Leiblichkeit begreifen statt Energieobskurantismus pflegen
Hallo,
Vasektomie im Kontext des „Energiekreislaufs“ ist meines Wissen nach noch nicht ganz geklärt. Die meiste auch durch westliche Medizin unterstützte Forschung unternahm bisher Mantak Chia.
CHIA Mantak & Maneewan (1984): „Taoist Secrets of Love – Cultivating Male Sexual Energy“, New York: Aurora Press.
Seit 84 ist nicht nur viel Zeit vergangen, sondern es wurden auch weitere Bücher veröffentlicht.
Die offizielle Seite des „Healing Tao“ kann Dir vielleicht weiterhelfen.
-Achtung, reine Informations- und KEINE Werbeabsicht-
Tantra ist ein Nichtduales Konzept. Damit ist die Trennung in Materie und Energie bereits als Ausgangslage ein Kategorienfehler.
Ferner sind Materie und Energie physikalische Konzepte, die ohnehin im Zeitalter der Quantenmechanik und Relativitätstheorie aufgeweicht sind.
Vielfach wenn von Energie und Materie Dualismus gesprochen wird, verstehen die Benutzer eher die rigide Newtonsche Mechanik dahinter.
Zudem können diese strikt naturwissenschaftlichen Konzepte nicht über ein traditionelles Konzept das sich von 2 Jahrhundert CE bis zur Gegenwart entwickelt hat einfach drüber gestülpt werden. Wenn man es tut, gleitet man in das typische Spektrum spekulierender Esoteriker ab.
Es gibt jedoch eine Möglichkeit zur Überbrückung, die eine Diskussion dennoch möglich machen. Im Fall des Tantra liegt der Vorteil insofern auf der Hand, dass in Indien Nichts einfach eigenständig irgendwo vorliegt, sondern immer in das Gesamtsystem eingebettet ist.
Ayurveda bringt hier mit der ‚dhatu’lehre eine Möglichkeit zur zufriedenstellenden Erklärung. Dhatu heißt zunächst mal nur neutral (Grund-)Gewebe und folgt einer Hierarchie von sieben Stufen(1) – ‚rasa‘ == Plasma steht ganz unten und ‚shukra‘ == Samen ganz oben. Dazwischen werden die unterschiedlichen dhatus zur Bildung unterschiedlichen Gewebes (z.B. Blut, Muskel, Knochen, Organe...) durch den Körper genutzt.
In den sehr strikten Yoga oder Tao Interpretationen gilt die Entsprechung von 1 Tropfen Samen == 60-100 Tropfen Blut.
Was auch erklärt, warum, bezogen auf diese Denkweise, dem Samen so eine enorme Bedeutung zugemessen wird.
Allgemein im medizinischen Kontext benötigt der Körper bis zu 2 Tagen um eine Ejakulation komplett zu regenerieren.
Sowohl den Tantrikern als auch den Taoisten galt der Verlust als auch die Verschwendung von Samen als Gräuel, weil es zur massiven Schwächung des Körpers führte.
Ob man das so anerkennen will, sei freigestellt.
Die Elimination von shukra durch Ejakulation führt im Regelfall zum Verlust von ‚ojas‘ == Lebenssaft – das ist je nach Lesart das höchste dhatu sei und wenn überhaupt, dann könnte hier ein energetischer Aspekt im Sinne von Lebenskraft verstanden werden.
Darum enthalten ayurvedische Präparate auch immer entweder ojas oder die Bestandteile zur Bildung dessen.
Ferner wird unterschieden - der Samen besteht aus Milch == die Spermien und Wasser == Träger-sekret (siehe bei Chia, Buch oben angeführt).
Mittlerweile ist der menschliche Samen sehr gut untersucht und gilt als jenseits jeder esoterischen oder okkulten Spekulation schlichtweg als das Beste was der Körper insgesamt herstellen kann.
