wenn frauen... wenn männer....
Ich entdecke Tango seit vielen Jahren immer wieder neu. Und so geschieht die Aufforderung.
1. Der Instrukteur der ersten Workshops sagt was von 'Mann geht zur Frau und fordert sie zum Tanz auf.'
Panische Erinnerungen an die Tanzschulzeit der Pubertät tuen sich auf. Und ich dachte, ich hätte Kindheit und Jugend vollständig verarbeitet. Doch da sind sie, Herzrasen, Schweiß auf der Haut, wacklige Knie, ich versuch mal cool zu schauen, die erste unbekannte Frau, die ich auffordere willigt ein, meine kindliche Freude darüber überlagert jegliches Tanzen, ach das lernst du schon noch.
Aha, beim Tango macht sich also erstmal zum Affen.
2. Ich schließe mich dem Mainstreamglauben an, was immer das ist oder war, und meine, alles sei eine Frage von Souveränität und Männlichkeit und was weiß ich.
3. Eine Frau sitzt alleine in meiner Nähe. Oder zwei Augen leuchten mich an. Oder eine Tänzerin beginnt ein Gespräch. Ich: 'Magst du mit mir tanzen' - 'JA!!!' und springt schon mal los, ich hinterher. Was war denn das? Ach so, Tänzerin meint, dass ich auf konditioniertes Verhalten reagieren muss. Also, ich soll das Gefühl haben, der Aufforderer zu sein. Hm, na gut. Worauf bin ich denn konditioniert? Männlein springt, wenn Fraulein sich nähert? Muss mal 'n Schauspielkurs besuchen. Oder meinen Therapeuten fragen.
4. An einem Tisch mit bekannten und unbekannten Tänzern. Plötzlich: Eigentlich könnten wir auch mal tanzen.
Wer das gesagt hat? Völlig egal. Ein schöner Beginn, so ganz unverkrampft.
5. Ich entdecke, dass Führen und Folgen im Tango eine Maskerade, eine Täuschung sind. Tango findet zu zweit statt und jeder trägt 50% zur Gestaltung bei. (Das zu vertiefen, ist nicht das Thema dieses Threads.)
Welche Konsequenzen hat das für den Beginn des Tanzes?
6. Eine Tänzerin kommt auf mich zu, magst du mit mir tanzen, klar.
Ach, sie hat aufgefordert? Hat sich nicht ungewöhnlich angefühlt.
7. Ich bin auf der Milonga, sehe eine Frau mit der ich tanzen will. Ich erhebe mich, mache mich unauffällig auf den Weg, da treffen meine Augen zwei andere. Blick intensiviert sich, wollen wir, klar, aber gleich. Wo war diese Frau, wegen der ich mich aufgemacht habe? Egal, später. Ich gewinne Geschmack.
Was war da eigentlich, bin ich auf die Frau oder die Frau auf mich zugegangen? Ein gutes Gefühl jedenfalls, dass da was Gemeinsames ist.
7. Immer in Bewegung, gehe ständig einige Schritte umher; gehe umher ohne Schritte, nur der Oberkörper, die Augen wandern durch den Raum. Wo treffen meine Augen auf andere? Sicher nicht von hinten! Also schiebe ich mich in ihr Blickfeld. Eine Hand, meinen Kopf, meinen Oberkörper, bitte nicht den Rücken. Auf jeden Fall zugewandt. Sie beendet noch den Satz mit ihrer Freundin. Aber ihr Blick ist schon an mir und will nicht mehr loslassen. Der Tanz hat schon begonnen. Haben wir etwas gesagt? Vielleicht, auf jeden Fall haben wir uns verstanden.
Es hat schon längst begonnen, ja wir wollen beide die nächsten Minuten nur füreinander da sein. Irgendwann folgt auch der erste Tanzschritt zur Musik.