Hoppla, da kommen ja gleich ein paar Punkte zusammen ... ;-)
Ich denke, dass das, was als langweilig empfunden wird, sehr individuell ist und im Auge und Ohr des Betrachters und Hörer liegt. Eine Grundsatzdiskussion finde ich daher hierfür nicht notwendig.
Musikalisch kann man sagen, dass es im Tango in Argentinien schon sehr früh zu beobachten war, dass keine Phrase (musikalischer oder melodiöser Abschnitt, vergleichbar mit einer Textzeile in einem Gedicht) bei Wiederholungen gleich und identisch gespielt und gesungen wurde - jedes Mal gab es eine kleine Variation, verspielte Ausschmückung, rhythmische leicht veränderte Betonungen, Verschiebungen, usw. ... selbst bei den Refrains/Kehrstrophen. Dass keine Wiederholung gleich gespielt wird, das ist schon sehr kreativ ... ähnlich wie beim Jazz, Klezmer oder Salsa ... liegt aber auch daran, dass Noten und Arrangements erst dann beim Tango eingesetzt wurden, als die Musik schon ihre sehr charakteristische Prägung hatte.
In der europäischen Tanzmusik gibt es zwei Strömungen.
Die Musik an den Höfen klingt seit Jahrhunderten viel formaler, weil es da schon sehr lange Noten gab.
Die Folklore hat sehr lange Traditionen ohne Noten und könnte sicher über lange Zeiten in allen Wiederholungen recht variantenreich geklungen haben.
Irgendwann aber hat sich hier durchgesetzt, dass ein Intstrument lernen und Noten lernen praktisch gleichbedeutend ist.
Ich will das Noten lernen nicht schlecht reden, aber für einen Anfänger ist es so, dass er die Struktur der Noten übernimmt, am besten ganz exakt - und nicht, was er hört.
Noten erlauben es, dass alle exakt gleich spielen. Das Lernen durch Zuhören und Nachspielen eröffnet sehr schnell die Möglichkeit zur eigenen Interpretation. Dass alle exakt gleich spielten, das beherrschten die argentinischen Musiker aber auch - dadurch, dass sie die Musik gleich empfunden haben.
Wenn die Geschichten stimmen, die ich mitbekommen habe, dann ist der Tango durch Orchester und Noten nach Europa gekommen. Und da ist druchaus denkbar, dass die Variationen eben nicht alle enthalten waren oder erinnert werden konnten, denn diese Variationen, die den Tango so typisch machen, können praktisch nicht in unserer Notenschrift festgehalten werden.
Von daher hat der musikalische Tango sich in Europa etwas anders entwickelt. Und je länger er in Europa lebte, um so mehr ging der Variantenreichtum verloren. Das ist eine Beobachtung, keine Wertung. Und fatalerweise wurde irgendwann einmal ein rhythmisches Grundmuster "festgeklopft" (eins---zwei---drei---vier-UND-eins---zwei---drei--- ...) - leider auch im Tanzschul- und Wettkampfbereich - ein Muster das als solches in der Argentinischen Tangomusik bis dahin praktisch nicht vorgekommen ist.
Aber auch in Argentinien gab es Veränderungen. Dort war Tango in den 50ern plötzlich out, es kamen Jazz, Swing, Rock'n'Roll. Manche Orchester spielten für Konzertsäle oder für das Ausland (Europa und Japan) - Tango for Export entstand, der auch viel formaler klingt, als die "Originale" aus den 20ern bis zu den 40ern.
Für Tänzer ist das "formale" Angebot am Anfang ja viel einfacher, weil Wiederholungen und rhythmische Muster eindeutig wiedererkannt werden können. Zudem klingen die Aufnahmen ab den 50ern ja praktisch knisterfrei (also modern), was auch einen Einfluss hat.
Der Finnische Tango spielt eine besondere Rolle. Er hat in seiner heutigen Form musikalisch ein sehr europäisches Gepräge. Die Schritte - falsch: die Elemente sind eine Mischung aus dem, was mensch in Tanzschulen und in Tangoschulen lernen kann. Was wohl aber besonders ist: Er wird unabhängig von den verschiedenen Elementen recht innig getanzt - also nicht in Standard-Haltung, sondern eher in enger Umarmung.
Ich gebe den Vorschreibern recht, dass die Musik, die ich höre, Einfluss darauf hat, welche Elemente ich tänzerisch einsetzen mag. Aber auch die Tanzhaltung/Umarmung (Sorry, ich mag den zweiten Begriff einfach mehr) hat einen Einfluss darauf, welche Elemente ich einsetzen kann. Aber: Das ist jetzt kein typischer und festgelegter Stil, sondern von Person zu Person ziemlich individuell, was die Finnen tanzen und im Tango leben. Und daher glaube ich auch nicht, dass dies praktisch irgendwo außerhalb Finnlands als typisch "finnisch" gelehrt oder praktiziert wird. Und ich habe auch keine Idee dazu, wo ausschließlich Finnische Tangomusik gespielt werden würde. Gelesen oder gehört habe ich davon noch nie was.
Langer Rede kurzer Sinn:
Wenn Dich die Thematik wirklich interessiert, macht es für mich wirklich sehr viel Sinn, zu einem Finnischen Tango-Festival zu reisen und in deren Tango-Emotion und Tango-Welt einzutauchen.