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Die Entschlüsselung einer ganzen Kultur

****42 Mann
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Die Entschlüsselung einer ganzen Kultur
In diesem Jahr feiern alle Interessierten den 200. Jahrestag der Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion. Seine Arbeiten haben der Menschheit längst vergessenes Wissen über die Geschichte wieder erschlossen. Er hat das Tor in eine zwar noch in Ruinen existierende, aber aus den Köpfen verschwundene, Kultur aufgestoßen. Sein Werk wirkt bis heute und ist die Basis ganzer Forschungszweige. Champollion selbst hat bei einer Reisen nach Ägypten die Richtigkeit seiner Entdeckung überprüfen können. Er übersetzte in Turin den „Königspapyrus Turin“. Hielt diese aber geheim, weil er damit die "Zeitrechnung" der katholischen Kirche anzweifelte.
Leider hat sein früher Tod, der seinen ärmlichen Lebensumständen zuzuschreiben ist, das Ernten der Früchte seiner Arbeit verhindert. Ich habe größte Achtung vor der Arbeit dieses Wissenschaftlers.
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Die Basis für die Entschlüsselung war der Rosetta Stone. Benannt nach seinem Fundort Rašīd (Rosette) im Nildelta. Eine Expedition Napoleons hat den Stein am 15.7.1799 gefunden. Der Inhalt und das macht ihn so unendlich wertvoll für die Wissenschaft, ist in drei Sprachen abgefasst. In demotischer und altgriechischer Schrift sowie als Hieroglyphen. Zu bewundern ist der Stein seit 1802 im British Museum in London. Er ist nicht wirklich klein.

https://skfb.ly/6stSI

Zum 200. Jahrestag seiner Entdeckung 1999 wurde der Stein bis auf eine Ecke komplett gereinigt. Vorher waren die Oberfläche geschwärzt und die Schriftzeichen weiß hervorgehoben. 2004 wurde diese künstliche Färbung vollständig entfernt und jetzt ist er wieder im originalen Zustand zu bewundern. Vor 1999 wurde der Stein liegend präsentiert, ab 1999 wieder so, wie er gedacht war. Als Stele und stehend.
Ein für mich hochinteressantes Thema, für das ich meinem Freund hank42 herzlich danke. Und so finde ich heute endlich mal Zeit, darauf einzugehen, denn als ein sehr an Geschichte interessierter Mensch habe ich mich ebenfalls vor einiger Zeit mit Champollion und den Hintergründen dieses "Dreisprachensteins" befasst, dessen Replik ich im Februar 2002 in Kairo bewundern konnte.

Der Hintergrund ist sehr umfassend, und so will ich auf die historische Entwicklung der Entdeckung eingehen. Sie führt zurück in das Jahr 1798, als Napoleon Bonaparte mit einer Flotte von 328 (!) Schiffen sowie 38.000 Mann Besatzung von Toulon aus über Malta nach Ägypten aufbrach, um von dort nach Indien zu gelangen und die verhaßten Engländer unter Lord Nelson zu vernichten, der zu dieser Zeit ebenfalls nach Ägypten unterwegs war. Leider begegnete Napoleon zunächst dem Heer der Mamelucken, einem orientalischen Stamm, die er niedermetzeln ließ. Im Gegenzug fielen seine Truppen am 07. August jedoch bei der Seeschlacht von Abukir in die Hände der Engländer, wo seine Armee unterging und ihn ein Jahr später nach Frankreich fliehen ließ.

Doch unter seiner Besatzung waren auch zahlreiche Wissenschaftler sowie ein begnadeter Zeichner namens Dominique Vivant Denon. Der hielt alles auf Papier fest, was er für wichtig hielt, Und als Napoleon mit der Kapitulation 1801 sämtliche Beutekunst aus dem Land am Nil an die Engländer abgeben musste, hatte er bereits alle wichtigen Dinge "kopiert", also abgezeichnet. Und nun kommt der geniale Jean-François Champollion ins Spiel, der schon mit 13 verschiedene orientalische Sprachen erlernte, und die Verbindung zwischen dem Koptischen und den Hieroglyphen erkannte. Schon 1809 wurde er zum Geschichtsprofessor der Universität von Grenoble berufen. 12 Jahre später verfasst er die Schrift "Lettre à M. Dacier relative à l'alphabet des hiéroglyphes phonétiques"- sie enthält die Grundlagen der Entzifferung.

Wie kam es zur Entschlüsselung? Bei der Entdeckung des "Obelisken von Philä" 1815 fand sich der Name "Ptolemäus" in einer Kartusche, wie die ovalen Einrahmungen genannt werden- sein Vergleich mit den Zeichen für "Cleopatra" ermöglichte die Dechiffrierung einzelner Zeichen.

