@Luxusweib, Moxy, BlackDiablo & Tanaziel
Dauer ist kein Wert an sich, obwohl ich auch immer wieder in mir diese Stimme vernehme, die vergangene, beendete Beziehungen als "Scheitern" bezeichnet. Ich gehe dann in einen Dialog mit diesem Urteilsspruch:
"Warum ist das ein Scheitern, wenn es eine wunderbare, dichte, erlebnisreiche, leidenschaftliche, vertraute, intensive Zeit war?"
"Weil es letztenendes doch nicht gehalten hat..."
"Hat doch gar nichts mit dem Erleben dieser Zeit zu tun..."
"Doch: Wenn's nicht hält, hättste Dir auch die Zeit sparen können..."
Diesen Dialog bitte ad infinitum zu Ende führen.
Ich denke, Nietzsche hat ausgedrückt, was doch in vielen, wenn nicht allen Menschen ruht: "Weh spricht: Vergeh! Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit".
Und so widerspreche ich auch Moxy: Ich erlebe die Existenz von bestimmten Erscheinungen, die alle Menschen teilen. Diese Erlebnisse gerinnen irgendwann zu Hypothesen oder Theorien, also sehr wohl zu allgemeinen oder grundsätzlichen Theorien. So verschieden wir Menschen in der Ausprägung sind, es gibt auch so etwas wie allen Menschen Gemeinsames, ich denke da z.B. an meine Bedürfnisse: Körperlichkeit, Sicherheit, Zuwendung, Anerkennung, Ausdruck. Und ich denke, die tiefe Sehnsucht, die Nietzsche ausdrückt, kann durch so eine Theorie beschrieben werden: Sie bestimmt auch mein Denken und Trachten, immer wieder, siehe Dialog oben. Mein tantrisches Sein hilft mir hier, auch mein Urteilen als solches wahrzunehmen, es zu begrüßen und als Teil meines inneren Theaters auch wertzuschätzen. Und mich bewußt zu entscheiden, welchen Rahmen ich meinem Erleben gebe, denn in diesem spielt sich ab, wie ich die Dinge sehe und dann auch fühle. Hier entscheidet sich, welche Weite in meinem Leben ist. Und welche Enge.
Luxusweib öffnet diesen Blick auf die Liebe:
Mein Gott, warum fokussiert sich in so vielen Beiträgen hier das Verständnis von Liebe auf die paar Kubikzentimeter Partner an meiner Seite? Dahinter steckt sicher der ganz tiefe Kontaktwunsch, oft einhergehend mit intensiv erlebter Einsamkeit und das Unvermögen, anderes als Menschen als Kontaktpunkt zuzulassen. Wenn sich diese Illusion des Getrenntseins löst, kann sich die Liebe, ich verstehe sie hier als intensiven Kontakt, auf alles mögliche beziehen. Da war viel Heilung drin für mich, denn ich brauche meinen Partner nicht mehr exklusiv zu diesem Kontakt. Es gibt Liebespartner, Freunde und wer seine Bude und Steinwüste, bekannt als Stadt, einmal verläßt, um draußen die Augen aufzumachen, erlebt die Berührung des Windes, das Lied eines Baches, einen freundlichen Gruß des Nachbarn, die Frage eines Hundes, die Hektik einer Ameise auf meinem Arm, die Verwirrung einer Sonnenblume oder die Ignoranz einer Spinne...
Die Krux beginnt da für mich, wo ich wieder einmal will, daß genau diese wunderbaren Gefühle, die diese Begegnungen hervorrufen, ewig und jederzeit wiederholbar sein sollen. Daher alles sichern, was es hervorruft. Das ist Teil unseres Selbst! Nicht verwerflich, nicht zu bekämpfen oder schlimmer: zu vernichten, wie manche spirituellen Meister predigen, bis hin zur Auflösung des Egos, ein schauriger Irrtum aller Asketen. Und wenn es so sein darf, es bleiben darf, wenn ich erlebe, daß in dieser Welt von allem genug da ist, fange ich an, mich zu entspannen:
Der Wind - auch morgen noch da.
