todesfälle. Tabakkonsum greift zudem auf Dauer fast jedes menschliche Organ im Körper an und verringert die Lebenserwartung um gut 20 Jahre.
Dennoch kann es bundesweit ein Drittel aller Erwachsenen nicht lassen. Zwar rauchen Männer deutlich häufiger und auch mehr Zigaretten am Tag als Frauen, nikotinabhängig sind jedoch in beiden Gruppen etwas mehr als die Hälfte. Aufhören würden viele gern – doch der Schritt dahin fällt schwer.
Grund ist die Wirkungsweise von Nikotin. Es wird durch das Verglimmen des Tabaks freigesetzt, bindet sich an kleine Teerteilchen im Zigarettenrauch und wandert so in die Lunge des Körpers. Dort tritt es in die Blutbahn über – und binnen weniger Sekunden ist es auch schon im Gehirn. Dort stimuliert Nikotin die Freisetzung von Dopamin, einem Botenstoff, der Lust, Freude, Begeisterung und Glücksempfinden auslöst.
Außerdem wird zusätzlich Noradrenalin freigesetzt. Dieser Botenstoff macht wach, aufmerksam und leistungsbereit. Ein Flash, der schnell und ohne größeren Aufwand – sieht man von der Fünf-Minuten-Zigarettenpause ab – erreichbar ist.
Allerdings baut der Körper Nikotin recht schnell wieder ab. Die Wirkung lässt rasch nach, und wie bei jeder Droge gewöhnt sich der Körper nach einiger Zeit daran. Die Dosis muss erhöht werden, um die Wirkung wieder zu spüren.
Ist die Abhängigkeit erst einmal da, wird man sie nur schwer wieder los. Das liegt auch daran, dass der Körper nicht nur das Nikotin selbst mit den Glücksgefühlen verbindet, sondern auch die Situationen und Gefühlszustände, in denen normalerweise geraucht wird. Tritt eine solche Situation wieder ein – etwa die Kaffeepause am Nachmittag – wird das Verlangen nach der Zigarette sehr stark. Deshalb fällt es Rauchern, die sehr früh damit angefangen haben, auch so schwer die Finger davon zu lassen.
Viele Raucherentwöhnungsprogramme setzen deshalb einen Schwerpunkt darauf, das Verhalten der Raucher zu ändern und Reizsituationen zu vermeiden oder aufzulösen. Der Körper muss umlernen, und die jeweiligen Situationen vom Rauchen entkoppeln. Das ist nicht einfach und dauert eine Weile.
Doch es ist einer der wichtigsten Schritte, um langfristig rauchfrei zu bleiben. Wenn der Raucher stufenweise und ganz bewusst erlernt, sein bisheriges Raucherverhalten durch anderes Verhalten zu ersetzen, verringert sich die Anzahl der Rückfälle im Vergleich zu anderen Methoden erheblich.
Denn neben diesen Entwöhnungsprogrammen, die vor Ort oder auch kostengünstig und anonym als Onlineprogramm angeboten werden, etwa von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, gibt es zahlreiche andere Verfahren, die beim Rauchstopp helfen sollen. Kurzfristig leisten sie das oft auch. Akupunktur und Hypnose etwa können bei der Entwöhnung helfen und Entzugssymptome lindern.
Langfristig jedoch fallen die Ex-Raucher häufig wieder in ihr altes Verhalten zurück, weil sie nicht gelernt haben, schwierige Situationen zu identifizieren und zu vermeiden oder neu zu gestalten.
Der wichtigste Faktor für den Erfolg ist jedoch die feste Motivation, dauerhaft dem Zigarettenqualm fernzubleiben. Außerdem muss man auch bereit sein, etwas dafür zu tun. Wer den Rauchstopp nicht als Verzicht wahrnimmt, sondern als Befreiung, ist dabei auf lange Sicht erfolgreicher. Das belegen zahlreiche klinische Studien.
Manche Entwöhnungsprogramme, wie das "Move"-Programm des Psychologen Rainer Schneider, setzen genau dort an und versuchen, Motivation persönlichkeitsangepasst zu fördern und gezielt einzusetzen.
