Das Bandoneon war der deutsche Beitrag zum multikulturellen Tango: die materialisierte germanische Schwermut. Diese rheinisch-erzgebirgische Konzertina, benannt nach einem Deutschen (Heinrich Band), ausgestattet mit zwei verschiedenen Klangfarben und mit verwirrend angeordneten wechseltönigen Knöpfen, wurde zur weinenden Stimme der Tango-Melancholie: zum Alter ego des Tangosängers, zu seiner Geliebten, zu seinem schutzlosen Kind. „Buenos Aires hat seit seiner Entstehung auf das Bandoneon gewartet“, hieß es dort einmal.
Tango, so hieß es in den Arrabales einst, sei nur eine „andere Art“, die bekannten Tänze zu tanzen – Mazurka, Polka, Walzer, Schottische. Die Musiker aber reagierten auf die Tänzer und schufen so – notenunkundig, improvisierend – die Anfänge der Tangomusik
Der Tango ist heute eine Weltsprache, die den Tanzclub wie den Konzertsaal erreicht. Seine Faszination ist das Ritual, aus dem er erwuchs und das sich in seine Moll-Traurigkeit und in seinen sinnlichen Rhythmus tief eingebrannt hat: der ultimative Flirt. Tango, diese Mischung aus stilisiertem Messerduell und angedeutetem Sex, ist eine Gratwanderung zwischen Liebe und Tod. Denn der Tango erzählt eine Geschichte: die Geschichte einer verzweifelten Zweisamkeit und eines Ringens um Macht und Wahrheit. Die Rollen von Compadrito und Milonguita mögen der Vergangenheit angehören, die Kampfrituale des Zusammenlebens tun es nicht.
© 2008, 2010 Hans-Jürgen Schaal
die Gedanken dazu im Ganzen und nicht nur auszugsweise wie hier von mir zitiert:
https://www.hjs-jazz.de/?p=00197