@ nightphantasy
Das Thema ist insgesamt sehr komplex
So ist es und eben deswegen ist es umso wichtiger, dass die Verwirrung nicht noch zusätzlich durch wahrheitswidrige Behauptungen (
„alle“ sollten herein gewunken werden) und durch falsche Begriffe (Flüchtlinge erhielten ein Salär, also ein Einkommen) erhöht wird.
Und damit können wir zumindest diese Diskussion zum von mir monierten Wortgebrauch auch von meiner Seite aus ad acta legen. Aber sollten wieder falsche Behauptungen in den Raum gestellt werden, so muss auch erneut darüber gesprochen werden dürfen.
Das Thema ist insgesamt sehr komplex und leidet in erster Linie darunter, dass es tagtäglich von den verschiedensten Interessenvertretern befeuert wird.
Richtig! Nicht nur von Interessenvertretern sondern auch von Medien und von vielen, die in sozialen Medien, wie dieses eines ist, manchmal klug, manchmal irreleitend, manchmal diffamierend diskutiert wird. Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir zurzeit in einer „Stimmungsdemokratie“ (Ukraine-Krise, Euro-Krise, Flüchtlingskrise) leben. Umso wichtiger ist es, dass der einzelne seine Stimme erhebt, wenn er meint, dass eine „Stimmung“ gemacht werden soll, mit der er nicht einverstanden ist. Deswegen ist ja dieser Thread wohl auch entstanden.
Und selbst wenn wir sehr viele bei uns aufnehmen muss erst mal geklärt werden, wie diese dauerhaft bei uns integriert werden können.
Das sehe ich etwas anders. Zwei Anmerkungen:
1. Wir können dieses Thema aber nicht klären, solange die Menschen nach Wochen der Flucht in unhaltbaren Zuständen an der ungarischen, österreichischen und deutschen Grenze stehen. Da muss erst einmal Soforthilfe geleistet werden. Dies hat die Kanzlerin getan. Da kann man
nicht erst einmal klären wie diese dauerhaft bei uns integriert werden können.
2. Die Zeit der Klärung ist lang genug verschlafen worden. Was auf uns zukommen könnte haben die Zuständigen und die Politiker seit mehreren Jahren gewusst! Gegen ein Einwanderungsgesetz hat sich die CDU, CSU bis heute gesträubt. Mittlerweile begreift nun die CDU allmählich, dass es doch Zeit werden könnte und visiert als Zeitpunkt für einen Entwurf 2016 (!) an.
Wer auch immer mit Sachargumenten gegen eine unkontrollierte Einwanderung startet, wird jeder Demokratie zum Trotz viel zu schnell als "ausländerfeindlich" abgestempelt.
Ich glaube nicht, dass jemand wegen Sachargumenten als ausländerfeindlich abgestempelt wird und wenn doch, dann sind das seltene Ausnahmen. Ich habe es jedenfalls
nicht getan, habe durchaus Sachargumente (z.B. vernachlässigter sozialer Wohnungsbau) gewürdigt und meine eigenen Sorgen (Erschöpfung der Ehrenamtlichen) kund getan. Ich kann gerne auch bestätigen, dass auch ich Sorgen habe, wie wir den Teil der Bevölkerung, der ohnehin vor jeder Veränderung des sozialen und gesellschaftlichen Status Angst hat und der das aus mangelnder Information gern an allem Fremden festmacht, mitgenommen bekommen.
Aber das kann auch nicht bedeuten, dass wir aus vorauseilender Sorge diesen Menschen weiter als notwendig entgegenkommen. Es bedarf auch der politischen Führung. Die hat aber Kanzlerin Merkel, mit deren Politik ich normalerweise selten übereinstimme, mit ihrem Satz
„Wenn wir jetzt anfangen müssen, uns zu entschuldigen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land." ausnahmsweise einmal gezeigt! Mit Recht ist das von Kommentatoren als Ohrfeige für die CSU bezeichnet worden.
Die wenigsten Wortmeldungen befassen sich mit der Frage, wie sich die Krisenherde vor Ort stabilisieren lassen könnten- wobei man in verschiedenen Ländern kaum Hoffnung haben kann, dass die Machthaber oder Terrormilizen ernsthaftes Interesse an einem friedlichen Miteinander haben.
Dass hier der richtige Ansatzpunkt ist, das gebe ich gerne zu. Neun von zehn Flüchtlingen wollen in der Nähe ihrer Fluchtländer bleiben, deswegen sind die meisten davon im Libanon, in der Türkei, in Jordanien usw., die alle mehr Flüchtlinge pro 100 000 Einwohneraufnehmen als Europa und als Deutschland. Aber hier sind durch Mittelkürzungen auch der Europäer die Möglichkeiten des UNHCR in den dortigen Flüchtlingslagern drastisch beschnitten worden. Ein Teil der aktuellen Fluchtbewegung lässt sich auf dieses Sparen am falschen Platz zurückführen. Hier müsste der größte Teil der Hilfsgelder hinfließen, dann würden auch weniger Menschen die ungewisse und anstrengende Flucht nach Europa antreten.
Warum nur wenige Wortmeldungen sich darauf beziehen, hast Du eigentlich gegen Ende Deines Absatzes selbst gegeben. Dieses Problem ist auch weiter weg und noch undurchsichtiger als unser hiesiges Fluchtproblem.
Wir können drei Phasen unterscheiden.
Die
Vergangenheit, in der die gesamte EU und insbesondere Deutschland als Profiteur die Flüchtlingsproblematik nicht wahrnehmen wollte. Dublin II war nie eine Lösung.
Die
Gegenwart, in der wir leider wegen der Versäumnisse in der Vergangenheit unvorbereitet ad hoc helfen müssen. Die Probleme lösen sich nie auf, sie kommen uns einholen. Jetzt können wir nur tatkräftig, menschlich, unbürokratisch und sofort handeln.
Die
Zukunft, in der wir als Gesellschaft und als Politik uns um die Integration derjenigen kümmern müssen, die hier bleiben wollen und in der wir die Krisengebiete zu befrieden helfen, damit diejenigen, die in ihre Heimat zurückwollen, bald die Möglichkeiten dazu finden.
Dazu gehört auch, dass ganz Europa endlich die Entwicklungshilfe auf die versprochenen 0,7 % erhöht und nicht weiter bei 0,4 % belässt oder gar weiter absenkt und dass wir aus dem Irakkrieg endlich einmal Lehren ziehen.
Er von Zarteliebe