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osvaldo pugliese

osvaldo pugliese
I'm not a prophet!
I'm just one more hard-worker, no more than that (...).
I'm a bean, just a screw of this machine called tango.
osvaldo pugliese



lasst uns ein wenig plaudern über den maestro
welche gefühle und erinnerungen teilt ihr mit der musik von pugliese?
gefällt sie euch? irritiert sie? müsst ihr dazu in stimmung sein?
welche tänzerischen interpretationen gefallen euch besonders gut?

*bitteschoen*
http://www.joyclub.de/my/2082094.mujer.html


lesefutter für interessierte:
http://tangoplauderei.blogsp … svaldo-pugliese-und-die.html

Osvaldo Pedro Pugliese (* 2. Dezember 1905 in Buenos Aires; † 25. Juli 1995 ebenda) war ein bedeutender argentinischer Musiker, der als Pianist und Komponist den Tango Argentino im 20. Jahrhundert erheblich prägte und weiterentwickelte.
.............

Zunächst spielte er mit zwei Freunden als Trio in diversen Lokalen und begann mit der Komposition, die er im Laufe seines Lebens weiter perfektionierte. Er war es auch, der die erste weibliche Bandoneonistin, Fransisca „Paquita“ Bernardo, in seine Gruppe integrierte.
.............

Er gründete ein eigenes Orchester, das Orquesta Osvaldo Pugliese und fiel durch seine starke Betonung des (Schritt-)Rhythmus auf. Er ließ durch die Einführung der Synkopierung und des Kontrapunktes schon früh die sich anbahnende Avantgarde vorausahnen.
Diese charakteristischen Elemente wurden dann auch von Horacio Salgán und Astor Piazzolla übernommen. ...

In Argentinien werden Stücke von Pugliese oft am späteren Abend gespielt, wenn die Tänzer etwas kraftvoller, expressionistischer und sinnlicher tanzen möchten – tänzerisch sind die rhythmischen Eigenarten allerdings etwas herausfordernder als die durchschnittliche Musik der klassischen Periode.

Wegen seiner kommunistischen Gesinnung wurden seine Stücke in Argentinien jahrelang nicht im Radio gespielt, was jedoch keinen Einfluss auf deren Beliebtheit hatte. Er war im Laufe seines Lebens aufgrund seiner politischen Gesinnung häufiger im Gefängnis. Während dieser Abwesenheiten trat sein Orchester dennoch auf und legte in diesen Zeiten demonstrativ eine rote Nelke auf den verwaisten Flügel - als stillen Protest, der für alle Anwesenden unmißverständlich war.
auszugsweise aus http://www.lastfm.de/music/Osvaldo+Pugliese/+wiki



für die ohren:
http://www.todotango.com/Eng … bras/Grabaciones.aspx?idc=28

"menschelndes" :
http://tangoplauderei.blogsp … ekdote-109-pugliese-von.html

und last but not least *zwinker* eine tänzerische interpretation, die mir gefällt

*******_he Paar
190 Beiträge
Pugliese... Mit der Richtigen im Arm der siebte Himmel! *wolke7*
*******Tom Paar
60 Beiträge
Osvaldo
Hallo mujer,

ja, seine Musik gefällt mir, irritiert mich gleichzeitig und ich muss definitiv in der Stimmung sein. Ich teile auch die Ansicht, dass Pugliese (insbesondere der Spätere) am fortgeschrittenen Abend gespielt werden sollte. Außerdem denke ich, dass es sinnlos ist, zu den Stücken von Pugliese zu tanzen, die man nicht kennt - und zwar gut kennt. Die Spielereien mit den Rhythmus, die Pausen und Verlangsamungen sind so wenig vorhersehbar, dass man NICHT einfach tanzen kann, wie zur Musik von EdO.

Manchmal bin ich nach einer Tanda von Pugliese so aufgewühlt, dass ich nach Hause gehen muss. Ich weiß dann - alles hat gepasst.

Abgesehen davon denke ich, dass man Pugliese nur mit dem eigenen Partner tanzen sollte (sofern es sich um fortgeschrittene Tänzer handelt). Denn nur da wird er wissen, worauf man selber anspricht, was man interpretiert und er wird sich darauf einstellen können - und umgekehrt. Experimente mit Fremden (auch guten!) zu Pugliese - nein.