Der Bach - fließt auch morgen noch.
Ich entscheide mich dann, keine Sicherungsmaßnahmen mehr zu treffen. Diese Angst ist auch in der Partnerschaft: Meine Partnerin - auch morgen noch da? Und hier kommt die Antwort: Vielleicht. Deshalb all die Sicherungsmaßnahmen, für manche der Trauschein, für andere gemeinsame Ideale (Du bist doch auch für Poly, oder?) oder Unternehmungen . Ich finde, mit diesem "vielleicht" umzugehen ist das Geheimnis eines glücklichen Lebens, völlig egal, ob Solo, Mono oder Poly. Dazu haben naturgemäß 100 Leute 100 Ansichten. Mit welcher ich mich weiter beschäftige, mache ich aus tantrischer Haltung heraus an einem Ding fest: Spüre ich eine Verengung, Luftverknappung in mir, so ist es nichts für mich, denn es triggert wohl irgend eine Angst. Spüre ich eine Erweiterung, Raum, so möchte ich das weiterverfolgen. Es ist also meine Sehnsucht nach Freiheit, die mir als Kompaß dient. Und so kann ich diesen Wunsch auch bei meiner Partnerin verstehen, damit in Verbindung gehen und schauen, mit welcher Lebensform wir unsere Partnerschaft leben wollen, und zwar eine, die uns beiden Raum gibt!!! Und ich habe erlebt, daß manchmal die Positionen von zwei Menschen so verschieden sind oder geworden sind, daß ein gemeinsames Partnerhaus nicht mehr bewohnt werden kann, wirklich keine Lebensform mehr gefunden werden kann, die beiden diesen Raum ermöglicht. Und fast immer habe ich hinter den Forderungen Ängste erkannt, oftmals verdrängt, kaschiert, ignoriert, verbrämt, verkleidet, scheinbar "aufgelöst" oder spirituell vernichtet.
Von daher stimme ich dem von Moxy indirekt Gesagten nicht zu: Hier im Faden sind eine ganze Menge Ängste und niemand geht falsch, z.B. bei mir welche zu vermuten, wie es BlackDiablo ja auch sagte. Ja, auch ich. Und mir ist jeder unheimlich, der diese zu überwunden haben glaubt... Sie sind Teil der conditio humana.
Ist der Auszug aus dem gemeinsamen Partnerhaus daher ein Scheitern? Ist Dauer überhaupt ein Kriterium? Ist dieser Wunsch nicht eine weitere Methode, meiner eigenen Endlichkeit, sprich Tod und der Angst davor nicht zu begegnen?
Eine tiefe Verbundenheit mit dem, was mich umgibt, macht für mich diese Fragen weniger brennend, fast schon unwichtig. Ich bin eingebunden in einen größeren Bezug von Liebe, Leben und Entwicklung. Und ich bin Teil genau dessen bei meiner Partnerin, mal rot, mal grün, mal laut, mal leise, mal dicht, mal fern. Letztenendes habe ich mich entschieden, mit dieser einen Frau zu sein. Für mich geht es nicht, diese Paarintensität mit mehreren anderen Frauen zu leben, Tanaziel beschreibt das ganz handgreiflich und praktisch. Gleichzeitig ist diese Qualität in vielen anderen Beziehungen mit Frauen lebbar. Und käme dann noch eine sexuelle Komponente hinzu, stelle ich mir das als Poly vor. Bisher war das nicht der Fall. Und wird es einmal der Fall, kenne ich meine Show: Drama, Tragödie, Komödie, Weltuntergang, Weltumseglung. Dann Stille im Zentrum und der Weg in die Offenbarung: "Du, ich möchte mit Dir über etwas sprechen... "
Dafür wünsche ich mir Mut.
Nigromontan