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Müssen Migranten "dankbar" sein?

*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Das nehme ich mal als vorübergehendes Schlußwort und schließe den Thread vorläufig erst mal an dieser Stelle.

Schade, dass es wieder mal so verläuft wie leider so oft. Die einen fordern Verständnis, haben aber selbst keines für andere. Und manche stellen, wie es scheint, ein Thema im Grunde nur ein, um Zuspruch zu erhalten und die eigene Meinung bestätigt zu bekommen und fühlen sich durch andere Meinungen und Sichtweisen sofort angegriffen. Warum nur?

Dabei lebt eine Diskussion doch gerade von unterschiedlichen Sichtweisen und Meinungen.

(Der Antaghar)
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Nach ein paar CMs mit ein paar UserInnen und der Versicherung, dass sich künftig alle um einen etwas höflicheren und respektvolleren Tonfall bemühen werden, können wir nun mit der Diskussion fortfahren.

Ich erinnere daran, was auf unserer Startseite steht:

Und wir legen Wert auf niveauvolle und faire Diskussionen, die gerne kontrovers und auch mal "hart" in der Sache sein dürfen, aber im persönlichen Umgang miteinander bitte möglichst höflich, respekt- und achtungsvoll sein sollen!

Alles klar? Ich wünsche uns allen eine bereichernde und anregende weitere Debatte!

(Der Antaghar)
****an Frau
1.796 Beiträge
Ich hasse mittlerweile nichts mehr,
als die Hilfsargumentation des Rassismus,
wo gar keiner ist!
(soll heißen, es gibt ganz sicher Rassismus, aber nicht alles, was so "einfach" als Rassismus etikettiert wird, ist auch welcher)

*

Zur Dankbarkeit hat Antaghar in seinen Beiträgen gute Worte gefunden.
Es geht nicht um die Dankbarkeit an den Staat oder im Speziellen an eine Person,
das wurde hier passend ausgedrückt:
Ich kann mir vorstellen, dass ich, wenn ich aus furchtbaren Lebensumständen nach Deutschland käme, um hier zu leben, zunächst eimal eine große Erleichterung und - daran gekoppelt - einfach Dankbarkeit empfinden würde.
Genau so denke ich auch - denn dieses Gefühl -das da sein müsste -
das spiegelt man nach außen... das wird bemerkt!

Der Knackpunkt liegt für mich in dem Wort Gastfreundschaft.
Mein Empfinden sagt mir, das in den angesprochenen Brennpunkten,
sich niemand als Gast sieht und auch keine Freundschaft will.
Somit auch das Empfinden und die Ausführung von Dankbarkeit nicht mal in den Sinn kommt.

Ich finde es selbstverständlich(ohne das man mir das sagen musste),
mich im Urlaubsland an die Gegebenheiten anzupassen.
Ich erlebte dabei schon eine so enorme, von Herzen kommende Gastfreundschaft,
von Familien, die nach unseren Maßstäben "nichts" hatten - die sich freuten,
das ich versuchte, sie zu verstehen und irgendwie mit Hand/Fuß/Brocken der Sprache zu komunizieren.
Ich finde es unmöglich, wie sich so Mancher (auch Deutscher) im Ausland verhält.

Es gab eine Zeit, wo ich überlegte, beruflich in ein anderes Land zu gehen.
Letztlich kam es nicht dazu, doch schon in(!) der Überlegung fing ich an, die Sprache ein wenig zu lernen.

*

Ein großer Punkt bei dem Thema ist diese Riesenschwemme von Menschen aus aller Welt, die nicht kleiner, sondern immer größer wird.
Die Einheimischen können und konnten sich darauf nicht vorbereiten,
und nun stehen sich kulturelle, moralische, religiöse und erzieherische Denkweisen gegenüber, die nicht unterschiedlicher sein könnten - ohne ein Herantasten oder Verstehen der jeweils anderen Seite.
Und mittlerweile auch ohne den Willen der jeweiligen Seite,
was - denke ich - der Überforderung geschuldet ist.

*

Als ich zur Schule ging, gab es in unserer ganzen Schule 1(!) Ausländer(Spanier).
Keine Berührungspunkte irgendeiner Art, weil einfach nicht vorhanden.
Der 6000-Seelen-Ort ist 20 Jahre später verändert, mit verhärteten Fronten -
weil eben keine Vorbereitung für niemanden vorhanden war -
als dann in dem Gebiet Russen "einflielen".
Ich weiß noch, das ich immer konstaniert war,
wenn ich von meiner Mutter (Baujahr 1928) bei späteren Besuchen "von denen" "hier kann man nicht mehr leben" "hier muss man Angst haben" "Polizei dauernd da" "Türe eingetreten" hörte

weil ich - mittlerweile im Berufsleben - mit Menschen jeglicher Nationalität arbeitete.

