Aufklärung – Legenden und Fakten
Ein neuer Tag, ein neuer Beitrag und in gewohnter Weise wird munter spekuliert.
„Die Blinden Frauen/Männer und der Elefant“ (siehe komplette Geschichte plus Erklärung in der dt. Wiki) – sind wieder mal in der Nacht versammelt und dozieren vor sich hin, was es ist oder nicht, ohne den Elefanten zu sehen.
Beginnend damit, dass esoterisch zunächst mal ein altgriechischer Begriff ist und mit den Mysterienkulten des antiken Griechenland verknüpft ist. Darin gab es, wies schon erwähnt wurde Personen, die zum inneren oder äußeren Schüler- bzw. Praktizierenden Kreis zählten. Dabei war die eigene Position vielfach davon abhängig, welche Rolle man in der Gesellschaft einnahm und über welch ein Vermögen man verfügte.
Das ausgeprägt elitäre Element war allen voran eine Vermögensfrage und weniger tatsächliche Kompetenz.
Der Grund ist denkbar einfach, man wollte sich vom Pöbel distanzieren.
Esoterik ist heutzutage vor allem ein Sammelbegriff, ähnlich wie Spiritualität und beschreibt insbesondere einen Markt auf dem Bücher, Musik und vor allem Dienstleistungen feilgeboten werden.
Rund um die Welt werden aus allerlei Traditionen, ferner aus der Psychotherapie, Natur- und alternativer Medizin, Lifestyle und was nicht sonst noch alles in einen Sack geworfen dann verrührt/geschüttelt und anschließend entsprechend der Nachfrage serviert
Abgesehen von der lexikalischen Bedeutung, dem ursprünglichen Kontext, ist Esoterik oder wenn etwas esoterisch ist, sehr weit konnotiert. Sowohl die Übernahme als auch der Versuch einer 1:1 Übersetzung ist oftmals eine Interpretation und damit zumindest problematisch.
Insofern, wenn tantra oder tantrische Traditionen mit irgendwas angereichert werden, dann kann die Rede von
zu esoterisch mehr als zutreffend sein.
Bis heute gilt in Indien, bis auf wenige Traditionen das Schüler Meister Verhältnis. Selbst dort ist oftmals ausschlaggebend über welche finanziellen Mittel der Schüler verfügt.
Ferner ist jeder Guru immer nur ein Guru in einer bestimmten Tradition bzw. Übertragungslinie (siehe näher unter Sanskrit paramparā und sampradāya), die er selber fortführt und in die er auch seine Schüler nach seinem Tod weiterführen.
Obwohl allgemein gesprochen im Hinduismus - Synkretismus weitverbreitet ist und in der Tat außerordentliche Flexibilität besteht, sollte es nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Jede Tradition ist darum etwas anders und legt an der einen oder anderen Stelle eine unterschiedliche Gewichtung. Darüber hinaus sind nicht selten Bezüge oder auch Verwandtschaft zu anderen ähnlichen Traditionen nicht selten.
Selbst innerhalb einer einzelnen Tradition können erhebliche Unterschiede auftauchen z.B. shakta tantra – ein shakta ist eine Verehrer der śakti, was die weibliche Emanation oder der weibliche Aspekt einer Gottheit ist. Die Tradition des shakta tantra spaltet sich ihrerseits in drei Varianten auf: dakshinacara (rechts, orthodoxes Einhalten von relig. Tabus und Geboten) – vāmāchāra (links, bewusster Bruch von Tabus, Übertretung religiöser Gebote z.B. Konsum von Fleisch (Sanskrit _ māṃsa) und kaulacara (Sankrit kaula/kula _ Familie, Sippe oder auch Clan).
Innerhalb der 90er Jahre und auch schon früher, wurde viel spekulative Literatur zum vāmāchāra, gern die Rede auch von vāmāmarga – dem sogenannten left-hand-path, abgekürzt LHP verfasst.
Die überwiegende Mehrzahl dieser Bücher stammt von Autoren die im okkulten Lager mehr oder minder prominent sind. Vielfach werden darin krude und überkommene Theorien aufgefrischt wie z.B. die Wirkungsweise der linken und rechten Gehirnhemisphäre.
Die meisten dieser Autoren sind Teil eines Cargo-Kults, was nur heißen soll, sie führen etwas auf, was sie selbst nicht in der ursprünglichen Art und Weise erworben haben bzw. kennen, vielmehr setzen sie eine spekulative westliche Tradition fort. Mittlerweile ist LHP längst ein Buzzword.
