Ja es mag sicherlich Beispiele geben, aber vorab ist das Ausgangsstatement zu korrigieren. Tango war in der Militärdiktatur nicht verboten. Es gab während der Militärdiktatur ein Versammlungsverbot. Tango ist auch eine Versammlung und fiel somit darunter.
Darüber hinaus haben sich natürlich verschiedene Autoren des politischen Gehalts des Tangos angenommen. Dieter Reichert in seinem Tangobuch von 1984 konstatiert, dass es sehr wenige Tango Texte gibt, die über die Negation der gesellschaftsstabilisierenden Normen und Glücksverheißungen hinausgehen und soziale Konflikte als Thema behandeln. Die Textanalyse von Tangos zeige zwar kein Aschenputtel oder Tellerwäscher Aufstiegsmärchen, sondern es wird eher der entgegengesetzte Verlauf geschildert. Aber naturalistische Milieutheorien seien den Tangodichtern dann doch eher fremd.
Se viene la maroma (Enrique Delfino - Manuel Romero)
trägt Gesellschaftskritik vor und natürlich einige Tangos von Sosa, obwohl sie dann doch meistens nur lyrische Texte sang.
Bloß zugegebenermaßen gehöre ich nicht zu den Leuten die auf Texte hören. Mein Spanisch reicht nicht aus. Aber so richtig viel gesellschaftskritische Ansätze enthält der Tango laut Reichert nicht. Die Dichter und Sänger aus der Halb- und Unterwelt der Arrabales dachten in erster Linie an die Veränderung der Konsumtions- und weniger der Produktionsverhältnisse.
Insofern ist festzuhalten, dass Tango kein gesellschaftlicher Protestsong ist, auch wenn man unüberhörbar in ihm das Zähneknirschen der Unterdrückten und Ausgebeuteten, der Zurückgewiesenen und Beleidigten erkennen kann. Aber der Schritt zur Rebellion und von dort zur Revolution ist dann schon noch ein weiter Schritt. Ich denke, die Linken versuchten das Potenzial des Tangos sich einzuverleiben, aber dafür hat er irgendwie nie getaugt.