Das Geschenk
Es begab sich zu einer Zeit, als Donald noch die Amerikaner und den Rest der Welt ärgerte, da saß Herr Broickenhuis an seinem Schreibtisch und tätigte für diesen Tag seine letzte Überweisung. Er seufzte laut und nahm einen ersten Schluck aus seinem bereit gestellten Whisky. Keine sechs Monate war es her, dass seine Firma kurz vor der Insolvenz stand. Es gab zu wenig Aufträge für zu viele Firmen, die sich auf die Entsorgung von verseuchter Erde spezialisiert hatten. Mit Freude schaute er nun die Umsätze an. Die Angst, die Gehälter nicht bezahlen zu können gehörte der Vergangenheit an. Der eine Dauerauftrag, den er als das größte Geschenk für alle bezeichnete, erreichte ihn im Juni. Schuld war sein Enkel.
Wie kann ein kleiner Enkel schuldig sein? Wie kann ein kleines Wunder geschehen?
Wo soll ich beginnen? Es begab sich zu einer Zeit, dass ein kleiner Fußballverein im hohen Norden ein besonderes Duschgel auf den Markt brachte. Gedacht war es als Geschenk an die Fans. Niemand ahnte, dass es angenehme Nebenwirkungen hatte – je nachdem aus welcher Sicht man es betrachtete. Obwohl besagter Enkel, der auf den Namen Ben hörte und mit seinen fünf Jahren wirklich unschuldig war, wie es ein Lausbub` nur sein konnte, lieferte er den Anstoß für … Anstoß für was? Ben war ein großer Fan des kleinen Fußballvereins im hohen Norden und ein großer Fan seiner neuen, sehr sehr großen Wasserpistole. Eine Wasserpistole, die einem Wassergewehr ähnelte. Nur mit Wasser aus dem Wassergewehr auf den Rasen zu sprühen, war ihm zu langweilig. Viel lieber würde er den deutschen Schäferhund des Nachbarn, der immer so laut bellte und versuchte Ben durch das eine Loch im Zaun zu fassen, richtig nass machen. Oma Broickenhuis hätte etwas dagegen. Auch sie fürchtete den Schäferhund und schimpfte oft über den Nachbarn, wenn sie glaubte er würde es nicht hören.
Heimlich ging er in das Badezimmer und füllte etwas von dem Duschgel und viel Wasser in sein Wassergewehr.
Bis oben hin.
Draußen drückte er einmal am Hebel und eine kleine Schaumladung kam aus der großen Öffnung. Das machte Spaß.
Mit dem Wassergewehr ging er in den Garten. Plötzlich wurde es laut: „Sitz!“ „Platz Bruno.“ „Fass Bruno.“ Damit ließ der Nachbar, namens André, den Schäferhund los, der in Richtung Zaun sprintete und versuchte sein Maul durch das Loch zu bekommen. Er hatte Appetit auf den kleinen Ben. Ben fiel vor Schreck auf den Boden, sah das sabbernde Maul, die Springerstiefel vom Nachbarn, schrie nach Oma Broickenhuis und drückte auf den Hebel seines Wassergewehrs. Spritzte Bruno nass, spritzte Björn und seine Springerstiefel nass, nachdem Bruno zurück Richtung Haus ging. Immer und immer wieder zielte er auf André, der komischerweise nicht von der Stelle wich. „Oma, Oma.“ schrie er aus Leibeskräften. „Der Köter will mich fressen.“
Als Oma Broickenhuis zum Zaun ging, staunte sie nicht schlecht. Die Springerstiefel waren ausgezogen, auch die Uniform die André gerne im Garten trug. Nackt, wie Gott ihn schuf stand er da und aus all´ seinen Körperöffnungen und – poren kam braunes Wasser. Der Köter kam zurück und sah nicht weniger braun aus. Braune Brühe tropfte aus seinem Fell. André schaute an sich herunter, griente Oma Broickenhuis an, hob die Hand zum Gruß und wünschte Oma einen schönen Tag, bevor er die Stiefel und Uniform in der Mülltonne entsorgte und ins Haus ging.
Oma nahm Ben mit in ihr Haus, rief Opa an, der sofort kam und sprach hinter geschlossenen Türen mit Opa. Zuvor kochte sie Ben eine heiße Schokolade und wollte wissen, mit was genau er sein Wassergewehr gefüllt hatte.
Die nächsten Tage waren anders. Oma, die Mitglied bei den strickenden Omas war, bekam viel Besuch. Ben wollte an der Tür lauschen, doch wurde er in den Garten geschickt. Einmal nahm sie ihn und Oma Berta von den strickenden Omas mit in eine andere Ecke der Stadt. Er sollte heimlich, also aus Versehen, einen Mann mit Kurzhaarschnitt und Springerstiefeln bekleidet, von oben bis unten mit seinem Wassergewehr nass spritzen. Ben machte es Spaß und er verstand nicht, warum Oma meinte, nun müsse man sich noch um die braune Pfütze kümmern.
Opa Broickenhuis sah er nachts in Nachbars Garten Erde abtragen, neue aufschütten und zufrieden grinsend ins Bett gehen.
Der Nachbar trug nun gerne Latzhosen, ließ seine Haare wachsen und schickte Bruno nie wieder ohne Maulkorb auf die Straße.
Oma bekam weiterhin viel Besuch. Nicht nur von den strickenden Omas, sondern auch von jungen Frauen, Männern und Kindern. Jeder und jede, die das Haus verließ bekam ein großes Wassergewehr geschenkt.
