Für die einen...
...ist Tango nur ein harmloser Tanz, insbesondere für Menschen welche tanzen, um nach aussen zu wirken oder für die 'Sportler' oder jene, denen es eigentlich egal ist, ob sie nun einen Tango tanzen oder einen Wiener Walzer - aber für andere ist Tango Argentino eine Kultur, eine Interaktion zwischen Mann und Frau in einer Intensität und Tiefe und Art, welche kein anderer Tanz so bieten kann. Und ich weiss das, bin mit so einigen Tänzen im Laufe von 35 Jahren eng vertraut geworden, so manchen davon sogar bis in Grade der Perfektion
Meine persönliche Erfahrung mit dem Tango Argentino und weshalb er auch für mich (aber nicht nur für mich) etwas ganz besonderes ist:
Den Tango kann man auch als etwas empfinden, das weit hinaus über das schön abgestimmte Bewegen zweier Menschen geht. Weit hinaus über die Ästhetik schön ausgetanzter Bewegung.
Wenn ein Tanz überhaupt den Weg in die - auch ausgelebte - Erotik, ja gar Leidenschaft, Lust ebnet, dann ist es der Tango Argentino.
Was in anderen Tänzen, auch in Salsa, Merengue & Co, seinen Schluss bis zum Ende des Tanzes findet, kann im Tango Argentino auch durchaus der Weg zu viel weiterem sein.
Abhängig ist das davon, wem man auf der Tanzfläche begegnet: Mal (ja, meistens) ist es eine platonische Begegnung oder ein Flirt, eine gemeinsame Freude allein an der abgestimmten Bewegung. Aber bisweilen ist es mehr, viel mehr. Bisweilen schließt sich die Welt wie in einer alles dämpfenden Blase aus und zwei Menschen finden darin eine Vibration, welche geradezu schreit danach, auch freigelassen zu werden, sich frei entfalten zu dürfen. Das sind diese ganz besonderen Tandas, die ein jeder, der schon eine Weile Tango Argentino tanzt, kennt, und bei deren Erinnerung die Stimme zu versagen erscheint und die Augen beginnen zu glänzen. Weil sie Erotik pur sind, im meisten Fall die direkte Vorstufe zur Lust zwischen Frau und Mann.
Dass ich damit nicht falsch liege zeigt mir der Erfolg meiner erotischen Milonga »Nackter Tango«: so manche Tanguera und so mancher Tanguero sehnt sich regelrecht danach, einmal nicht solch ein atemberaubendes Erlebnis in einem eroticus interuptus den Konventionen normaler Milongas zuliebe enden lassen zu müssen. Oder erst nach einer langen Brücke bei ihm oder ihr zuhause zu landen nach einer bisweilen gar peinlich-berührten, de-erotisierenden Fahrt durch Nacht und Kälte.
Nein, seit 5 Jahren und 6 Milongas kommen diese Menschen in Scharen zu »Nackter Tango« um ganz bewusst diese Erotik herauszuforden, und wenn wirklich gefunden sie auch an Ort und Stelle einfach einmal
weiterleben zu können und zu dürfen - im Tanz selbst aber auch im daneben, danach! Der Tango Argetnino als direkte Vorspiel! Sie
wollen diese Freiheit, diese Einheit von Tango, Tanz, Lebensgefühl mit
gelebter Erotik, Lust und Leidenschaft so sehr, dass sie weiteste Wege (sogar aus dem gesamten europäischen Raum bis nach Istanbul) in Kauf nehmen - eben weil sie
wissen, dass der genialste Tango Argentino jener ist, der diese beiden Welten nicht moralisch doktriniert voneinander trennt sondern diese Einheit sogar ausdrücklich begrüßt!
Und mal ganz ehrlich: Wer immer lange und tief genug in der (ziemlich bigotten) Tango-Szene steckt weiß nur zu genau, was nach so mancher normalen Milonga (oder auch schon um die dunkle Ecke währendessen) so alles läuft - und zwar von beiden geschlechtlichen Seiten aus!: Da kann keiner eigentlich diese Zusammenhänge wirklich verleugnen - es sei denn, er kneift beide Augen fest zusammen, um sie nicht sehen zu müssen, weil er sie nicht sehen will
Ach ja, der aktuelle »Nackter Tango« war nach 3 Tagen ausverkauft, es war sozusagen ein run auf die Teilnahme, auf das Miterleben: ich denke, das sagt viel zu diesem Thema - verdammt viel...
Und zur Frage mit der alles begann "
Ist Tango wirklich das Vorspiel?":
Bisweilen ja - und bisweilen sogar Vorspiel, der Akt selbst und Nachspiel in einem, je nachdem wie mutig und vor allem auch frei frau & man so ist und wie weit frau & man bereit ist, den Begriff Tango Argentino über die reine Tanzbewegung hinaus zu erweitern