Mir kam das im 1. Moment tatsächlich rassistisch vor.
Doch wenn ich das unter dem Punkt der Vorbereitung und Annäherung sehe -
ist es das gewesen, oder war das Überforderung durch die vielen fremden Eindrücke, sicher auch gepaart mit dem Anstieg der Kriminalität damals?

*

Annähern... viele Dinge sind so klein und können so Großes erreichen.
Ich denke, meiner Mom hätte es geholfen, wäre die Frau der russischen Nachbarn einfach mal vorbeigekommen und hätte sich bekannt gemacht!
So war das in der Kleinstadt einfach üblich. So kommt man ins Gespräch.
In welchem dann sicher auch Verständnis zu anderen Lebenseinstellungen hervorgekommen wäre.

Das Abkapseln - so wie in Duisburg, wurde schon beschrieben - und in einer Parallelgesellschaft leben - das schafft kein Vertrauen - schlimmer noch: Es zeigt sehr, sehr deutlich, das man nicht Dankbar ist, und das eigene "Ding" durchzieht, egal wo.

*

Jetzt arbeite ich seit ca. 20 Jahren mit bis zu 27 verschiedenen Nationalitäten zusammen. ICH habe viel gelernt. Gutes und Schlechtes. Echten Rassismus und Vorgeschobenen. Dankbarkeit und absolute Verweigerung bis hin zu Plänen, wie dieses Land mit dem Hitlerhintergrund niedergemacht werden soll. (das wird tatsächlich heute noch genauso gesagt - zu mir, die eine Generation ist, die damit überhaupt nichts zu tun hatte!)

Ich habe herzensgute Menschen kennengelernt, ich habe faule Eier kennengelernt.
Und ich habe schon vor Jahren von einem Menschen mit Migrationshintergrund gehört,
das aus nicht-Kriegsgebieten "eh nur die Leute kommen, die schon in deren Heimatland nichts auf die Reihe brachten".

*

Ich kenne diese Krisengebiete/Stadtteile, die sieDom beschreibt - die gibt es auch hier,
und ich bin froh, nicht dort zu wohnen. Es sind keine Märchen, die sie erzählt.
Auch Duisburg ist echt.

Es ist in meinen Augen falsch, das man dort in Angst leben muss,
nur weil das eigene Land hilfsbereit ist/war.

Staat/Politik haben vieles falsch gemacht, das Resultat ist sichtbar.
Änderungen, die beiden Seiten helfen würden, leider nicht.

DAS zu sagen, ist kein Rassismus.
DARÜBER verbittert zu werden, so wie sieDom schreibt,
ist eine Reaktion, die verständlich ist.

*

Die TE gibt m.E.n. hier ein gutes Beispiel,
gerade was den Titel des Thread anbelangt.

Auch deutsche Familien ziehen um, weil der Geldverdiener versetzt wird oder
woanders eine Chance sieht, das es der Familie besser geht.
Auch dabei werden die Kinder nicht gefragt,
es geht schließlich um das Wohl der eigenen Familie!
Ich kenne tatsächlich KEINEN Erwachsenen, der das seiner Familie krumm nimmt/nahm und Jahrzehnte später - beruflich erfolgreich - immer noch das Land verurteilt,
in dem er/sie heute erfolgreich ist.



Das waren mehr als nur 10 cent.
Und ich könnte noch so viele Gedanken dazu beitragen...
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Da darf ich mich mal einfach nur anschließen und rundum zustimmen.

Und es bringt uns alle keinen Schritt weiter, wenn wir uns etwas gegenseitig vorwerfen, für das wir alle nichts oder nur wenig können. Der Versuch, einander zu verstehen und einfach mal hinzuspüren, wie es dem jeweils anderen wohl ergehen mag, ist weit sinnvoller.

Und das, so denke ich, würde beiden Seiten gut tun - den Gastgebern, also den Deutschen, aber selbstverständlich auch den Gästen, den Migranten etc.!

Übrigens, wenn ich das noch zu bedenken geben darf, kommen die meisten Migranten, die ich persönlich kenne, aus Ländern, in welchen Gastfreundschaft gepflegt und hochgehalten wird. Und auch dort freut man sich, wenn die Gäste sich so verhalten, wie man es als Gast tut, und dankbar ist.

Warum haben manche aus diesen Ländern das vergessen, kaum sind sie hier?

(Der Antaghar)
*****har:
Warum haben manche aus diesen Ländern das vergessen, kaum sind sie hier?

Das ist eine wirklich gute Frage, die ich mir so auch schon des Öfteren gestellt habe.