Ben verstand mit seinen fünf Jahren nicht, was um ihn geschah. Einmal schaffte er es doch zu lauschen: „Die setzen Fake News in die Welt, wir werden jetzt eine Fake Veranstaltung in die Welt setzen.“
Fäääik? Was kann das nur sein, dachte der kleine Ben.
Während der kleine Fußballverein im hohen Norden ein sehr wichtiges Spiel gewann, ging der kleine Ben mit Oma und Opa Broickenhuis zu einer Schaumparty, wie die Oma es nannte. Sie packten ihre Wassergewehre ein und fuhren zu einem Fußballstadion. Der kleine Ben verstand noch nicht, dass es kein Fußballspiel geben würde. Stattdessen standen sie auf der Rasenfläche in einem nicht so großen Stadion. In der Mitte war eine Bühne aufgebaut, über der ein riesiges Banner „Angie muss weg“ hing. Auf der Bühne stand niemand. Das Stadion war gefüllt mit Menschen, die laut sprachen, nicht mehr ganz nüchtern waren, Deutschlandfahnen, und Deutschlandmützen trugen. Es hörte sich komisch an und sah nicht weniger komisch aus. Besonders die Männer, die ihren Arm so merkwürdig streckten, sahen doof aus. Ob sie in der Nase bohren wollten, es sich nicht trauten und es damit verhindern wollten? Das geht einfacher dachte Benno. Benno drehte sich um und sah viele Menschen, die nicht komisch aussahen. Er sah die strickenden Omi und die Menschen, die in den letzten Wochen zu Besuch kamen und viele mehr. Alle trugen ein großes, gefülltes Wassergewehr unter dem Arm. Ihre Füße steckten in Gummistiefeln. Als sich ein alter Mann auf die Bühne stellte und brüllte: „Mutti muss weg. Angie muss weg. AKK muss weg.“, kam Bewegung in die Menge, die sich verteilte.
Strickende Omis
Männer mit Bierbäuchen
Männer mit doppelt Bierbäuchen
Junge, alte Menschen
Frauen in Latzhosen und Babytragetuch
Kinder
Männer mit Waschbrettbauch
Männer und Frauen mit Migrationshintergrund
Männer und Frauen ohne Migrationshintergrund
sie alle legten auf ein lautes Signal ihre Wassergewehre an und spritzen jede, jeder einen brüllenden Menschen an, bis das das Gewehr leer geschossen, also gespritzt war. Der alte Mann auf der Bühne wurde sicherheitshalber zweimal bespritzt.
Die braune Brühe fand auch hier ihren Weg aus den Körpern des braunen Packs und die Strickenden Omis; Männer mit Bierbäuchen; Männer mit doppelt Bierbäuchen; junge, alte Menschen; Frauen in Latzhosen und Babytragetuch; Kinder; Männer mit Waschbrettbauch; Männer und Frauen mit Migrationshintergrund; Männer und Frauen ohne Migrationshintergrund standen mit ihren Gummistiefeln fast kniehoch in der braunen Brühe. Die meisten von ihnen verließen wie verabredet das Stadion, während einige wenige den Erfolg ihrer Spritzaktion beobachteten. Es war wie immer: Grüßend verließen die zuvor dummes Zeug brüllenden Menschen das Stadion.Oma und Opa Broickenhuis lagen daheim schlafend im Bett als das Telefon klingelte: „Hier A.M.. Der Rasen im Stadion ist verseucht. Sorgen Sie dafür, dass der Boden gründlich abgetragen wird, neu eingesät und die Brühe fachgerecht entsorgt wird. Die Auftragsbestätigung für dieses Stadion und über zukünftige Entsorgungsarbeiten wurde in ihr Büro gefaxt.“
Opa Broickenhuis lagerte weiterhin in einer Halle seiner Firma einen Großposten an Wassergewehren und erklärte jedem Nutzer eindringlich, dass die richtige Wassermischung für eine Schaumparty aus einem Verhältnis 1/10 Duschgel des kleinen Fußballvereins im hohen Norden und 9/10 Leitungswasser besteht, um wirklich die ganze braune Brühe aus einem Körper zu bekommen.
Oma Broickenhuis organisierte weiter Fake Veranstaltungen, von denen der kleine Ben nie verstand, was sie bedeuteten. Er freute sich, wenn Oma sagte: „Gummistiefel an und Wassergewehr raus. Marsch, wir gehen auf eine Schaumparty.“ Das machte ihm Spaß und er spritzte immer nur einen Fußballfan im Stadion nass, wie Oma und Opa es ihm eingeimpft hatten.
So kam es, dass Opa Broickenhuis viel mehr Mitarbeiter einstellen musste, da immer mehr Stadien und andere Flächen gereinigt und ihre Oberflächen abgetragen werden mussten. Aus der ersten Schaumparty im Juni entstand eine große Bewegung, die in Europa aktiv ist. Erst gestern lieferte Opa Broickenhuis einen Container Wassergewehre und Duschgel nach Italien. Am Montag einen Container nach Ungarn.
Nur hier, hier in Deutschland werden immer weniger Wassergewehre benötigt. „Das ist gut so“, erklärt er seinem Enkel Ben. „Wenn Du nicht gewesen wärst, würde ich nicht so viel braune Brühe entsorgen können.“
Wie immer antwortet Ben: „Und wenn der kleine Fußballverein im hohen Norden nicht gewesen wäre“.
Sooft er seinen Opa nach der Entsorgung und Verbleib der braunen Brühe fragte, tätschelet ihm Opa Broickenhuis den Kopf, schauet ihm in die Augen – und schwieg.
Bei Bedarf reiche ich die Erklärung zu den "subtil" verwendeten Anspielungen nach