tja, das ist die Frage
Interessante Frage, Antaghar und zudem eine, über die ich in den letzten Tagen sehr intensiv nachdenken musste. Natürlich gibt es viele Dinge, die mich ärgern, doch je älter ich werde, um so mehr stellt sich die Frage nach dem Sinn des »sich ärgerns«.
Es bedeutet doch, mit einem Zustand unzufrieden zu sein. Wenn ich mit einem Zustand unzufrieden bin, muss ich mich entscheiden. Ich kann aufhören, mich darüber zu ärgern, weil ich ihn nicht ändern kann oder ich kann Energie aufwenden, um das Ärgernis zu beseitigen. Leider funktionieren nur Roboter so.
Früher habe ich mich über sehr viel geärgert, mit zunehmender Erfahrung wird es weniger. Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, muss ich zugeben, dass mich am meisten geärgert hat, wenn andere mich respektlos behandelt haben, mich als Persönlichkeit nicht akzeptiert haben oder ich vereinnahmt wurde - oder ich den Eindruck davon hatte. Das hat mich durch die Decke gejagt. Wenn meine Wünsche oder Ideen einfach missachtet wurden.
Ich weiß, das klingt sehr egoistisch, aber es ist so. Genau diese fehlende Ehrlichkeit war auch Grund zum Ärger
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Heute ist das etwas anders. Ich bin mir selbst nicht mehr so wichtig, das macht das Leben etwas entspannter und ich kann ganz gut damit leben, wenn jemand mich ignoriert oder andere etwas tun, was ich als falsch ansehe. Eines ist jedoch geblieben - ich reagiere immer noch total unrational und sehe unkontrollierbar rot, wenn jemand gekränkt oder verletzt wird, den ich liebe. Dann werde ich zum Tier.
Vor zwei Tagen musste ich aus diesem Grund einen Brief schreiben, und ich bin richtig froh, dass ich mich im Amt so weit unter Kontrolle hatte, dass ich dort nicht ausgerastet bin. Im Nachhinein wurde mir klar, dass dieser Brief viel fieser und gemeiner war und das Beste daran - anschließend fühlte ich mich richtig gut
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Ich stelle ihn einmal hier ein, vielleicht verhilft es ja einigen zu einem Lachen. Ich kann jetzt auch wieder lachen ...
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"Sehr geehrte Frau ..., (Leiterin der Zulassungsbehörde)
den folgenden Brief möchte ich noch nicht als offizielle Beschwerde verstanden wissen. Trotzdem würde es mich freuen, von Ihnen eine Antwort zu erhalten. Mein Name ist ..., ich bin seit über dreißig Jahren Schweriner und stolz auf meine Stadt und mein Land. Ich werde auch nicht müde, im Kreis meiner Kollegen davon zu schwärmen, genau wie über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Ämtern und Behörden. Der heutige Tag stempelt mich zu einem Lügner.
Seit zwei Jahren bin ich mit meiner Frau verheiratet, sie kommt aus Minsk in Weißrussland, und wir hatten vor, einen Antrag auf Umschreibung ihrer Fahrerlaubnis zu stellen. Dazu suchten wir die Führerscheinstelle in der Otto-Hahn-Straße in Schwerin auf. Ich will mich nicht darüber beschweren, dass mir, obwohl wir zu zweit kamen und Stühle in der Nähe waren, kein Platz angeboten wurde, wohl aber über die Art und Weise, in der mit meiner Frau und mir umgegangen wurde.
Wir legten die Dokumente vor, die Sachbearbeiterin warf einen Blick auf das Attest der Augenärztin, legte einen Finger darauf und fuhr meine Frau an: »Was soll das? Damit kann ich nichts anfangen!«
Auf meine Nachfrage, was sie damit meinte, antwortete sie: »Hier fehlt ein Kreuz!« Dabei zeigte sie auf die Felder, die auszufüllen sind, wenn das Fahren nur mit Sehhilfe gestattet ist. Einige Zeilen darüber hatte die Augenärztin aber deutlichst geschrieben, dass die Sehleistung meine Frau uneingeschränkt fahrtauglich macht. Ich wies die Sachbearbeiterin darauf hin. Wir hörten keine Entschuldigung, dafür aber die Frage, wo der Nachweis der Einreise meiner Frau nach Deutschland sei. Wir waren erstaunt, denn wir hatten den Pass meiner Frau dabei (mit Einreisestempel), ihre Aufenthaltsgenehmigung und eine aktuelle Meldebescheinigung. Ich wies die Sachbearbeiterin drauf hin, dass alle drei Dokumente Datumsangaben enthalten, wann meine Frau nach Deutschland kam bzw. seit wann sie hier gemeldet ist.
