Die seltsamen Erlebnisse einer Tango-Neubiene
Hola alle,aus aktuellem Anlass habe ich mal eine Frage an die erfahrenen Tangueras und Tangueros unter Euch: Wie ist das eigentlich so auf einer Milonga????
Von einem meiner Tangolehrer (in München) habe ich gelernt, dass es so sei, dass der Tanguero auf der Milonga dafür sorgen solle, dass seine Tanzpartnerin auf der Tanzfläche „gut aussieht“ – so hatte er es formuliert. Als er das damals sagte, war ich so superneu, dass ich nicht wirklich verstanden habe, warum er mir das jetzt erklärt, und hab mir darüber nicht so viele Gedanken gemacht, was das denn genau bedeuten soll. Inzwischen habe ich allerdings einige Erlebnisse gehabt, die dazu führen, dass mir dieser Kommentar immer mal wieder in den Sinn kommt, und ich mich frage, ob das denn entweder nicht alle wissen, oder ob ich hier irgendwie schief gewickelt bin ….
Ich tanze noch nicht sooooo lange, genaugenommen erst seit drei Monaten, aber mit viel Motivation und auch intensivem Zeiteinsatz. Habe mich auch gleich von Anfang an auf unsere „Hausmilonga“ gewagt – heißt, die „meiner“ eigenen Tanzschule – auch, weil die Tanzlehrer dort das explizit empfehlen. Dort bin ich immer mit einem befreundeten Paar, wo ich sozusagen „gefahrlos“ tanzen kann, weil er weiß, was er mir zumuten kann, da wir auch viel zusammen üben. Ich wage zu behaupten, dass ich eine Tanda durchtanzen kann, ohne dass es peinlich aussieht, wenn mein Tanzpartner gut führt. Was ich allerdings überhaupt noch nicht kann und kenne, sind all die kleinen Feinheiten, die man und frau mit den Beinen machen kann – Ganchos, Voleos und co. Ich finde das gar nicht schlimm, aber manchmal passiert mir dann Seltsames:
Z.B. letztens auf unserer Hausmilonga mit einem fremden Tänzer. Tanzen läuft soweit ganz „ordentlich“, bis er irgendeine seltsame Schleuderbewegung mit mir macht. Ich: „ ????“ Er: (nachdrücklich) „Lass doch das Bein mal locker!!!!“ Ich verstehe nur Bahnhof. Wir tanzen weiter, kurze Zeit später wieder dieser seltsame Schleuderschwung. Ich natürlich wieder nur verwirrt, mein Bein machte ganz offensichtlich NICHT, was er sich vorgestellt hatte. „Jetzt lass doch endlich mal das Bein locker!!!!“ (mit mehr Nachdruck). Ich bin ja ein Mensch mit viel Humor, aber jetzt fing ich langsam an, irritiert zu sein. Wir tanzen weiter. Er: „Jetzt lassssssss doch mal locker!“ (Irgendwie hat diese Schallplatte einen Sprung) Wedelt mich irgendwie hin und her. „Dein Bein gehört jetzt mir!!!!“ „????????? “ Dem konnte ich nun auf gar keinen Fall zustimmen, somit wurde aus dem Voleo, den er da offensichtlich erzeugen wollte, nun erst recht nichts mehr….
Vor einer reichlichen Woche dann auf den Tangotagen in Darmstadt. Wir waren wieder als Trio unterwegs, zur Nachmittagsmilonga. Mir war’s nicht recht geheuer, weg vom heimischen Tanzboden , aber ich fühlte mich ja in guter Begleitung und dachte, üblicherweise schauen die Tangueros ja bei fremden Tänzerinnen, wie gut sie sind, und was sie denen zumuten können, bevor sie sie auffordern. Also war ich erstmal ganz entspannt. Meine Freunde tanzten sich ein und ich saß nichts Böses ahnend am Rand, als eine Frau auf mich zukam, und mich fragte, ob ich tanzen will. Nachdem mein Hirn die Irritation einsortiert hatte, ging ich also mit ihr auf die Tanzfläche, und wir legten los. (Wobei ich den innigen Kontakt mit einer fremden Frauenbrust schon leicht verwirrend fand, aber sei es drum). Sie - offensichtlich ein erfahrene Tänzerin - gleich ohne Rücksicht auf Verluste mit einem technisch umfassenden Programm, von dem ich ca. mit 10 Prozent etwas anfangen konnte, besonders mit extrem vielen seeeehr seltsamen Fußeinfangübungen (ich glaube, die heißen Saccadas???). Ich war heillos überfordert, und wurde irgendwie übers Parkett bugsiert. Irgendwann fragte ich dann mal etwas ratlos: „Was soll ich machen?“ Antwort (SEHR ungehalten ): „Zuhören!!!!!!!“ Ich dachte mir, okay, ich höre Dir zu, aber Du sprichst in Rätseln .