Wahrscheinlich, weil wir Deutschen überall noch immer als die Bösen gelten.

Und weil Neid ein großer Antrieb für Hass ist.
"Den Deutschen geht es ja trotz des Krieges wieder viel zu gut!", ist ein häufiger Tenor.


Ich denke aber, dies ist nur ein Teil des Ganzen.

Ich kann mir schon vorstellen, dass es einen Menschen an den Rand der Verzweifelung bringen kann, fern von der Heimat zu sein, dies gezwungener Maßen, alles aufzugeben, bei Null anzufangen... Das kann auch lähmen.

Da zählt nicht, ob es dir nun auf der einen Seite besser geht, da zählt das, was dich niedermacht und herunterzieht.
Dann fehlt dir vielleicht auch die Energie, die Sprache zu lernen und dich anzupassen, weil du an der Heimat festhalten willst.

Und irgendwann vergisst du das Schlimme, das dir in der Heimat widerfahren ist (oder noch widerfahren könnte) und verherrlichst das Gute.
Menschen neigen dazu Negatives zu verdrängen und Positives zu glorifizieren.



Die Menschen, die das nicht so empfinden, sind die, die sich anpassen, einfügen, mitwachsen und am Ende gar nicht auffallen.

Die, die sich nicht einfügen und hochgradig daneben benehmen, sind die, die am Ende auffallen.

Und dann sind diese Menschen eben die schrecklichen Ausländer und die, die kaum auffallen, müssen eben mit in den Topf.
Der Mensch liebt nun einmal seine Schubladen.

Aber(!) eben nicht nur der Deutsche.


Wir Deutschen werden viel zu oft alle in den rassistischen Topf geworfen, sobald wir sagen, so geht etwas nicht weiter.
Genau das, was man uns Deutschen vorwirft, macht man mit uns... Man pauschalisiert. Und stempelt jeden von uns ab.

Man nimmt uns ebenfalls in Sippenhaft.

1974 fuhren meine Eltern mit mir als Baby durch Frankreich. Meine Mutter wurde als Scheiß-Deutsche an drei Gaststätten abgewiesen, als sie um heißes Wasser für ihr Baby bat, um ein Fläschchen zubereiten zu können, da sie nicht stillen konnte.
Da stand sie nun, mit mir -schreiend- auf dem Arm und keiner zeigte Mitgefühl.
Erst eine Frau an der vierten Gaststätte kochte meier Mutter Wasser für mich ab.

Ja, ich bin dieser Frau noch heute dankbar. Ich kenne sie nicht, aber ich empfinde eine Wärme für sie und ich sende ihr positive Wünsche, wenn ich an sie denke.

„Was ein Mensch an Gutem
in die Welt hinausgibt,
geht nicht verloren.“


[Albert Schweitzer]

Und ich hoffe, sie bekam an anderer Stelle dafür Güte zurück.

Genauso wende ich mich nicht ab, wenn mir Leid oder Unrecht begegnet, ich kann nicht die ganze Welt retten, aber meinem Gegenüber kann ich Gutes tun.
Und da entscheide ich nicht nach Hautfarbe, Rasse oder Nationalität.


Das Einzige, was gegen Hass hilft, ist wohl im Kleinen zu beginnen.
Jeder sollte aufeinander zugehen und Verständnis füreinander aufbringen.




****an:
Ich hasse mittlerweile nichts mehr,
als die Hilfsargumentation des Rassismus,
wo gar keiner ist!
(soll heißen, es gibt ganz sicher Rassismus, aber nicht alles, was so "einfach" als Rassismus etikettiert wird, ist auch welcher)

Das kann ich nur unterschreiben! Genau das finde ich sehr fatal!
dem gegenseitigen Schulterklopfen mag ich nichts entgegensetzen.....

die Beiträge sprechen für sich.
Erfahrungen
Ich habe jetzt nicht alle Beiträge gelesen.
Dennoch ist mir aufgefallen, das viele auf Einzelerfahrungen deuten.
Die Meisten von uns haben gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Ist das ein Maßstab?
Wenn mit mir "die Pferde durchgehen" frage ich mich jedes mal:
Ist das bei allen so? Kannst du dein eben Erfahrenes auf alle diese Menschen übertragen?
Nette Gesten
Neulich hat eine alevitische Kollegin aus einem Dienst, der mit uns zusammen arbeitet Ashure in unsere Dienststelle gebracht.
Das Ashura, ist der höchste Trauertag im schiitischen Islam.
Nach der Fastenzeit wird bei den Aleviten eine Süßspeise gekocht, Ashure, und als Symbol der Dankbarkeit unter Bekannten, Verwandten und Nachbarn verteilt.

Das war eine sher schöne Geste, fand ich.
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