Warum beenden?
Eine abweichende Meinung zu haben, ist doch auch ein Beitrag zum Thema. Ich war zwar hier überwiegend Mitleser, fand aber zahlreiche Beiträge doch recht anregend und aufschlussreich.
Für mich ist Tango zwar auch der "etwas andere Tanz", der an dem ich irgendwie hängen geblieben bin, was eben daran liegt, dass man bei diesem nicht der Reihe nach neu erlernte Figuren aneinanderkettet, sondern die Musik im Vordergrund steht zu der man sich im Paar bewegt, und bei dem es wichtig ist, die dem Tanz eigene Sprache zum Zweck der Kommunikation zu erlernen.
Andererseits ranken sich um diesen Tanz viele Mythen. Diese mögen einen gewissen "verkaufsfördernden" Charakter haben, wenn ich es so nennen darf, der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen.
Vor vielen Jahren gingen unsere Altvorderen gelegentlich auf den Schwof, also einfach zum Tanzen. Die schaukelten einfach von einem Bein aufs andere, ohne große Kunst, völlig unspektakulär. Der schöne Tanzabend war es, was zählte, die Begegnung mit anderen Bekannten, das Zelebrieren einer Festveranstaltung. In Buenos Aires oder Montevideo sagte man dazu wohl Milonga statt Schwof. Und das war es wohl auch, was man tanzte. Das ist jedenfalls meine Vermutung als Nichthistoriker. Aus der Milonga, "dem Tanz", ging dann irgendwie der Tango durch die unterschiedlichen musikalischen Einflüsse hervor, eine Weiterentwicklung zwar, aber immer noch einfach, fürs Volk. Der Tango wurde von einfachen Menschen gemacht und ist kein von Göttern kommender Teil der Schöpfung.
Ich selbst bin nur ein einfacher Mensch, meine (Tango-) Tanzfähigkeiten sind gewiss nur durchschnittlich, ich habe ja auch andere Dinge zu tun, als tagtäglich Tango zu tanzen. Aber wenn ich mich umhöre, scheint es in zunehmenden Maße nur noch Tangogötter zu geben. (Richtig beobachten konnte ich die aber noch nicht, die zeigen sich dem einfachen Volk eher selten.) Die beherrschen die komplette Tangophilosophie, kennen sämtliche tangowichtigen Termini auf Spanisch (und kennen vielleicht sogar ihre deutsche Bedeutung), haben die Wikipediageschichte rauf und runter auswendig gelernt, können alle Zitate der Tangomythologie wiedergeben und wissen alles darüber, was andere beim Tanzen nicht richtig machen. Da überkommt mich das Schlottern ... hoffentlich mache ich bei der nächsten Tanda bloß keinen Fehler, falle unangenehm auf und plötzlich von den unfehlbaren Göttern vom Tango-Olymp herabgestoßen!
Also mal ehrlich: Ich mag die netten Geschichten, die sich da um den Tango ranken, wirklich! Aber manchmal will ich auch einfach nur tanzen, ohne mich für meine kleinen Ungenauigkeiten in der Führung, Nachlässigkeiten in der Interpretation der Musik etc. rechtfertigen zu müssen (was ich sowieso nicht mache). Bislang hat es noch keine Dame abgelehnt, wieder mit mir zu tanzen, insofern vermute ich, dass meine tänzerische Leistung trotz allem noch mit der Note ausreichend durchgeht. "Einfach" tanzen, Spaß haben, unter netten Leuten sein, kann doch nicht so schwer sein, ging doch früher auch! Was ist schlimm daran? Dann ist die innere Freude da, die mir auch erlaubt, den Showtango von wirklichen Könnern aus der Szene zu genießen und die hohe Kunst des Tangos zu bewundern.
Viel interessanter finde ich die Frage: Was ist der eigentliche innere Wert des Tangos, der ihn zum Weltkulturerbe gemacht hat? Die Tatsache, dass er eine das Volk oder gar Völker-verbindende Eigenschaft besitzt, die ihn sogar für die Militärdiktatur zur Gefahr machte? Solch einen Status quo haben andere traditionelle Kulturtänze, wie der Wiener Walzer nicht erreichen können.