Anders gemeint
Die These, dass jeder Samenverlust die männliche Lebenszeit verkürzt, geistert durch sämtliche Yoga-, Tantra und Tao-Lehren. In Indien gehört diese Furcht zu den häufigsten psychischen Problemen von Männern. Es gibt keinen Hinweis für die Richtigkeit dieser These. Vermutlich gilt dafür das, was für jede Organbetätigung gilt: Eine regelmässige, angemessene Beanspruchung ist gut, eine übermässige, einseitige Belastung ist schädlich.Hinter jedem Irrglauben steckt aber auch ein wahrer Kern und ich denke, dass David Deida, den ich im Übrigen ausserordentlich schätze, diesen gemeint hat.
Die hohe Kunst der tantrischen Sexualität für den Mann besteht aus der Trennung von Orgasmus und Ejakulation. Kommt beides zusammen, ist es wie ein Feuerwerk - wunderschön, aber danach ist es recht duster. Das ist für die Frau nicht immer so toll.
Ein Feuerwerk ist eine schöne Sache, aber seine ganze Energie in Feuerwerke zu stecken ist nicht unbedingt sinnvoll. Den "Einmal-Pro Monat-Tipp" von Deida finde ich da gar nicht so schlecht.
Es gibt orgasmusähnliche Zustände, die keinen oder nur wenig Energieverlust zur Folge haben, wie die Technik des Big Draw. Dadurch "kann" der Mann beliebig lange, was viele Frauen schätzen. Ein Grundidee des Tantra ist es auch, die entfachte Energie nicht im "normalen" Orgasmus verpuffen zu lassen, sondern zu bewahren und zu lenken.
Dass es möglich ist, den angestauten Samen wieder dem Körper zuzuführen, wie manche Tantra-Theorien lehren, kann ich allerdings nicht bestätigen. Es gibt allerdings ganz unspektakuläre Formen der Ejakulation, die nicht viel mit Orgasmus zu tun haben und kaum Energieverlust mit sich führen.
Ich habe mit meiner Partnerin mit dem geschilderten Weg beste Erfahrungen gemacht. In 30 Jahren Beziehung haben wir nie verhütet, die beiden Kinder wurden bewusst gezeugt und unsere Sexualität ist heute eher intensiver und vor allem bewusster als früher.
Das ist aber nur eine Möglichkeit, eine Erfahrung, die ich weitergeben möchte, aber keine Vorschrift im Stil "so und nicht anders". Jeder muss für sich selbst spüren, was richtig ist und seinen eigenen Weg gehen.
Ernst