Der Verlust kostet den Körper Aufwand und die wertvollen Bestandteile kommen nicht dem übrigen Körperteilen zugute. Das ist lediglich eine Erklärung, die Gültigkeit hingegen stellt eine Glaubensfrage dar.
Inwieweit man da so akzeptieren will und kann sei mal dahingestellt und soll vor allem nicht in die Idiotie der katholischen Interpretation führen: Onanie, also Onans Sünde führe zum Verlust von Gehirn und Rückenmark. – Das würden wohl sehr puristische Tantriker und Taoisten auch behaupten aber wie gesagt es ist eine extreme Position.
Vasektomie führt zur Trennung von Milch und Wasser, damit im Falle der Ejakulation, geht lediglich das Wasser verloren. Die Bestandteile der Spermien werden nach einer gewissen Zeit wieder vom Körper abgebaut und anderweitig verwendet.
Viele Männer berichten insbesondere durch den nicht mehr Verlust an Milch, dass sie sich, sofern regelmäßige Sexualität inklusive Ejakulation vorliegt, vitaler fühlen.
Das soll keine Werbung für Vasektomie sein.
Exkurs Energiemodelle
Gleichwohl tantrisches Gedankengut oder damit verbundene Konzepte in Indien, Tibet und China (wohl auch im jap. ZEN) ihren Niederschlag fanden – sind die jeweiligen Energiemodelle verschieden. Zwar sind Ähnlichkeiten gegeben, aber dennoch kann nicht von einem auf das andere geschlossen werden. Vielmehr ist es sinnvoll ein jedes für sich zu betrachten, was auch für die Theorie und Praxis dahinter gilt.
Je nachdem wie stickt man an ein Modell rangeht, lassen sich daraus eine bestimmte Position und die dazugehörige Interpretation begründen.
Moderate Universalthese:
Vasektomie verhindert den Verlust der Spermien.
Die Funktion der Hoden wird damit nicht beeinträchtigt.
Laut dem Sexual Tao stellen die Hoden die Quelle für die sexuelle Kraft dar, die durch in der taoistischen Alchemie direkt in Lebenskraft umgewandelt werden kann.
Demnach ist die Funktion der Hoden von relevanter Bedeutung.
Die Kanäle sind keinesfalls das einzige Medium, durch das Lebenskraft seinen Weg findet. Vielmehr gibt es immer wieder Mittel und Wege der Umleitung.
In dem Zusammanhang ist eine Vasektomie vielleicht anfänglich ein Hindernis, das aber auf Dauer wieder in das Gesamtsystem der vitalen Ströme integriert wird.
Darüber hinaus und das wurde bereits vereinzelt erwähnt, liegt ein weiteres Problem darin, dass der konzeptuelle Hintergrund von ‚prana‘ oder ‚chi’i‘ ziemlich weitgefasst ist und damit eine Vielzahl von Phänomenen zusammenhängen.
Fakt ist unabhängig wie die Phänomene auch immer genannt oder beschreiben werden, der Leib ist der Ort des Geschehens, was nur heißen soll jedes Phänomen wird auch irgendwie irgendwo leiblich erlebt d.h. Druck, Pulsieren Temperaturanstieg, Tonus, Kribbeln... etc.
Der Energiebegriff wurde letztlich zur Vereinheitlichung gewählt, um eben auf Wörter wie Lebenskraft oder verwandte verzichten zu können.
Durch die Vereinheitlichung ist zwar die Beschreibung einfacher geworden, dagegen werden so aber viele Phänomene unverständlich.
Im eigenen Interesse - ist Vorsicht mit der gesamten Energiemodel Konzeption zu wahren und auch mit dem Abdriften in den Obskurantismus der Psychosomatik.
(1) RHYNER, Hans, H (1992): „Gesund, jung und lebensfroh durch Ayurveda – das sanfte medizinische Konzept“, München; Wien; Zürich: BLV Verlagsgesellschaft mbH – S. 36-40