Beste Grüße,

Isabela
*******_he Paar
190 Beiträge
Bin ich komplett anderer Meinung. Aber, ja...
Jeder wie es ihm (oder Ihr) beliebt. Und wie er (oder Sie) es kann.
Und nach Hause gehen, nach einer Pugliese-Tanda... Verpasst man ja vielleicht den Sarli oder Biagi , der noch kommt! *fiesgrins* *rotfl*
Was würden die anderen Tangueras sagen?! Wäre doch schade drum!?
*******_he Paar
190 Beiträge
achso.... und zum Thema Pugliese nur mit dem eignen Partner zu tanzen...
Pugliese umzusetzen in Körper(tanz)sprache und für eine "ANDERE" verständlich zu machen, ist ein absoluter "Kick" auf die Wolke!
Natürlich sind hier Beide (!) gefragt!
Geben und nehmen und darbieten und empfangen... Was wäre Tango ohne genau dieses "abtauchen"?!
Sorry, ich (m) tanze Pugliese mit jeder (...) Tanguera, (und mit Hingabe) die nach meiner Beobachtung (sorry) "dazu fähig" ist.
*******Tom Paar
60 Beiträge
Di Sarli oder Biagi müssen dann bis zur nächsten Milonga warten - warum immer mehr wollen, wenn man gerade das Schönste bekommen hat? für andere Tänzer, glaube ich, ist es nicht schlimm, wenn ich nach Hause gehe... (ganz abgesehen davon, wenn ich drei von solchen Pugliese-Tandas im Jahr habe, dann liege ich super! Also rein statistisch verpasse ich dann nicht so viel von den ganzen anderen großartigen Orchstern...)

Das Wort 'Hingabe' ist nach wie vor in der Tango-Welt sehr ambig, wie ich finde - und sein eigenes Thread wert.
Ich finde es aber für Dich schön, wenn Du gerade bei Pugliese mit so vielen verschiedenen Partnerinnen so schöne Erlebnisse haben kannst. Weiter so!

Schöne Grüße,

Isabela
***rt Mann
941 Beiträge
Erinnerungen/ Gefühle zu Osvaldo Pugliese
Wo anfangen?

Für mich ist das Œvre dieses Ausnahmekomponisten- Orchesterleiters und Musikers ein Solitär, ein leuchtender Fixstern am Tangofirmament!

In Argentinien sagt man u. a. über seine Musik: "Me se dan vuelta, las entrañas!" (Mir drehen sich die Eingeweide) oder auch besonders oft:
"Para abrirse las venas!"
(Um sich die Adern zu öffen!) Und das ist keinesfalls negativ gemeint, sondern es soll ausdrücken, dass diese Kompositionen derartig dicht, intensiv, leidenschaftlich, treibend, ja nervenzerfetzend und auch intim und berührend sind!

Ich sehe es völlig anders, als "IsabelaTom", denn ich glaube, dass es so ist, dass Osvaldo Pugliese superleicht zu "lesen" ist, das heißt, wenn man ihn und seine Kompositionen erst einmal wirklich verstanden hat, dann erkennt man, dass es eigentlich nur wenige unterschiedliche Kompositionsvarianten gibt, mit deben er spielt und welche er variiert!
Das bedeutet, dass sehr gut vorhersehbar ist, ob und wann ein Adagio oder was auch immer kommt!
Eigentlich muß man diese Musik mit dem Herzen tanzen, sich emotional mitnehmen lassen. Dann trägt die Musik durch die Geschichte, die sie erzählt!
Das Ende ist (quasi ohne jede Ausnahme) immer das klassische CHAN.....Chan! Wobei das erste CHAN! immer laut und das zweite (stark verzögert gespielte) Chan! leise bis sehr leise gespielt wird und fast etwas schüchtern daher kommt!

Das Problem ist aber, dass die allermeisten Paare nicht wirklich in der Lage sind Pugliese wirklich gut zu interpretieren, weil es ihnen schlicht am Können fehlt.
Sie haben niemals gelernt, dass man bei Pugliese die Pausen tanzen muß!
Das heißt, dass man, so wie der Rhythmus immer wieder verlangsamt, innehält und manchmal sogar scheinbar verschwindet, auch seinen Tanz anpassen muß.
Innehalten, ohne einfach zu stoppen, die entstehenden Dynamik-Pausen sind in Wahrheit, die stärksten und intimsten Momente, die man beim Tanzen regemäßig haben kann!