Doch bei aller Motivation haben viele Raucher Angst vor Entzugserscheinungen, wenn sie mit dem Rauchen aufhören. Nervosität, Herzklopfen, Unruhe und Schlafstörungen gehören für viele in den ersten Tagen nach der letzten Zigarette dazu. Da die meisten, etwa 80 Prozent, auf einen Schlag mit dem Rauchen aufhören, empfehlen Ärzte ab einer Dosis von zehn gerauchten Zigaretten am Tag den Nikotinersatz als wichtiges Hilfsmittel – am besten über mehrere Wochen.
Direkt nach dem Rauchstopp können Nikotinpflaster, Kaugummis oder Lutschtabletten helfen, Entzugssymptome zu mildern und einem Rückfall vorzubeugen. Dabei wird ein dauerhafter, aber niedriger Nikotinspiegel gesichert – ohne die fast 4000 Giftstoffe, die beim Rauchen einer Zigarette dazukommen. Diese Präparate machen, im Gegensatz zu den Zigaretten, auch nicht süchtig, denn dafür braucht es das für die Zigarette typische schnelle Ansteigen der Nikotinkonzentration im Körper.
Die Kombination aus Nikotinersatz und verhaltenstherapeutischen Nichtraucherkursen erzielte in Studien die besten Erfolge für dauerhaften Rauchstopp. Je nach Studie sind mit dieser Methode nach einem Jahr noch 20 bis mehr als 30 Prozent der Teilnehmer rauchfrei.
Neben den rezeptfreien Präparaten gibt es auch zwei in Deutschland zugelassene rezeptpflichtige Medikamente, die die Entwöhnungsbehandlung bei schwerer Abhängigkeit unterstützen können. Bupropion, ein antidepressiv und Angst lösend wirkendes Medikament, führte in kontrollierten Vergleichsstudien nach einem Jahr zu 20 Prozent Abstinenz gegenüber acht Prozent bei den mit einem Placebo behandelten Personen. Das entspricht den Raten, die auch mit den frei zugänglichen Nikotinersatzpräparaten erzielt werden.
Vareniclin, auch "Champix" und in den USA "Chantix" genannt, ist seit 2007 für die Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen. In bislang fünf Studien verdreifachte Vareniclin die Entwöhnungsraten gegenüber einem Placebo, und auch gegenüber Bupropion war eine Verbesserung zu sehen. Mediziner und Betroffene hofften auf eine Anti-Raucher-Pille.
Aber beide Medikamente können nicht nur die Lust auf das Nikotin nehmen, sondern auch starke Nebenwirkungen auslösen, und besonders Vareniclin ist wegen teils schwerer psychischer Nebenwirkungen wie Depressionen oder eines erhöhten Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in die Diskussion geraten. Ärzte prüfen deshalb sorgfältig, wann und bei wem die Medikamente angebracht sind
Haben es die Ex-Raucher dann endlich geschafft, das kritische erste Jahr rückfallfrei zu überstehen, haben sie meist mit einem anderen Problem zu kämpfen. Denn rund vier Kilos nehmen sie in den ersten zwei Jahren nach dem Rauchstopp zu. Das liegt daran, dass Nikotin den Stoffwechsel des Körpers beschleunigt und ihn nach dem Rauchstopp wieder auf das persönliche Normalmaß herunterschraubt. 200 bis 300 Kalorien müssen Ex-Raucher dann am Tag einsparen, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung vorschlägt.
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Außerdem ist Sport angesagt. Der hilft nicht nur, die Figur zu behalten, sondern vereinfacht auch die Entwöhnung selbst. Das haben Wissenschaftler um Kimberly Horn von der West Virginia University gezeigt. Die Erfolgquote der abstinenten Raucher lag bei einem Rauchfrei-Kurs in Kombination mit einem Sportprogramm bei 31 Prozent nach sechs Monaten.
Demgegenüber lagen die Quoten beim reinen Rauchstopp-Programm bei 21 Prozent und bei 16 Prozent unter denen, die nur eine Kurzeinweisung bekamen.
Wer also Sport in den Alltag einbaut und sich nach dem Rauchstopp das abendliche Glas Wein mit seinen 200 Kalorien verkneift, wird nicht dick und hat gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – auf dem Weg in ein rauchfreies und gesünderes Leben.
© WELT Online
weiter lesen: http://web.de/magazine/gesun … ren-last-wird.html#.A1000145
Ein für mich immer wieder bemerkenswertes Thema - wer raucht schon gerne !!