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... daß Du, Arinji, hier eingeworfen hast:
Ich weiß nur daß es um das Lösen von Schutzblockaden im Körper und dem Geist geht, die wir uns seit früher Kindheit angeeignet haben. Diese sind nun so verfestigt das sie uns in unserem Wachstumsprozeß bremsen können.
Du formulierst da den Wunsch nach Wachstum und schreibst von Einschränkungen, die Du dazu vernimmst. Ich verstehe, daß Du diese Einschränkung loswerden willst und Du von Wegen hören möchtest, auf denen das möglich ist.
Meine Erfahrung dazu: Unser "Panzer", also unsere geistige Rüstung, ist ja in großer Weisheit von unserer Psyche installiert worden, um uns zu schützen. Um das, was in uns weich und verletzbar ist, lebendig zu erhalten. Bei mir war das offenes Vertrauen und Zugehen auf andere. Ich vergleiche diese Weisheit unserer Seele mit dem Entstehen von Hornhaut: Wenn ich im Früh- und Spätsommer die Wiesen mähe, wachsen mir nach und nach Schwielen an der Hand. Sie verhindern, daß ich Blasen bekomme. Übertreibe ich's, habe ich gleich Blasen und dann erst Schwielen. Sie sind also eine äußerst sinnvolle und nützliche Einrichtung und verlieren ihren Sinn im Rest des Jahres: im Büro.
Die Rüstung, die ich trage, um meinen verletzlichen Kern zu schützen, ist ebenfalls sinnvoll und manchmal lebensnotwendig. Es wäre gefährlich, sie abzulegen, ohne daß andere Instanzen diesen Schutz geben können: Dein bewußtes Selbst, eine verheilte Narbe, eine wunderbare Beziehung und tausend andere schöne Dinge.
Meine Frage an Dich lautet daher:
Was schützt sie in Dir?
Bist Du reif genug, dieses Empfindliche ohne Rüstung an die Sonne zu legen, sie dem Wind auszusetzen, den anderen Menschen um Dich?
Ist z.B. Dein bewußtes Selbst stark genug, diese Schutzfunktion zu übernehmen?
Diese Fragen zu beantworten ist harte Arbeit, die Dir von keinem "Weg" abgenommen wird. Ich denke auch oft, daß eine "Methode" es doch alles beschleunigen könnte. Vereinfachen. Und je brutaler, desto besser, radikaler und schneller. Ich höre und lese dann Dinge wie "aufbrechen", "einreißen", "wegschmelzen" von den Propagandisten. Das klingt martialisch und ist es auch, wenn Du danach keinen Schutz mehr hast. Vielleicht hängst Du dann einfach nur von anderen Dingen ab, bist aber nicht autonomer geworden.
In den tantrischen Wegen, die ich gegangen bin und gehe, hatte ich Gelegenheit, den Bereichen zu begegnen, die mein Panzer schützt: Ein ganz sanfte, sachte, leise Begegnung zunächst voller Vorsicht. Ich war dankbar, daß ich den Panzer hatte, denn er ließ mich die letzten vierzig Jahre überleben. Ich war gerührt von der Empfindsamkeit des kleinen Knaben, den er schützte. Ich habe nach und nach Verantwortung übernommen, diesen Knaben mit meinem bewußten Ich zu schützen, sollte er in seiner Lebendigkeit bedroht werden. Und es gibt Menschen, denen er nicht gefällt, denen er Angst macht und die bei Angst zuschlagen.
Ich habe mir so einen Bereich der Wahl erarbeitet: Ich kann den Panzer anlassen, wenn mich Kampf erwartet. Und ich kann ihn ablegen, wenn der Junge tanzen möchte. Diese Wahl vergrößert meine Macht: ich bin kein Automat mehr, der dem alten festgelegten Programm folgt. Ich kann wählen.
Im Tantra kam eine körperliche Komponente dazu, die Sexkraft. Es ist eine ganz wunderbare Erfahrung, gänzlich nackt, außen und innen, von drei lieben Menschen berührt zu werden. Heilung von Mißtrauen ganz tief in den Körper und die Seele hinein. Körperliche Erfahrung ist auf diesem Weg der Entpanzerung, den ich eher als ein Weg der Verlebendigung bezeichnen möchte, durch nichts zu ersetzen: Bioenergetik, Yoga etc...
Gleichzeitig ist die Begegnung mit Deinem Schatten wichtig: Körper und Geist. Was schütze ich? Warum? was wäre das Schlimmste, was passieren könnte? Wie kann ich das anders verhindern?
Mein Vorschlag: Entspanne Dich. Deine Wachstumsprozesse laufen Dir nicht davon. Alles wird schon, wenn es wird. Wertschätze, was Du jetzt schon bist. Erfahre Deinen Panzer als das, was Dich bis hierher gebracht hat und den Du vielleicht in manchen Situationen noch brauchst, um Dich zu schützen. Er kann auch wertvoll sein, jedenfalls ist er nichts, was zu verachten und "aufzuknacken" ist zugunsten des Wahren und Schönen. Auch er ist wahr. Auch er ist schön.
Betrete den Raum der Freiheit und der Wahl in ruhigen, langsamen Schritten. Kein Guru kann Dir sagen, was für Dich dran ist. Keine Gruppe, kein Schamane, keine Religion. Nur Dein Herz (Safi Nidiaye ist sehr lesenswert...).
Von daher: Gehe nicht mit der Brechstange oder dem Dosenöffner an Deinen Panzer. Es hat seinen Sinn, daß Du ihn hast. Gehe in eine Gruppe, die diesen Raum der Begegnung mit Dir selbst in einer Atmosphäre der Sicherheit fördert. Und siehe, was Du im Kern für ein warmes, weiches, lebendiges, lustiges, neugieriges Wesen bist und wie Du das nach und nach bewußt schützen und laufen lassen kannst: Dein inneres Kind.
Lache. Weine. Wachse. In Deinem eigenen Tempo.
Nigromontan