Ich erinnere mich, das sogar völlige Tango-Unwissende gerade DAS sehen, spüren, wenn sie sich emotional genügend darauf einlassen können:

Vor einigen Jahren, kamen Wladimir und Vitali Klitschko hin und wieder in unserem Studio "La Yumba" in Reeperbahn-Nähe (Hamburg) vorbei. Immer mit großem Freundeskreis.
Sie hatten durch die offenen Fenster, die Musik gehört und fühlten sich an ukrainisch-russische Baladen erinnert...
Sie wollten sich nie setzen und sagten immer, dass sie ja eh gleich wieder gehen würden, aber sie blieben doch immer länger und einmal sogar über eine Stunde dort, hörten und schauten gebannt zu und waren erfreut und vielleicht auch ein bischen glücklich, wer weiß...?
Als sie wieder einmal lange zugeschaut hatten, fragte mich Wladimir nach der Musik. Es war eine Tanda von Osvaldo Pugliese:
"Inspiración", "Chiqué" und "Antiguo Reloj de Cobre"
Wladimir kniff die Augen zusammen, nippte an seinem O-Saft und sagte etwas, was mich bis heute verblüfft:
"Ich weiß nicht, was das ist, das diese Sehnsucht macht, so traurig und doch macht es nicht traurig. Und diese Tänzer... Wenn sie so gaanz langsam tanzen und sich fast nicht bewegen, dann hat es die größte Kraft, irgendwie so wie eine kontrollierte Explosion!"

Ich war völlig baff!

Dieses super sympathische Riesenbaby, dieser Ausnahmeboxer hat offensichtlich eine ungeahnte Sensibilität und ein sehr gutes Einfühlungsvermögen!
Null Ahnung vom Tango, aber viel Lebensweisheit mit Ende 20/Anfang 30!

Ich habe sehr, sehr lange darüber nachgedacht...

Zu Osvaldo Pugliese und meinen Erlebnissen und Erfahrungen mit ihm, werde ich später noch einige mehr posten. Es gibt gerade über ihn sehr viel zu erzählen.
***rt Mann
941 Beiträge
Erinnerungen an Osvaldo Pugliese 2
Etwas zur Geschichte von Osvaldo Pugliese, da ich nicht davon ausgehen kann, dass alle Leser sie kennen:

Osvaldo Pedro Pugliese (* 2. Dezember 1905 in Villa Crespo, Buenos Aires; † 25. Juli 1995 ebenda) war ein argentinischer Musiker, der als Pianist, Arrangeur, Bandleader und Komponist den Tango Argentino im 20. Jahrhundert erheblich prägte und weiterentwickelte
QUELLE: Wikipedia http://de.m.wikipedia.org/wiki/Osvaldo_Pugliese

Um besser verständlich machen zu können, wovon ich erzählen möchte, muß ich etwas ausholen und bitte dafür um Verständnis.


Ich lebte Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts in Buenos Aires. (Klingt geil, oder!? Ist aber so...) *lol* *haumichwech*

Da mein Vater gebürtiger Porteño ist (So nennet man die Menschen aus Buenos Aires) wollte ich quasi 3 Fliegen mit einer Klappe schlagen:
1. - meine entfernte Familie besser kennenlernen und ihr Leben mit Ihnen teilen.

2. - Meine Tango-Fertigkeiten vervollkommnen und endlich TANGO LEBEN, so, wie ich es immer von meinen Verwandten gehört hatte!

3. - Nach Erhalt meines Diplomes (Dipl. Volksw.) eine Postgraduierung (Titel: Maestro en Economía Internacional) absolvieren.

Ich studierte also tagsüber mehr oder weniger intensiv *zwinker* Internationale Wirtschaft und ansonsten sorgte ich für die Verbesserung meines Spanisch- und Tango-Könnens.
Durch vorherige Recherche und Empfehlungen wurde ich vom ersten Tag an in die Clique um "La Negra" Graciela González, aufgenommen. Dazu zählten z. B. Gustavo Naveira, Fabián Salas, Tomás Howlin, Veronica Alvarenga, Patricia Lamberti, "El Alemán" Juan Bruno, "Pupi" Castello, Marta Antón, Silvana Grill, Amira Cámpora, "El Flaco" Dani, Carlos Copello y Alicia, Roberto Herrera y Vanina Bilous die damals noch kleine Geraldine Rojas (kam immer mit ihrer kleinen, pummeligen Mama) und einige mehr.

