Nicht ganz
Vielleicht sollte ich präzisieren.
Für mich ist jemand, der mal vor 20 Jahren als Ingenieur gearbeitet hat, und von da an Versicherungen verkauft hat, kein Ingenieur (mehr). (Ist nur ein Beispiel).
Wenn wir uns darauf einigen könnten, jemanden als Ingenieur zu bezeichnen, der auch die letzten zwei Jahre als Ingenieur gearbeitet hat (also entweder im Labor gesessen, gemessen oder Software-Engineering betrieben hat, oder wenigstens Fachaufsätze geschrieben hat), dann sieht die Sache anders aus.
Wer mal als Ingenieur gearbeitet hat, weiß, wie es mit der beruflichen Laufbahn geht: Man kommt von der Hochschule und wird in ein Labor eingestellt (oder macht etwas anderes und arbeitet dann nie als Ingenieur, ist also bald keiner mehr im Sinne obiger Definition). Wenn man gute Arbeit leistet, wird man Laborleiter. Von da an geht ein großer Teil der Zeit für Auftragsakquise, Verhandlungen mit Auftraggebern, Verwaltung und Personalführung usw. drauf. Aber es bleibt immer noch genung Ingenieurarbeit übrig. Ist man auch darin erfolgreich, erhält man die Verantwortung für eine Laborgruppe. Mit Ingenieurtätigkeit hat man dann nicht mehr viel zu tun. Hier ist dann der Scheideweg. Bleibt man Ingenieur oder wird man Manager?
Piech und Winterkorn sind schon lange keine Ingeniere mehr, sondern Manager. (Wann haben sie denn zuletzt eine Ingenieurarbeit publiziert?) Wären sie noch Ingenieure, würden sie auch mit Ingenieurmethoden arbeiten, und dazu gehört der messbare Nachweis, dass eine technische Problemlösung gefunden wurde. Im Fall der Dieselmotoren wurde aber keine technische Lösung, sondern eine in Deutschland funktionierende juristische Lösung gefunden. Typisch Manager oder Jurist.
Nun ist aber das Rechtswesen in den USA anders. Daher wird dort auch im juristischen Sinn als Betrug gesehen, was bei uns im juristischen Sinn bestenfalls grenzwertig ist: bei uns steht ja nicht in Gesetz oder Verordnung, dass der Motor im Regelbetrieb bestimmte Bedingungen erfüllen muss, sonder nur, dass er in einem vorgeschriebenen Test bestimmte Bedingungen erfüllen muss. Das tun die kritisierten Motoren.
Dass solche Spitzfindigkeiten bei uns möglich sind, liegt daran, dass inzwischen nicht mehr die Bundestagsjuristen die Gesetzesvorlagen schreiben, sondern Lobbyisten, die von der interessierten Industrie bezahlt werden. Die bauen solche Hintertüren mit ein. Überraschung ...
Gestern hat nun VW seine Bauernopfer gebracht. Und wieder ging durch die Medien: "Inzwischen haben VW-Ingenieure gestanden, für den Einsatz der Schummelsoftware verantwortlich zu sein." Oh nein, es waren nicht Menschen, die als Ingenieure arbeiten, die diese Entscheidung getroffen haben, es waren Menschen, die als Manager gearbeitet haben. Das sind die, die sich vertraglich satte Gehälter und noch sattere Abfindungen bei Ausscheiden sichern. Und genau die sollte man jetzt auch mit ihrem auf diese Art angesammelten Millionenvermögen zur Verantwortung zu ziehen. Zuallererst Piech und Winterkorn, denn mit ihrer "enormen unternehmerischen Verantwortung" haben sie ja ihre maßlosen Gehälter gerechtfertigt.
Und wer trägt nun das unternehmerische Risiko? VW und Audi haben bereits massenhaft Zeitverträge nicht mehr verlängert (entlassen muss man a ja nicht), Zulieferern sind die Aufträge massiv gekürzt worden, und die entlassen nun Mitarbeiter.