Und hier mein Nachtrag zum gestrigen TV-Tipp
Die Sendung wird gewiss noch mehr Staub aufwirbeln, vor allem bei Mercedes-Benz. Angeprangert wurde eine wie meist recht gut recherchierte Fehlentwicklung der Arbeitnehmerüberlassung.
Die vergangenen Jahre stand das Thema „Leiharbeiter“ in der weitgehend vernichtenden Kritik, weil Stammbelegschaften nach und nach durch wesentlich schlechter bezahlte Leiharbeiter ausgehöhlt werden. Nun hat man ein neues Schlupfloch aufgemacht: Sogenannte „Werkverträge“.
Ein ARD-Reporter hatte sich undercover im Mercedes-Werk Sindelfingen eingeschleust, in dem er sich von einer Zeitarbeitsfirma an einen Zulieferer ausliehen ließ. Der wiederum „parkte“ ihn zu einem Stundenlohn von € 8,19 (also rund 1220 Euro brutto bzw. 990 Euro netto) direkt in der Produktion von Mercedes, wo schwere Zylinderköpfe zu verpacken und abzustapeln waren- alles wurde mit versteckten Kameras dokumentiert.
Der krasseste Verstoß dabei ist, dass er als „Werkvertragler“ faktisch doch die gleichen Aufgaben wie die festangestellten Werker hatte und nicht die offiziell angegebene Tätigkeit einer Logistikfremdleistung ausübte. Auch gegen weitere Rechtsvorschriften wurde glasklar verstoßen. Der Schock traf den Reporter, als er beim „Arbeitsamt“ erfuhr dass ihm (als Familienvater mit 4 Kindern) etwa 1.500 Euro aus Steuergelder als „Aufstocker“ zustehen. 2/3 seiner Bezüge müsste also der Steuerzahler aufbringen, die sich der Hersteller von Nobelautos somit spart. Der deutsche Steuerzahler muss ca. 8,7 Milliarden im Jahr dafür aufbringen, damit Menschen von ihrer Arbeit durch "Aufstocken" auch leben können.
Nach Angaben von Daimler-Betriebsräten liegt die niedrigste Tarif-Lohnstufe für die Daimler-Stammbelegschaft incl. aller Zuschläge mit etwa 3.400 Euro knapp dreimal so hoch.
Die anschließende Diskussion bei „Hart aber fair“ litt leider unter den Beiträgen des Arbeitgeberverbandspräsidenten und dem wirtschaftspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, die naturgemäß völlig andere Auffassungen vertreten. Dabei geht es nicht um die Argumentation, dass der Reporter als „ungelernter“ Taxifahrer im Vergleich zu seiner Metallfacharbeiter-Kollegin so schlecht bezahlt wurde (hieraus ergeben sich natürlich Lohnunterschiede!), sondern dass ein Nobelhersteller die selben Arbeiten nicht von festangestellten Mitarbeiter/innen erledigen lässt, sondern durch angemietete Werkvertragler, die vom Steuerzahler subventioniert werden müssen.
Freilich ist das kein reines Mercedes-Problem. Diese Strategie wird von vielen deutschen Firmen angewendet, und meist werden sowohl die Gewerkschaften konditioniert wie auch die Festangestellten offen damit bedroht, dass sie "morgen" im gelben Kittel zum Hungerlohn wiederkommen könnten, wenn sie sich nicht konform verhalten.
Nachzusehen in der ARD-Mediathek.