Den meisten von Euch sind einige der Namen sicher ein Begriff.

Wir trafen uns ständig irgendwo privat, quatschten über Gott und die Welt (die für uns damals eindeutig sehr limitiert war, denn sie hieß: Tango, Buenos Aires, Assado und Partys). Dabei wurde natürlich getanzt, ausprobiert und verworfen.

Amira war später, nach meiner Rückkehr nach Deutschland, meiner Tanzpartnerin. (Siehe Titelbild der Nummer der allerersten Ausgabe der "TangoDanza")
Und durch sie, die die "Busenfreundin" von Vanina war, lernte ich Osvaldo Pugliese persönlich kennen, denn "Roberto y Vanina" waren von 1992 bis zum Tode Puglieses, das offizielle Tanzpaar, des Orchesters von Osvaldo Pugliese. http://m.youtube.com/#/playl … %3Flist%3DPL3BF109DAE0A35C64

Nachdem ich Osvaldo und seiner Frau Lidia, bei einem Auftritt im Backstage-Bereich der "Galeria del Tango", vorgestellt wurde, lachte er und sagte: "Ein Junge aus Deutschland, mit argentinischem Vater, der hier studiert und Tangoprofi werden will? Merkwürdig und interessant zugleich!"
"Lidia, wir müssen den Jungen einmal zu uns einladen. Ich möchte ihn kennenlernen und er soll mir von Deutschland erzählen!"

Ich dachte nicht, dass dies ein ernsthaftes Vorhaben sein würde, gab ihm aber wunschgemäß meine Visitenkarte.

Kaum 1 Woche später, kam ein Anruf von Lidia Pugliese und ich wurde freundlich gefragt, ob ich wohl Zeit und Lust hätte, am Samstag zu ihnen nach Hause, zum Café zu kommen?!

Das war für mich ein unbeschreiblicher Moment! Und als ich Gustavo Naveira, Garaciela und den anderen davon erzählte, wollten sie mir zuerst gar nicht glauben...

Mit einem Strauß Blumen in der Hand, stand ich pünktlich vor der Haustür eines völlig normalen Wohnhauses in der Avenida Corrientes und drückte mit pochendem Herzen den Klingelknopf im 5. Stock (glaube ich mich zu erinnern).

Lidia öffnete freundlich lächelnd die Tür und nahm mir erfreut die Blumen ab.
Osvaldo Pugliese erwartete mich am Eßtisch der einfachen und kleinen Wohnung, auf welchem bereits Mate und Kaffee mit "Facturas" (kleine Hefegebäck-Stücke) gedeckt war.
Er begrüßte mich mit den Worten:
"Herzlich willkommen Ulli! Du bist wirklich so pünktlich, wie Deutsche eben sind!"

Wir unterhielten uns den ganzen Nachmittag. Richtiger: Er fragte mich aus! Wie sich herausstellte, war Osvaldo Pugliese ein sehr belesener und politisch äußerst gut gebildeter Mann.
Zeit seines Lebens überzeugter Kommunist! Er kannte "Das Kapital" von Karl Marx erheblich besser, als ich (was ihm deutlich mißfiel, denn er hatte Fragen, die ich nicht beantworten konnte) und der ein Bewunderer der Deutschen war. Klar kannte er die Geschichte des Nationalsozialismus sehr gut, aber er nahm die Deutschen dafür nicht in Generalhaftung, sondern interessierte sich viel mehr für die Kultur und die Bundesliga! Osvaldo war "Hincha" (Fan) von gutem Fußball und er fand dass die Bundesliga zwar nicht so gut sei, wie der argentinische Fußball, aber doch sehr gut und sehr viel kraftvoller und disziplinierter.

Schließlich interessierte er sich noch sehr dafür, wie ich den Tango empfinde und warum ich nach Argentinen gezogen war.