Gesagt hab ich nix, ich war total beschäftigt damit, irgendwie hinter ihr her zu stolpern. Irgendwann am Ende der Tanda, als sie noch mal etwas extrem Seltsames machte, habe ich meine Frage („was soll ich machen“) dann noch mal wiederholt. Diesmal war die Antwort: „Nichts. Schön sein!“
????????
Der nächste Tänzer (mit dem es übrigens um Klassen besser lief) meinte dann jedenfalls: „Na, die Führende eben hat ja wohl ein bisschen arg viel vorausgesetzt.... " Damit sprach er mir aus der Seele, und ich fühlte mich zumindest in meinem Gefühl vorher, dass das doch mehr als seltsam gewesen war, auch bestätigt.
Ein anderer Tanguero auf ebendieser Milonga mitten im Tanzen: „Ich zeig Dir jetzt mal eine Figur, die die Argentinier nach der Fussball-WM in Deutschland zurückgelassen haben!“ Daraufhin benutzte er irgendwie meinen rechten Fuß wie eine Art Fußball, um ihn mit Schwung wegzuschubsen (in ein imaginäres Tor zu schießen????). Das Ergebnis gefiel ihm offensichtlich nicht besonders, so dass er für den Rest der Tanda damit beschäftigt war, diese Bewegung immer wieder zu machen, wohl in der Hoffnung, dass ich es schon irgendwann kapieren würde, wenn er es nur oft genug versucht……
Es gab an diesem Nachmittag auch andere Tänzer, die in meiner Wahrnehmung WIRKLICH gut führen konnten, da hat das Spaß gemacht, und ich hatte nicht das Gefühl, hinterher geschleift zu werden.
Offensichtlich gibt es aber eine ganze Reihe von Tangueros und eben wohl auch Tangueras, die meinen, wenn sie GLAUBEN, eine Figur zu führen, dann MUSS es die Folgende auch gebacken bekommen . Und es gibt offensichtlich auch eine ganze Menge Tänzer, die meinen, ihre Führung sei ganz zauberhaft, die es dann eben wohl doch nicht ist .
Wirklich schlimm finde ich so etwas natürlich nicht, ich habe auch einen extrem ausgeprägten Humor, manche dieser Sachen fühlen sich trotzdem nicht besonders angenehm an. Und dann frage ich mich schon, ob solche Sachen denn üblich sind. Gerade, wenn man noch nie zusammen getanzt hat, empfinde ich mindestens den ersten Tanz wenn nicht die ganze erste Tanda auch wie eine Art Kommunikations-Abstimmung, wo sich beide doch erst einmal aufeinander einstellen. Tango hat ganz sicher eine Sprache, aber es gibt offensichtlich eine Menge Dialekte. Da muss ich mich erst mal „einspüren“. Und wenn dann jemand gleich so voll loslegt, hm, weiß nicht …. Oder muss ich erst noch ein Jahr üben gehen und mein Vokabular erweitern, damit ich auch ohne Einstell-Phase mehr unterschiedliche Dialekte verstehe ?
Wie seht Ihr das als erfahrene Tänzerinnen und Tänzer? Was kann man man/frau zumuten? Ist es eine Zumutung für die „Profis“, wenn AnfängerInnen auf die Milonga gehen? Ist es eine Zumutung für eine Anfängerin, so übers Parkett geschleift zu werden (finde ich schon)?
Ich bin gespannt auf Eure Meinung und vielleicht auch Eure eigenen Stories. Vielleicht wird das ja dann hier der Thread der seltsamen Tangoerlebnisse der dritten Art...