Deutschlands eigene Verantwortung
Als positiv denkender Mensch versuche ich bei allem Für und Wider die Chancen zu sehen, die dem innewohnen. Aber bevor ich darauf eingehe, ist eine Analyse notwendig.
Ich möchte vorwegschicken, dass ich zu Zeiten, als Charles DeGaulle Präsident von Frankreich war, ein glühender Befürworter der europäischen Idee war. Damals hatte sich langsam eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft aus der ehemaligen Montanunion entwickelt. Traf man einen Briten, hat man schalkhaft gegrüßt: "What about the Commen Market?"
Eine Zeit lang ging es bergauf, denn es war eine Wirtschaftsgemeinschaft gefragt, kein Staatenbund.
Dummerweise wurde dann im Lauf der Zeit ein Historiker Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der nur einen sehr engen Blickwinkel auf Bündnispolitik hatte. Man darf vermuten, dass sein größter Wunsch war, in den Geschichstbüchern vermerkt zu werden. Er versuchte gegen den Mehrheitswillen der europäischen Partner die Generierung eines Staatenbundes durchzudrücken.
Die Briten stimmten dem nur unter der Auflage der Einstimmigkeit der Beschlussfassung zu, und nur unter einer ausgeprägten Beschneidung der Rechte des entstehenden europäischen Parlaments und unter Aushandlung so genannter Britenrabatte. Den Briten (und den anderen Beteiligten) war nämlich klar: bei geforderter Einstimmigkeit läuft nichts ohne die Briten. Alles Unliebige kann verhindert werden.
Wie es aber so oft ist, begannen die Dinge eine Eigendynamik zu entwickeln: Weil es im Wesentlichen um Einflussnahme auf die Verteilung von Finanzmitteln ging, wurde der Abschöpfung dieser Mittel wegen so mancher faule Kompromiss geschlossen, welcher im Endeffekt die Macht der Eurokraten anwachsen ließ und es steht zu befürchten, dass damit die Korruption wuchs und wuchs.
Solange Deutschland klaglos zahlte und kein bedeutendes Entgegenkommen der Partner verlangte lief das gut.
Ernsthafte Probleme kamen auf, als sich herausstellte, dass sich Griechenland unter verbrecherischer Mithilfe amerikanischer Großbanken die Mitgliedschaft in der EU erschlichen hatte, und dass sich hier ein Riesenfinanzierungsloch auftat. Der damalige Historiker war zwar nicht mehr Kanzler, aber sein Ziehkind war jetzt in der Position, und dieses war längst in Abhängigkeit parteipolitischer und transatlantischer Begehrlichkeiten.
Zum ersten Mal mussten die EU-Mitglieder nun Solidarität zeigen. Es gelang notdürftig, weil Viele befürchteten, sonst noch mehr zu verlieren. (Und diese Krise ist immer noch nicht endgültig gelöst).
Dann wurde dem Ziehkind eingeredet, es müsse besonders christlich handeln. Die dann erfolgte größte Fehlentscheidung unseres noch jungen Jahrhunderts löste ein Völkerwanderung aus. Und nun musste zwangsläufig Solidarität von Allen gefordert werden. DAS war letztendlich das Hauptargument, das den Brexit-Befürwortern den Sieg bescherte: Jetzt sollte erstmailg der Gemeinschaft geholfen werden, ohne dass dafür ein großer Vorteil für den Nationalstaat entstanden wäre. DAS ließ den europäischen Gedanken bei Vielen zerbrechen. Gewonnen haben (auf den ersten Blick) diejenigen vom Stamme "nimm".
Im Grunde gibt es also eine Mitverantwortung deutscher Regierungen, die über Jahre hinweg zu diesem Resultat geführt hat.
Was ist nun an diesem Resultat positiv zu sehen? Es ist die Tatsache, dass das Scheitern der EU, so wie sie zur Zeit ist, genauestens analysiert wird. Jetzt haben wir die riesige Chance, eine NEUE EU so zu schaffen, dass aus ihr ein Gebilde mit Handlungsfähigkeit wird.
Dazu ist nötig, dass Macht demokratisch zuerteilt und kontrolliert werden muss. Damit das geregelt entstehen kann, muss ein europäisches Grundgesetz her mit der eindeutigen Forderung: Nur wer diesem Grundgesetz zustimmt, darf aufgenommen werden. Es muss dann auch Mechanismen geben, welche den Ausschluss aus der Gemeinschaft ermöglichen, dann nämlich, wenn gegen dieses Grundgesetz verstoßen wird.
Jedes zukünftige Mitglied muss nach transparenten Regeln Verpflichtungen gegenüber der neuen EU eingehen, was Finanzen angeht, was gemeinsame Ordnungsaufgaben wie Terrorismusbekämpfung und gemeinsame Verträge mit Anderen angeht, was gemeinsame Marktinteressen angeht, was eine Angleichung des Rechts angeht, etc., etc.
JETZT haben wir die Chance. Es liegt an uns, etwas daraus zu machen.
lilomar (m)