Meine Quelle: Das Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" von C.W.Ceram, das mein Vater meiner Mutter zu meiner Geburt schenkte (wie eine Widmung beweist)
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Das Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" von C.W.Ceram ... das habe ich als Kind von meinen Eltern geschenkt bekommen. Irgendwie hatte es die Wende nicht überstanden, aber ich habe mir das aus nostalgischen Gründen nochmals gekauft. Der Journalist Kurt Wilhelm Marek hat das Buch 1949 veröffentlicht. Aus welchen Gründen auch immer gab es das auch in der DDR zu kaufen.
*******paar Paar
903 Beiträge
Ein sehr interessantes Thema. Wir haben das große Glück, dass eine Freundin an der Uni in Heidelberg Dozentin für Ägyptologie ist und uns alle diese Dinge stets gerne erklärt.
Es ist eine faszinierende Kultur und die "Sprachen" dieser Zeit mit ihren Zeichen mit wiederum, je nach Kontext, ganz unterschiedlichen Bedeutungen zeugen davon, wie weit fortgeschritten diese Kultur bereits war.
Sie hat von diesem Stein eine verkleinerte Replik, die sie uns an Silvester genau erklärt hat.
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Ich war diese Woche in London und habe mir die Sonderausstellung zum 200. Jahrestag der Entschlüsselung der Hieroglyphen im Britischen Museum angeschaut. Es war ein erhabener Augenblick vor dem Rosetta Stone zu stehen und ihn jetzt im restaurierten Zustand bewundern zu können.
Von alter Farbe befreit sieht man den Rosetta Stone als Stele jetzt auch in ihrer ursprünglichen senkrechten Aufstellung präsentiert.
Der Schriftteil oben mit den Hieroglyphen.
Die demotische Übersetzung in der Mitte.
Der untere altgriechische Schriftteil.
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Jean-François Champollion's "Ägyptische Grammatik". Das Schlüsselwerk zum Verständnis der Hieroglyphen. Das Buch wurde von seinem Bruder nach dem Tod Champollions veröffentlicht.
Grammaire Egyptienne, ou principes généraux de l'écriture sacrée Egyptienne.
Einfach wundervoll, wie sich dieses scheinbar wenig interessante Thema in den letzten zehn Monaten doch entwickelt hat. Und mein besonderer Dank an unseren nun neuen Gruppenleiter Hank42, der uns die aktuellen Bilder des Rosetta Stone hier präsentiert- ich kannte bisher auch nur den alten Zustand.

Und noch eine interessante Kleinigkeit als Zitat zum Beitrag von Hank42:
Das Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" von C.W.Ceram ... das habe ich als Kind von meinen Eltern geschenkt bekommen. Irgendwie hatte es die Wende nicht überstanden, aber ich habe mir das aus nostalgischen Gründen nochmals gekauft. Der Journalist Kurt Wilhelm Marek hat das Buch 1949 veröffentlicht.

Ceram und Marek sind ein und dieselbe Person. Das Pseudonym "Ceram" bildete er aus seinem Namen Marek als rückwärts gelesenes Ananym, um sich von seinen früheren Werken als Kriegsberichterstatter abzusetzen.

Das hier angesprochene Buch wurde übrigens in 28 Sprachen übersetzt und etwa fünf Millionen Mal verkauft- Hank und ich besitzen schon mal zwei Exemplare davon.
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Nur zur Ergänzung. So habe ich den Rosetta Stone Ende der 90er noch im Britischen Museum bewundert. Liegend und schwarz von Tinte und Wachs. Die Forscher des 19. haben den Stein mit schwarzer Tinte benetzt und dann als Druckstock für Kopien auf Pergament benutzt. Um den Stein vor übergriffigen Besuchern zu schützen wurde er mit dann mit Carnaubawachs versiegelt. Was wiederum zu dunklen Ablagerungen in den Schriftzeichen führte. Weil irgendwann die Schrift nicht mehr lesbar war, wurde sie weiß nachgezeichnet. Das erweckte den Eindruck, dass der Stein aus Basalt besteht. Es ist aber Granodiorit, eine graue, granitähnliche Gesteinsart.

Die Stele als solche soll 196 v. Chr. entstanden sein.
****era Frau
2.693 Beiträge
Wahnsinn, was ich hier so ganz nebenbei erfahre. Ich habe mich damit nie vorher befasst. *danke*
****42 Mann
4.929 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Champollion lieferte sich mit Thomas Young ein Kopf an Kopf Rennen um den Schlüssel zu finden. Champollion stützte sich auf viele Erkenntnis Youngs. Vor allem bei der Übersetzung des demotischen Schriftteils hat Young eine große Vorarbeit geleistet, die die spätere Zuordnung von demotischen phonetischen Zeichen zu phonetischen Zeichen in den Hieroglyphen durch Champollion führte. Champollions großer Verdienst war, dass er der landläufigen Meinung, dass die Hieroglyphen noch keine phonetischen Zeichen enthalten können, eine Absage erteilte. Das war sein Schlüssel zum Erfolg. Youngs Verdienste stehen leider immer etwas im Schatten Champollions.

Ein Funfact am Rande. Die Ägyptomanie des 19.Jh führt dazu, dass überall Obelisken aufgestellt worden sind. Nur ein Teil sind wirklich aus Ägypten abtransportiert und in Europa aufgestellt worden. Statt dessen wurden Obelisken mit erfundenen Schriftzeichen bzw. einfach wahllos ausgewählten Zeichen beschriftet. Einigen Wissenschaftlern sind diese erfundenen "Geschichten" zum Verhängnis geworden. Ein Beispiel ist der Obelisk im Schönbrunner Schlosspark. Dieser ist auffällig falsch, aber es gibt auch viele, die täuschend echt aussehen.
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