Cologne, ich habe den Eindruck, das Du in mir einen der von Dir typisierten Nicht-depressiven Menschen siehst. Das mag jetzt so sein, früher jedoch definitiv anders.
Wann betrachtet man sich als "geheilt"? Die Gedankenmuster geraten nicht in Vergessenheit, die sich aufbauenden scheinbaren Logikketten behalten ihre Stabilität. Es bedarf einer Menge Kraft, sich dem entgegenzustellen, und bei dieser Anstrengung verliert man oft einen Nebenstehenden aus dem Auge. Wenn ich Dich also mit Aussagen der unsensibleren Art verletzt habe, tut mir das leid.
Andererseits werde ich diese Aussagen auch nicht widerrufen, denn sie halten mich am Leben, und haben bisher meine Familie und Freunde vor Kummer bewahrt.
Bei einem Statement wie Deinem letzen, Zitat:
Sie sehnen sich einfach nur nach Ruhe!!
..aktivieren sich daher in mir alle Abwehrmechanismen: "Ruhe haben" und Tod haben nichts miteinander zu tun, wer als Depressiver auf diesen Gedanken hereinfällt, befindet sich schon auf einer Abwärtsspirale.
Auf diese Art "Ruhe haben" zu wollen, ist wie Hunger durch Zunähen des Mundes oder Kinderlärm durch Gift zu stillen. Wer ein Bedürfnis nach "Ruhe" so umsetzen will, erschießt aus der gleichen Logik heraus seine Frau, seinen Nachbarn, einen Passanten.
Ja, das sind krasse Vergleiche - aber sie helfen einer Krankheit, in der das persönliche Werturteil und die Fähigkeit des feinen Abwägens getrübt wird. Dann noch Toleranz und Selbstbestimmung zu predigen, heißt, den Kranken mit komplett geladenem Revolver zum Russisch Roulette spielen aufzufordern. Was ein Depressiver in einer solchen Situation manchmal braucht, ist ein grober Schock: Ich mache mich zum Mörder, traumatisiere meine Familie, nehme meinem Partner seine Fähigkeit zum Glücklichsein und meinen Kindern ihre Zukunft. Gut, dann überleg ich es mir noch mal.