Auch wenn ich zur Zeit ein paar Tage im Rheinland weile...
... ist mir eine derartige Gewalttat geographisch noch nie so nahe gerückt. Eine gute viertel Stunde zu Fuß, etwa drei Minuten mit der U-Bahn würde der Weg von meiner Wohnung zum Ort des Geschehens brauchen und vor ein paar Tagen war ich noch im Europa-Center für ein paar Besorgungen. Der Rückweg führte mich über eben diesen Weihnachtsmarkt ...
Am besagten Abend dann der Anruf einer guten Freundin aus Berlin: "... schon Nachrichten gesehen...? - Unfall, Anschlag ...? - Irgendwie mußte man ja damit rechnen, und dennoch 'kalt erwischt' ... " etc.
Der weitere Abend begleitet durch die Tagesschau-Sondersendung, ausgefüllt mit WhatsApp-Dialogen und Telofonaten - bevorzugt mit denen, die bisher nicht wußten, daß wir
zur Zeit gar nicht in Berlin sind ...
Nach einer guten Stunde dann soweit Gewissheit: Alle aus dem näheren Umfeld sind wohlauf, aber - auch wenn das Wort reichlich abgegriffen ist - doch irgendwo 'betroffen'.
Selbstverständlich daß mir klar ist, daß jeder Besuch eines Weihnachtsmarktes um Klassen ungefährlicher ist, als der Weg dorthin, aber was nützt bei beklemmenden Gefühlen jede Statistik?
Am nächsten Tag recht früh nach Bonn zum Einkaufen. Doch, sofort schräge Assotiationen, als eine Zugmaschine in die Fußgängerzone einbiegt - im Schrittempo, wohl einfach und schlicht. unterwegs zu irgend einer Baustelle.
Auch der Bonner Weihnachtsmarkt bleibt nicht unberührt von den Ereignissen: Reichlich Polizeipräsenz, an jeder Einfahrt mit ein oder zwei Transporten, quer zur Straße, so daß sie wohl ein Art Durchfahrsperre bilden sollen ...
Ob weniger Menschen als normalerweise den weihnachtsmarkt besuchen, vermag ich als Nicht-Bonner nicht zu beurteilen, aber auch hier hilft wohl Statistik nicht.
Aber vielleicht hilft sie doch: So, wie ich wider besseres Wissen, gelegendlich rauche, werde ich ohne besseres Wissen von Risiken und Wahrscheinlichkeiten durch Verwirrte, Amokläufer, Terroristen oder sonstwie motivierte Gewalttäter zu schaden zu kommen, mein Leben weiterführen, wie bisher und dazu gehört halt auch der gelegendliche Aufenthalt am Glühweinstand...
Sonst hätten die Gewalttäter und deren Komplizen - die jedes Ereignis dieser Art schamlos ausnutzen, um die Abschaffung ihnen unliebsamer Freiheiten zu fordern oder gegen ihnen unwillkommene Gruppen zu agitieren - gewonnen - und das will ich gewiss nicht.
Trotz Trauer und Mitgefühl ist vielleicht unsere Aufgabe zu 'leben' wie bisher - vielleicht in jeder Hinsicht etwas bewußter und aufmerksamer...
In diesem Sinne Euch allen trotz allem schöne Festtage und einen guten Jahreswechsel!
Gerardus