Sprache ist ein lebendiges Gut...
.. und entwickelt sich, wie Anantara treffend schreibt, stets weiter - es ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, mit allen sozialen Schichten und deren eigenem Sprachvokabular. Sprache ist Identität - mit den Anspruch, größtmögliche Kommunikationsplattform sein zu wollen - und dennoch sich im kleinstmöglichen Umfeld abgrenzen zu können. Tragen wir diesen vermeintlichen Widerspruch nicht alle ein Stück weit in uns? Ich merke das an mir selbst: Mich packt täglich die Leidenschaft, die hochdeutsche Sprache zu pflegen, kein Zweifel. Doch wenn ich in den Süden, meine alte Heimat, fahre, verfalle ich zwangsläufig ins Bayerische - Identität im Kleinen, in dem was für mich Rückzug und Geborgenheit, jugendliches Glück und wohlvertraute Landschaft ist. Gerade Bayerisch ist, grammatikalisch gesehen, für die meisten, die nördlich der Weißwurstlinie leben, ein Graus und ich werde einen Teufel tun, in den nördlichen Breitengraden anders als Hochdeutsch zu reden. Ich denke, es ist ein wenig wie das Hegen und Pflegen im Schrebergarten - nur: man sollte lernen zu wissen, in welchem man sich gerade befindet, wenn man zum Dünger und Unkrautvertilgungsmittel greift.
Sei es der Dialekt, die Macht der Neuen Medien und der massenmediale Effekt, die Werbung, die sozial bedingten Abgrenzungsbemühungen oder die alters- bzw. entwicklungsbedingten Sprachpools, die auf die Sprachentwicklung an sich so gravierenden Einfluss nehmen: der Versuch, die Rechtschreibung hochzuhalten ist letztendlich - so hart das klingen mag - auch nichts anderes, als Wandlungen zu verzögern - auch wieder mit dem Ziel, Identitäten, Rückzugsmöglichkeiten zu bewahren. Dass dieses Bollwerk gegen "Sprachschluderei", so nenne ich das mal ketzerisch, möglichst lange noch erfolgreich sein möge, dafür sorge ich mit meinem Beitrag zur Erziehung unseres Sohnes gerne.
Wie tief sich Sprache geografisch verankern kann und von Grenzverschiebungen unberührt bleibt, dafür hält die Geschichte unzählige Beispiele bereit, seien es die Sorben und Dänen in unserem Land, die Basken in Spanien und die Südtiroler jenseits von Österreich - auch sie sind den gleichen Wandlungsphänomenen ausgesetzt. Und ich vermute mal, dass auch dort, die Rechtschreibung ein virulentes Thema ist - und das macht Hoffnung, auch für uns....