Ich möchte...
… gleich auf den ersten Beitrag des Threaderstellers eingehen der -zugegebener Maßen- sehr provokant ist, aber ein schönes Beispiel, was in unserem Land sehr gut funktioniert: nämlich die Meinungsbildung über die Medien. An sich ja nichts schlechtes, woher sollen wir denn sonst die Informationen bekommen, aus der wir unsere Meinung bilden können?
Zunächst meine Ansicht zu den aktuellen Vorgängen bei der Bahngewerkschaft. Was macht Herr Weselsky? Er nimmt ein im Grundgesetz verbrieftes Grundrecht wahr, den Streik. Einen Streik, den er alleine nicht führen kann, sondern es müssen schon Arbeitnehmer mit ihm streiken, genauer gesagt, die Arbeitnehmer streiken, denn Herr Weselsky geht in der Sache ja seiner Arbeit nach. Er macht also seinen Job.
Selbstverständlich ist ein Streik unbequem für, die ihn betreffen. Das ist der Sinn. Nur so kann Druck aufgebaut werden. Keine 5 Tage Woche, keine 40 Stundenwoche, keine regelmäßigen tariflichen Lohnerhöhungen, keine verbesserten Arbeitsbedingungen, keine 30 Tage Urlaub (gesetzlich sind es z. Zt 20!) usw.
Im aktuellen Falle geht es sogar um mehr, nämlich um eine größere Abdeckung der Verhandlungsergebnisse und damit um eine Stärkung der Arbeitnehmerseite im Sinne von -lasst es mich mit marktüblichen Worten ausdrücken- mit mehr Marktmacht.
Es ist in Deutschland gelungen, nach dem Ende des zweiten Weltkrieges einen demokratischen Staat mit Grundrechten für jeden Einzelnen aufzubauen. Demokratie, Meinungsfreiheit, Freiheit des Einzelnen, unbehelligt Leben zu können, nicht verfolgt zu werden, Selbstbestimmtheit, eine Ausbildung zu machen, Bildung überhaupt, Reisefreiheit. Wow, wir leben in einem tollen Land.
Das alles hat auch seine Schattenseiten. Ein entwickeltes System von Meinungsbildung über die Presse, von Lobbyisten gezielt eingesetzt. Ja, wir haben eine freie Presse, doch wird sie über die Verflechtung ihrer Macher gezielt gesteuert. Selbst das ist nicht verwerflich, solange es eine Ausgewogenheit in der Presse gibt, die mir persönlich seit längerer Zeit fehlt. Die großen Zeitschriften sind selten unterschiedlicher Meinung.
Mir persönlich ist das schon zu vielen Themen aufgefallen, ich war selbst auch schon indirekt betroffen, von dem was tatsächlich geschah und was in der Presse widergegeben worden ist.
Warum die Bildung der öffentlichen Meinung? Nun, grundsätzlich ist es so, dass politische Entscheidungen, die von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen werden, leichter durchzusetzen sind. So funktioniert das Spiel. Auch das will ich nicht verurteilen, ich finde es nur wichtig, diese Regeln zu kennen und sie in der Bildung der eigenen Meinung mit einzubeziehen.
Nun kommt Herr Weselsky aus dem östlichen Teil unserer Republik. Dem Teil, der zwei Diktaturen hinter sich hat. Ein großer Antrieb für den Einsatz demokratischer Werte. Ja, der Streik kostet Geld, er kostet dem Einzelnen Zeit und Nerven und es gibt Zugverbindungen, die ausfallen (keineswegs ist das gesamte Land lahmgelegt, verfolgt das mal, was alles noch so funktioniert weiterhin). Ein vergleichbarer geringer Preis für die Durchsetzung und Ausübung von Rechten, vor allem vor dem Hintergrund, dass im Laufe der Geschichte für Freiheit und Rechte schon viele ihr Leben lassen mussten.
Mein Appell an alle: bildet Euch Eure Meinung, informiert Euch, macht Euch im wahrsten Sinne ein Bild und zieht dann eure Schlüsse. Jede Meinung sollte willkommen sein und in der Diskussion mit anderen eine gewisse Balance schaffen, aber übernehmt nicht einfach unbedacht Schlagzeilen aus der Presse. Ich weiß, das ist einfacher, als sich mühsam zu informieren, aber letzteres ist ein guter Weg, denke ich. Puh, ich wollte noch viel mehr schreiben, aber ich denke, meine Botschaft/Meinung ist dennoch verständlich und ich möchte ja auch nicht diese Diskussion sprengen. In diesem Sinne einen schönen Tag und bleibt aufmerksam und meinungsfreudig. Stefan