@****in
Sicher gibt es genug Literatur, auf deren Aussage hin Du Deine Position untermauern kannst und ich kann dem, was Du schreibst, auch nicht widersprechen.
Es ist vielmehr so, dass ich da stark aus dem Bauch heraus argumentiere und mein Argument, dass Tanz (Tango) und Hedonismus sich im Grunde ausschließen, beruht einfach auf meinen Erfahrungen a) als Tänzerin und b) mit Begegnungen mit hedonistisch denkenden Menschen.
Nach der Definition von Herrn Kanitscheider wäre doch eigentlich jeder Mensch ein Hedonist, der nach etwas persönlichem Glück oder nach schönen Erfahrungen strebt. Und das ist ja nun mitnichten so. Die klassische Definition eines Hedonisten ist die eines Menschen, der seine Genusssucht über alles andere stellt und dabei die Befindlichkeiten anderer völlig ignoriert. Denn es ist ja eine Tatsache, dass die Interaktion mit anderen für jeden Menschen in irgendeiner Weise Komromiss bedeutet oder Einschränkung seiner Freiheit darin, eigene Bedürfnisse auszuleben. Und das verträgt ein Hedonist ganz schlecht.
Jeder Mensch strebt im Leben das persönliche Glück an, der Hedonist tut das aber auf eine sehr spezifische Weise und diese Weise ist für mich nicht ausreichend beschrieben damit, dass jemand die Aussicht beim Wandern genießen will. Es geht dem Hedonisten vor allem um eindeutig sinnliche Genussbefriedigung. Nicht nur, aber auch im Sinne von Sex. Und auf dem Weg dahin scheut er nicht so einfache Dinge wie einen Muskelkater, sondern er steigt über gesellschaftlche Konventionen hinweg und über Grenzen, die ihm eigentlich durch die Rücksichtnahme auf andere gesteckt sind. Der Hedonist sieht nicht ein, dass Glück und Befriedigung einen Preis haben, wenn Du so willst.
Merke hier: das ist nur meine Interpretation. Ich weiß und Du zeigst ja auch auf, dass es andere gibt.
Was nun den Tänzer betrifft, vor allem den Tangotänzer, so ist seine Motivation für mich nach wie vor alles andere als hedonistisch. Wo der Hedonist sich einfach nimmt, tritt der Tänzer in Kommunikation. Der Tänzer will fragen und will antworten, er bewegt sich tastend und suchend an sein Gegenüber heran und ist bereit, sich zu öffnen. Er gibt von sich, um zurück zu bekommen. Zwar ist er wie der Hedonist von Gefühlsregungen geprägt und sehnt sich danach, in Glücksgefühlen aufzugehen, aber der Tänzer nimmt auch die negativen Gefühle an und setzt sie um. Viel mehr als der Hedonist erkennt der Tanguero die Notwendigkeit von Schatten, um sich am Sonnenlicht zu erfreuen. Er weiß, dass das Leben aus hellen und dunklen Momenten, aus Schmerz und aus Freude besehen muss, und dass man beides erfahren muss, um Glücksmomente erleben zu können. All das drückt sich im Tango aus. Und darin liegt auch meiner Ansicht nach der Kern des Widerspruchs zum Hedonismus.