@ TantraSiMa
Ich denke es ist offensichtlich, dass mein Verständnis von Tantra ein anderes ist, als das Verständnis der meisten hier.
In aller Kürze: Tantra ist ein revolutionärer Katalysator in Indien und später in den buddhistischen Ländern Asiens. Die revolutionäre katalytische Wirkung des Tantra durchzieht alle Bereiche der brahmanischen Kultur Indiens und explodiert ab dem neunten Jahrhundert, um so großartige Philosophiesysteme wie die nondualistischen Shaivaschulen Kaschmirs hervorzubringen.
Das Revolutionäre am Tantra ist vielleicht am besten mit einem Witz und einer kleinen Geschichte zu erklären:
Zuerst der Witz: Treffen sich ein Yogi und ein Tantriker, beide erleuchtet, und der Yogi sagt: Hallo, ich bin Yogi und ich habe allem entsagt und habe nichts. Sagt der Tantriker: Hallo, ich bin Tantriker, ich habe auch allem entsagt und habe alles!
Jetzt die Geschichte: Ein tantrischer Saddhu betritt einen Shivatempel. Der brahmanische Priester sieht den schmuddeligen Tantrika, mit seinen verfilzten Haaren und seinen schmutzigen Füßen und überlegt sich wie er diesen unreinen Gesellen wieder los wird aus seinem sauberen und reinen Gotteshaus. Der Saddhu, sehr müde, legt sich mitten in die Tempelhalle und legt seine Füße zu allem Überfluss auch noch auf das heilige Shivalingam, das in der Mitte der Tempelhalle im Boden eingelassen ist. Der Brahmanenpriester geht sofort zu dem Tantra-Saddhu und erklärt ihm, dass sein Verhalten abscheulich ist. Er möge seine Fü§e doch bitte nicht auf Shiva legen, das ist eine schwere Sünde. Der Saddhu schaut den Brahmanen an und sagt: Lieber Brahmana, zeige mir bitte ein Fleckchen in diesen ganzen Universum, in dem Shiva nicht gegenwärtig ist, und ich werde meine Füße genau an diesen Ort ablegen.
Die Haltung des Tantra ist klar: es gibt kein Heilig und Unheilig, kein rein und unrein, kein göttlich und weltlich. Alles ist einfach. Und dieses Sein ist der Höchste, ist Bhairava, und sein göttlicher Reflex der Selbstbetrachtung und des Selbstwissens ist seine Shakti, Bhairavi. Sie ist gleich ihm und er ist gleich ihr. Wenn die Beiden scheinbar getrennt sind, wird diese Welt ins Laufen gebracht und wir verstricken uns darin, weil wir genießen wollen. Wir haften uns an die Dinge, die wir nicht sind, stellen Regeln des Umgangs auf, sanktionieren, bewerten, Strafen und werden uns zur Hölle.
Der Ausweg daraus ist unter Anderem der tantrische Pfad. Dieser kann entsprechend den Verhaltensregeln der eben vorherrschenden Kultur gegangen werden, oder er wird begangen indem man durch Tabubrüche die illusorische Idee des Wertens überwindet. Das Meditieren an den Leichenverbrennungsplätzen gehört ebenso zum Taubenschlag wie das Meditieren oder Essen von Leichen. Der Geschlechtsverkehr mit Kastenlosen oder Dirnen gehörte dazu, wie die Verehrung des Weiblichen, der Göttin, das Trinken von Menstruationsblut oder Sperma. Auf beides stand in der brahmanischen Kultur Indiens die Hölle! Die Überwindung der Welt bedeutete im Tantra, ganz anders zum Yoga, dass man die Welt umarmt und alles als göttlich sieht. Der Weg dorthin ist der Weg des virya, des Helden. Dieser lebt zwar von der Welt, er sagt zu nichts ja und zu nichts nein, aber er ist nicht gebunden an die Welt. Der Tantriker wehrt sich nicht gegen seine inneren Gefühlslagen. Er bekämpft nicht den Zorn, die Gier, die Geilheit, sondern er setzt diese ein als Antriebskraft zum Weg zum Heil. Im Gegensatz dazu der pashu, die viehische Existenz des Menschen, die gebeutelt wird von Freude und Leid, die sich beständig therapieren muss, die sich andauernd beklagt dass sie nicht geliebt wird, und dabei selbst lieblos wird. Für mich ist der wohlstandsverwahrloste Westler das Paradebrispiel dafür. Ihm mangelt es an vernünftiger Einsicht, weil er sich von seinen Leidenschaften treiben lässt, von seinen alten Samskaras, seinen alten Verletzungen und Traumata. Ihm mangelt es an Disziplin, lieber hängt er sich an eine rosa Wolke des Wohlfühlens und meint dass ihm die Welt wss schuldet. Anstatt hart und ehrlich zu üben, zu meditieren, zu dienen und zu lieben, klagt er die böse Welt an und benimmt sich wie ein hungriges Vieh auf der Suche nach Nahrung.
Der tantrische Weg bedeutet frei von Wertung zu sein, bedeutet Treue dem Guru gegenüber, beständiges Üben. Einüben in die geistige Praxis durch Meditation, Kontemplation und Verehrung Tantra bedeutet Ritual, Puja, Asana, Pranayama, Beherrschung der Energien, unbeschränkte Liebe zu allem und jedem.
Und jetzt entscheide du, ob mein Motzen über den westlichen Tantraweg, vielleicht daher kommt, weil es doch ein Etikettenschwindel ist, was das Thema hier ja wunderbar belegt. Oh ihr armen Männer, wenn ihr vögeln wollt, geht Weibchen jagen aber versteckt euch nicht hinter einer tantrischen Gerechtigkeitsidee, die es nicht gibt.
Greez
Shiva Dasa