Einen weiteren wichtigen Punkt bzw. Funktion, nimmt die Kultivierung des Obskurantismus ein, wenn von verborgen, geheimnisvoll oder was auch immer an pseudoelitären Bullshit verzapft oder darüber brühwarm doziert wird.
Der Hintergrund des ganzen ist deutlich weniger reißerisch.
Aufklärung ist eine fast ausschließlich westliche Errungenschaft. Vielerleiorts ist ein magisches Weltbild, in dem Götter, Dämonen, Segen oder Flüche und sonstige allerlei denkbaren Formen des Aberglaubens an der Tagesordnung. In dem Sinne stellt es dort den allgemein akzeptierten Konsens dar, wie die Welt, Realität beschaffen ist.
In Indien ist dies noch größtenteils der Fall. Insofern versteht man dort vielfach unter tantra vor allem Magie, was als Anwendung sich in Verfluchen/Segnen oder auch Geisteraustreiben niederschlägt.
Ganze Familien leben bereits seit vielen Generationen innerhalb dieses Geschäftszweiges, denn genau das ist es und es wird nicht wenig Geld damit verdient.
Seit Jahren schon kämpft die atheistische Gesellschaft Indiens gegen allerlei Machenschaften, wo fehlende Bildung und Aberglauben, Betrügern den Lebensunterhalt sichert.
Sexualität ist ein weiter Punkt, der im Herkunftsland des tantra heutzutage gänzlich anders gehandhabt wird als zum Zeitpunkt der Blüte des tantra. Die Position der Frau war darin sehr schlecht bestellt und daran gebunden, zwecks spirituellen Fortschritt bzw. Möglichkeit dazu, im nächsten leben in einem männlichen Körper zu inkarnieren. In einigen tantrischen Traditionen vor allem in śāktaṃ (shakta tantra oder allgemein shaktismus) wurde das traditionelle Geschlechterverhältnis umgedreht, weshalb Frauen darin oftmals sehr prominente Rollen und Funktionen zukamen.
Zwar gibt es noch bis heute Tempel mit expliziten maithuna (Sanskrit _ Geschlechtsakt) Reliefs und anderweitigen solchen Darstellungen, doch die heutige moderne indische Gesellschaft ist größtenteils hochgradig prüde. Außerdem herrscht dort ebenfalls auf hinduistischer Seite ausgeprägte Geschlechtertrennung, weshalb, insbesondere in ländlichen Regionen, Sexualität vor der Ehe reichlich problembeladen ist.
Frauen hatten/haben als Jungfrauen in die Ehe einzugehen, eine Forderung die voreheliche Sexualkontakte ausschließt. Es überrascht nicht, dass die Mehrzahl der männlichen Inder ihre ersten Sexualerfahrungen mit Prostituierten oder hijras (drittes Geschlecht) machen. Nicht selten, weil tabuisiert erfolgt aus der Notheterosexualität auch behelfsmäßiges homosexuelles Treiben.
Junge Inder sieht man oft genug aus westlicher Sicht homosexuelle Verhaltensweisen praktizieren z.B. enge Körperkontakte, eingehakt oder Hand in Hand miteinander gehen. Derlei ist die natürliche Folge der Geschlechtertrennung, was vor allem mit dem Phänomen nicht vertraute Personen überrascht, zumal darüber auch nicht gesprochen wird. Letzteres ist aber genau das, was das Tabu als solches ausmacht.
In dem Sinne war Chandra Mohan Jain (OSHO) wie für indische Verhältnisse geradezu ein extremer Revoluzzer, da er sich über eine Vielzahl von Konventionen und Tabus hinwegsetzte.
Fazit:
Wenn man sich weder mit den Sprachen wie Sanskrit oder Pali beschäftigt fällt es schwer an die Quellentexte ranzugehen. Ferner verlangen wiederum die Quellen Kenntnisse in dem Bereich der indischen Philosophie, da man andernfalls von den Begriffen und ihrer Verwendung erschlagen wird. Damit ist die Auseinandersetzung mit Tradition und der Praxis darin kein Luxus, keine Spekulation sondern schlichtweg eine Frage des Verständnisses.
Wer auf all das verzichtet und sich ausschließlich an den ganzen
westlichen Sekundärliteratur oder an wanna be Gurus hält, ist am Ende genau da wo auch diese sind - irgendwo im Gimpel-Universum der Esoterik.