Ein Tanz ist wie ein Konzentrat
Manchmal steckt so viel darin, ein Extrakt von mir, von meinem Tänzer, viele Schichten - auch ganz archaische - wie eine Langzeitbelichtung verschiedene Positionen in einem Bild verwischt einfängt.
Hier die Fortführung meiner Charakterisierungen unterschiedlicher Tangogefühle exemplarisch an einigen meiner Lieblingstänzer.
Nach dem SINNLICHEN hier nun:
DER RASANTE
Trotz der Geschwindigkeit fliegen wir leichtfüßig übers glatt getanzte Parkett, sicher manövriert er uns zwischen den anderen Tanzpaaren durch den Raum ohne den Tanzfluss zu stören. Bei dem Tempo muss ich meine Schritte ausgesprochen präzise setzen. Nichts ruckelt, keine Ecken und Kanten, nur mitreißender, hinreißender Schwung.
Bei ihm kann ich mir keine Verzierungen erlauben, nicht mal einen Lapiz, keine Verzögerung . Aber das macht nichts. Gerne folge ich seinem Drängen, biete nur diesen leichten Widerstand, der uns einander so sehr spüren lässt. Heute jedoch kommt er mir wie ein Getriebener vor. Was treibt ihn? Die Musik? Auch, aber da ist noch so ein starkes Wollen, durchaus aggressiv, und gleichzeitig schimmert eine hauchdünne blau-rosa Verletzlichkeit auf.
Ich umfließe ihn, tanze einen Schutzfilm über seine Wunden, die Grenzen unserer Körper verschwimmen. Nicht denken, nur spüren. Und bewegen. Wie Eins, wie von selbst. Die Monotonie im Rhythmus der Milonga ist wohltuend und langsam spüre ich wie die Anspannung weicht. Wir tun uns gut.
Der Tanz salbt die Seele.
Tanzten wir schon mehrere Stücke? Mir ist jedes Zeitgefühl abhanden gekommen. In unvermindert vollem Tempo sausen wir dahin, schweben und drehen uns, unsere Aufmerksamkeit in hohem Maße angespitzt.
Das muss sie auch, denn – von außen unvorhersehbar – fliege ich, zzzack! durch die Luft.
Er ist wieder in sich angekommen.
Manche Sprünge kann er nur mit mir. Und diesen tanzte ich mit noch keinem Anderen.
El finale: ich lande auf seiner Hüfte, halte mich mit meinem rechten Bein um seine Taille geschlungen, das linke stabilisiert uns wie der Schwanz den Adler im Flug, während er weiter dreht, immer weiter. Bis zum Finale.
Stopp.
Wir verharren einen Moment, ich noch auf seiner Hüfte und schauen uns an, kein glättendes Lächeln nötig, ernst und gelöst.