Ich hingegen, nutzte die Gelegenheit, ihn nach seiner pers. Geschichte, nach der seiner Orchester und der anderen berühmten Orchester und Musiker zu befragen.
Osvaldo Pugliese schätzte die Kollegen sehr und er äußerte sich ausschließlich lobend und humorvoll über gemeinsam Erlebtes, woher er so manche Anektdote zu erzählen wußte.
Als ich nach der Zeit der Militär Diktatur (in welcher mehr als 30.000 Menschen "verschwunden" sind) befragte, wurde er zunächst sehr ruhig und erzählte dann davon, dass es eine sehr schlimme und bedrückende Zeit gewesen sei und er mit seinen Musikern sehr mit den Kollegen und "Genossen" mitgelitten habe.
Seine Musik wurde in der Zeit nicht im Radio gespielt, eben weil er bekennender Kommunist und Gegener der politischen Verhältnisse war!
Bei sehr, sehr vielen Konzerten, wurde er kurz zuvor und manchmal sogar direkt aus dem Backstage-Bereich verhaftet, weil man die Auftritte verhindern wollte!
Die Gegenstrategie des Orhesters war aber ebenso klar, wie mutig:
ALLE Konzerte fanden dennoch statt, ohne einen Pianisten. Allerdings legte man jeweils eine rote Nelke auf die Pianotastatur! Eine rote Nelke, die Blume, die ein international bekanntes Symbol des Sozialismus ist...

Dafür war er damals noch immer sehr dankbar und sehr stolz auf sein Orchester!

Zeit Lebens hat Pugliese immer darauf bestanden, dass er, der sich nur als ein Teil des Orchesters, ein Musiker wie alle anderen sei, auch nicht einen Centavo mehr bekam, als jedes andere Orchestermitglied! Er lebte Tango und Sozialismus aus Überzeugung.

Ich hatte später noch mehrfach die Ehre, bei ihm und seiner Frau Lidia eingeladen zu sein, nach Konzerten mit dem Orchester irgendwo essen zu gehen und wundervolle Momente mit diesen Legenden erleben zu dürfen.

Abschließend noch eine Anekdote, die die große Verehrung der Porteños für Osvaldo Pugliese, als so bescheidene Person und für seine leidenschaftliche Musik zeigt:

Irgendwann war ich zum Jubiläumskonzert eingeladen worden, mit welchem die Homage an Osvaldo Pugliese zum 54. Bühnen-Jahr" ("Homenaje a Osvaldo Pugliese - 54 Años en el escenario") gefeiert wurde.
Der Ort war das Teatro Alvear in der Avenida Corrientes, ganz in der Nähe des Obeliscos.
Wie man an der ungeraden Zahl erkennen kann, hatte man damals nicht sicher sein können, ob er das 55. Jahr wohl noch in der Lage sein würde, auf der Bühne zu stehen.
Osvaldo Pugliese war inzwischen nicht nur schon sehr alt, sondern auch sehr, sehr schwerhörig. Bei Konzerten stand Lidia, seine Frau, anfangs hinter ihm um ihm das Zeichen zum Einsatz zu gehen, denn seine Sehkraft war schon lange Zeit sehr schlecht und ohne die Hilfe seiner Frau, kommt er nicht mehr feststellen, wann der 1. Bandoneonist die Einsätze gab.

So kam es, dass bei dem Stück "Recuerdo", welches von Roberto y Vanina auf der Bühne tanzten, Osvaldo versehentlich eine ganze Zeile in der Partitur "übersprang", ausgerechnet, bei dem berühmten Adagio, im letzten Drittel des Stückes, einer Stelle, in welcher Vanina gerade einige sehr langsame und ruhige Planeos vor (dem stehenden) Roberto auf den Boden zeichnete.
Plötzlich raste das Orchester in atemberaubendem Tempo hinter dem vorauseilenden Maestro her und das arme Tanzpaar hüpfte förmlich hinterdrein, auf der Suche nach einer Möglichkeit, wieder an ihre Choreographie anknüpfen zu können!

Ich grinste und sagte halblaut zu der neben mir sitzenden Amira Cámpora:
"El Maestro ya está bastante sordo, no cierto?!"
(Der Meister ist schon ganz schön taub, was?!)

Daraufhin drehte sich direkt vor mir ein Schrank von einem Mann um und sagte mitzusammen gekniffenen Augenbrauen:

"Estás hablando del Maestro Don Osvaldo Pugliese, joven! Cállate la boca o te la callo yo!"
(Du sprichst vom Meister Don Osvaldo Pugliese! Mach das Maul zu, sonst mache ich es Dir zu")

Ich beschwichtigte ihn und war den Rest des Konzertes lieber ruhig! *zwinker*

Beim Hinausgehen traf ich im Foyer wieder auf den Hühnen und er fragte mich sinngemäß, ob ich keinen Respekt habe und bezeichnete mich als "Hijo de puta" (Hurensohn)!