Wieder wurden wir kurz und knapp abgefertigt. »In der Meldebescheinigung steht das nicht drin!«. Ich bat um diese Meldebescheinigung und zeigte der Sachbearbeiterin, dass sowohl das Datum, seit wann meine Frau in Schwerin gemeldet ist, als auch die Tatsache, dass es ihre alleinige Wohnung ist, sehr wohl aus den wenigen Zeilen dieses Dokuments ersichtlich ist. Die Antwort der Sachbearbeiterin war also zum zweiten Mal sachlich falsch. Wieder hörten wir keine Entschuldigung. Stattdessen die Weisung: »Ohne ein Dokument von der Ausländerbehörde über die Bestätigung der Einreise können wir den Antrag nicht bearbeiten.« Das war die dritte sachlich falsche Auskunft, die wir erhielten, wie sich im Nachhinein zeigen sollte.
Wir fuhren zurück nach Schwerin in die Ausländerbehörde und sprachen mit Frau ..., die uns mitteilte, dass dieses Ansinnen nicht korrekt ist und die Ausländerbehörde ein solches Dokument nicht ausstellt. Sie wies uns darauf hin, dass in dem Merkblatt von der Führerscheinstelle auch kein »Dokument« gefordert sei, sondern der »Nachweis« und als solcher gelte sowohl der Eintrag im Pass meiner Frau, die Meldebescheinigung als auch ihr Aufenthaltstitel. Bei Fragen dazu könne man aus der Führerscheinstelle gerne bei ihr anrufen.
Wir fuhren zurück zur Führerscheinstelle und legten die Dokumente erneut vor. Als ich etwas sagen wollte, wurde ich angefahren: »Ihre Frau stellt doch den Antrag, oder?« und damit zum Ausdruck gebracht, dass ich den Mund zu halten habe. Das tue ich für gewöhnlich auch in Angelegenheiten meiner Frau, denn sie ist intelligent und spricht nach zwei Jahren Aufenthalt in Deutschland (das Zertifikat B2+ hat sie vor einigen Monaten erfolgreich abgeschlossen) leidlich gut deutsch. Da die Sachbearbeiterin aber sehr schnell und sehr undeutlich sprach, hatte ich das Reden übernehmen wollen, um es beiden Seiten einfacher zu machen.
Auf die Frage nach dem Nachweis der Einreise meiner Frau musste ich mich dann doch einschalten und teilte der Sachbearbeiterin die Auskunft von Frau ... mit. Die Sachbearbeiterin daneben schaltete sich ein und wies mich darauf hin, dass Frau ... nicht die Leiterin der Ausländerbehörde sei. Schließlich gaben beide Damen sich damit zufrieden, eine Kopie des Einreisestempels im Pass meiner Frau anzufertigen und das als Nachweis zu akzeptieren. Der Antrag wurde angenommen. Auch hier hörten wir keinerlei Entschuldigung, dass man uns fälschlich weggeschickt hatte, wir Benzin verfahren und Arbeitszeit verbraucht haben, was nicht notwendig gewesen wäre.
Was ist nun der Grund meines Schreibens an sie? Es sind zwei Gefühle - Wut und Scham. Die Wut rührt daher, dass uns beiden das Gefühl gegeben wurde, wir seien Bittsteller und Menschen einer niederen Klasse. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass meine Frau ein Kleid trug und ich Jeans und ein kurzärmeliges Hemd. Wir waren weder over- noch underdressed, sauber und unauffällig. Alle meine Freunde kennen mich als stets höflich, bescheiden und zurückhaltend. Warum also wurden wir so behandelt?
Die Scham rührt daher, dass ich auch gegenüber meiner Frau immer wieder den Stolz auf meine Stadt zum Ausdruck bringe und darüber, dass die Behördenmitarbeiter hier wesentlich freundlicher sind, als sie es aus Minsk kennt. Ich habe mich danach bei meiner Frau entschuldigt, denn ich empfand es einfach nur als beschämend. Um so mehr, als die Erfahrungen, die ich auf der gegenüberliegenden Seite bei den Mitarbeitern der Zulassungsstelle sammeln konnte, ganz andere sind. Hier herrscht Hilfsbereitschaft, und der deutlich spürbare Wunsch, Menschen zu helfen.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Problem mit den beiden Mitarbeiterinnen besprechen würden. Mir geht es nicht um »Rache« oder um die Befriedigung gekränkten Stolzes, sondern darum, dass hier in meinen Augen ein Fehlverhalten vorliegt, das dem Ansehen der Stadt und seiner Bürger schadet. Falls Sie Fragen haben oder weitere Auskünfte wünschen, stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Bitte scheuen Sie sich nicht, mich per Mail oder telefonisch zu kontaktieren."
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Was uns dann zu der logischen Erweiterung der Frage führt, nämlich:
Wie geht Ihr mit Eurem Ärger um?