Es war ein interessanter Abend. Als ich später mit den Musikern und den Tänzern, beim Essen, sprach, war diese Szene der Lacher des Abends.

Osvaldo Pugliese verstarb am 25. Juli 1995. Ich war selbstverständlich bei seiner Beerdigung.

Ich war sicher nicht sein Freund, eher ein Bekannter, aber ich bin dankbar, ihn kennengelernt zu haben.

Seine Musik wird ewig leben!
******_bw Mann
240 Beiträge
Pugliese der 40er :)
Vielen Dank, zhart, für diesen sehr persönlichen Bericht.

Die Ausgangsfragen sind ja recht vielfältig
welche gefühle und erinnerungen teilt ihr mit der musik von pugliese?
gefällt sie euch? irritiert sie? müsst ihr dazu in stimmung sein?
welche tänzerischen interpretationen gefallen euch besonders gut?

Mich sprechen die Aufnahmen der 40er und frühen 50er Jahre sehr an, die Idee der intensiven Betonung einzelner Schläge (1 und 5) setzt er deutlich um, und natürlich auch das Chan-Chan am Ende. Diese Stücke lassen sich sehr schön am mittleren Abend einer Milonga tanzen und geben viel Luft für Verzierungen. Mein Renner sind die Stücke mit der ausgeprägten Sologeige, und dafür bin ich immer in Stimmung.

Ab Ende der 50er tauchen in den Aufnahmen die wuchtigen Betonungen auf, für mein Tanzempfinden sind diese viel zu dominant, sie schreien mehr. Die 70er und 80er Aufnahmen assoziiere ich dann doch eher mit dem Genre "Unterhaltungsmusik" als mit Tango. Wenn eine Milonga nicht so gelungen ist, bringen diese Aufnahmen noch einmal eine Energiezufuhr auf die Piste, die mich auch erreicht, wenn ich in Stimmung bin. Aber nur dann.

Ebenso sprechen mich die Sänger an, Stücke mit Roberto Chanel und dem frühen Alberto Moran kann ich schön vertanzen, mit Jorge Vidal oder Jorge Maciel sind sie eher Schmalz auf die Ohren und Tangos zum Hören, weniger zum Tanzen.
*******_he Paar
190 Beiträge
Pablo Pugliese mit Mama...

***rt Mann
941 Beiträge
Die sind nicht verwandt!
Liebe Bonny(s) *g*

Pablo Pugliese und seine Mutter Esther sind nicht mit Osvaldo Pugliese verwandt! Nix. Null. Nada. *zwinker*

Mingo (der vor einem Jahr verstorbene Vater von Pablo) war ein berühmter Lehrer des Salon Tango. Seeeehr elegant. Erstklassig! Allerdings fanden nicht wenige, dass sein Stil technisch exellent war, aber kein Gefühl zeigte. Fand ich auch.
Er ist der Mann, der in der gezoomten Szene gut erkennbar ist. (An seiner er. Seite steht übrigens Marta Antón, die mit 2 Partner [heute mit "Manolo"] sehr berühmt für den Canyengue geworden ist)

Schönes Video, trotzdem. *g*
*******_he Paar
190 Beiträge
...macht nix. *g*
Trotzdem genial, wie er das in diesem Alter schon macht! *ja* *anbet*
Wenn unsereiner damals schon so weit gewesen wäre. *wolke7*...wie weit wären wir heute?! *walk**g*
******_bw Mann
240 Beiträge
So weit ...
... dein Herz trägt.
Was heißt schon wie weit? Tanze mit dem Herzen, Füße und Kopf unterstützen so gut sie können. Ist das schön, dass es den Leistungsgedanken beim Tango nicht gibt, zumindest nicht unter denen, die ihn verstanden haben.
Con corazòn! *herz2*
ich hab so meine schwierigkeiten "pugliese" zu tanzen
• manchmal empfinde ich ihn fast disharmonisch -


gerade deshalb gefällt mir dieses video,
sooooo würde ich auch gerne tanzen können *love4*





brujo4_bw
IsabelaTom
danke!

es macht immer wieder freude, sich mit euch über tango argentino auszutauschen. *blume*



zHart
danke für die anekdoten. ich hab mich riesig darüber gefreut, was persönliches über osvaldo pugliese ( und deine zeit in argentinien) zu lesen


bonny06_he
ich dachte auch , esther und pablo pugliese sind verwandt mit osvaldo *schaem*
jetzt sind wir schlauer *hi5*
******_bw Mann
240 Beiträge
Tanda OP 50er
Zur Anregung mal eine schöne Tanda mit dem späten Pugliese:

Cascabalito (1955)
Emancipacion (1955)
Nochero Soy (1956)
La Tunpungatina (1952)



die beiden können pugliese tanzen *lach* *zwinker*



beide tanzen schön,
aber was ER mit seinen beinen/füßen beim planeo macht, finde ich sexy *anmach*


°°°
kürzlich hatte ich das glück des flows bei einer pugliese-tanda -am späteren abend- mit einem unbekannten ... *wow*
danach war ich gar nicht mehr bereit mit jemand anderen zu tanzen
und bin nach hause gegangen

da konnte ich isabela verstehen...
Manchmal bin ich nach einer Tanda von Pugliese so aufgewühlt, dass ich nach Hause gehen muss. Ich weiß dann - alles hat gepasst.


ach - manche tandas sind geradezu magisch *love4*
***rt Mann
941 Beiträge
Sehr feiner Tanz!
*top* Danke. *ja*




anfangs konnte ich den blick gar nicht von seinen glamourösen schuhen abwenden!
*oh*

die interpretation gefällt mir - und irgendwie auch nicht...
der grund ist diffus und (noch?) nicht in worte zu fassen
vielleicht gehört diese ambivalenz aber auch zu pugliese-stücken?
***rt Mann
941 Beiträge
Wir sehen etwas, was es SO eigentlich gar nicht....
... gar nicht geben dürfte, geben kann!

Und doch existiert es! Was meine ich damit?

Dieses Stück kann man anders interpretieren. Klar. Immer alles Geschmacksache...

Aaaaber: Was wir hier sehen ist rhythmisch eine PERFEKTE Visualisierung des Gehörten!
Und zwar bis in die Synkopen hinein. Das kann fast niemand und in DIESER Perfektion hat es vor "Chicho" noch niemals jemand auch nur annähernd erreicht.

Das allein wäre ja schon mehr als genug, um zu schwärmen...

Und doch kommt die entscheidende Information erst jetzt: Es ist KEINE Choreographie.

Es ist alles frei improvisiert! Alles.

Wie kann das sein?

Das Paar ist perfekt aufeinander eingestellt durch extrem viel gemeinsames Tanzen, bei dem Chicho natürlich auch erklärt, was sie wissen muss um seine Führung wie im Schlaf zu verstehen, zu fühlen und sich in diese Führung hingeben zu können.

Und Chicho ist der erste bekannte Tänzer, der einen ganz anderen Hintergrund hat und sich von diesem aus der Musik nähert: Chicho ist Schlagzeuger gewesen und spielt hin und wieder immer noch. Und zwar (Punk-)Rock!

Ich habe mehrfach mit ihm gearbeitet und viele lange Gespräche mit ihm geführt. Über sein Musikverständnis, über künstlerische Entwicklung und darüber, dass er bewußt unangepasst sein will und sich z. B. nicht mit den üblichen Bekleidungen anfreunden kann, über Phrasierungen, tänzerische Umsetzung von Synkopen etc.

Ein Genie, der Mann!

@***er:
Was Dir (diffus) nicht gefällt, musst Du mir unbedingt mal erzählen, wenn Du es weißt! Das interessiert mich echt...

Besonders auch, weil Du das "bei Pugliese-Stücken" scheinbar häufiger hast?!

Analog zu Deiner Faszination für seine Schuhe, bin ich ganz hin und weg von ihrem sexy und romantischen Kleid und davon, wie wundervoll es schwingt... ihre endlosen Beine... diese exakten, grazilen und femininen Bewegungen.... Hach! *liebguck* *rotwerd*
*hm*

zHarts Ausführungen motivieren mich jetzt schon zum zweiten Mal, mir ein Video anzuschauen. Aber nicht mehr jetzt, mach ich morgen......
***rt Mann
941 Beiträge
*top* *smile* *wink*
********eden Frau
14.455 Beiträge
O.K.
Er mag ein Genie sein und ein Virtuose (was die Technik betrifft), aber mir gefällt es besser, wenn Tango gefühlvoll, langsam, sinnlich getanzt wird.

Das ist nur (m)eine persönliche Meinung.

LG
Gala
***rt Mann
941 Beiträge
Verstehe ich gut!
Mich fasziniert hier die Perfektion...
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