KI - 21.10.2018
Ein richtig gut gemachter Tatort, hat mir sehr gefallen. Batic und Leitmeyr voll auf der Höhe und dem Thema zugewandt. Ein Schwachpunkt aber war der gehbehinderte bayrische Systemanalytiker, der nervig überreagierte und sich vom Dach stürzte. Hier hatte Batic seinen Kollegen völlig zu Recht scharf kritisiert.
In die Dramaturgie passte es natürlich, denn somit standen die Ermittler wieder bei Null.
Gelungen fand ich, dass die Regie der Synchronstimme Batics mehr Bass eingespielt hatte, das machte den Mann irgendwie cooler. Auch Leitmeyr kam in der Sendung sehr gut rüber, wie er 'Maria' ziemlich schnell gecheckt hatte, um was es da geht und was für Möglichkeiten sie einem auch bietet. Auf die naheliegenste war er aber dann doch nicht gekommen. Nämlich der, dass 'Maria' ihm einen Livemitschnitt ihres anderen Gesprächs mit dem Vater des toten Mädchens auf den Laptop schickt. Eine Konferenzschaltung legt. Denn andersherum klappte es ja auch.
Einzig der Part, als der Entwickler von 'Maria' seinen Probanden Augentropfen gegeben hatte, um somit an kinästhettische Informationen zu kommen, erschloss sich mir nicht so ganz. Vor allem nicht, wer sich für soetwas hergibt? Ähnliches hatten die Entwickler des Masterprogramms, das dann später kopiert worden war - und das trotz zehnstelligen Passwortes - (hier erfolgte mir die Erklärung des Entwicklers und seiner neunmalklugen Freundin viel zu schnell.) Gelungen fand ich aber dessen Kooperationsbereitschaft. Hier stellen sich in den anderen Tatortfolgen zu diesem Thema die Entwickler zumeist quer. Dennoch gingen mir als Sonntagabend-Fernsehzuschauer und 'normalen' Rechnernutzer, diese Technikfragen viel zu schnell über den Bildschirm und nicht wirklich nachvollziehbar.
Bedrückend allerdings, dass der Manipulation anscheinend Tür und Tor geöffnet ist, was unterschwellig offensichtlich ja schon lange der Fall ist, wenn wir uns die Möglichkeiten des virtuellen Datensammelns anschauen.
So wurde der Sexualstraftäter zum Opfer, weil die 20-jährige Kollegin des Erfinders 'Maria' mit Bildinformationen gefüttert hatte, und den Mann somit als Täter an den Pranger stellte. Ein sehr gelungenes, mahnendes Beispiel für Vorverurteilung und Stigmatisierung.
Das Mädel war mir aber viel zu sehr überzeichnet, auch wenn sie selbst vermutlich eine Hochintelligente war, Abi mit 15, saß sie völlig zu Recht am Ende als Mittäterin im Streifenwagen.
Einzig der Kriminalassistent muss noch lernen, dass man keine Emailanhänge ungeprüft öffnet. Hier wäre ein deutlicher Rüffel sehr angebracht gewesen, auch als Warnung für die Fernsehzuschauer, mit welchen Tricks sich professionelle Hacker auf die Rechner einloggen, und wie man es verhindern kann.
Trotz aller Computertechnik war dieser Tatort auch ausgeprochen menschlich, und das gefiel mir an dieser Folge sehr. Wesentlich mehr, als in den anderen Folgen, die das Thema KI schon behandelt hatten.
Überhaupt, es hatten ungewöhnlich viele Personen Tatmotive. Nicht zuletzt die enttäuschte Mutter, die mir insgesamt aber viel zu blass und nervig geblieben war. Auch ihr verzweifelter Versuch, wieder Nähe und Lust zum Exmann aufzubauen ging ja gründlich schief im Hausflur.
Selbstjustiz aus Rache ('Was hast du getan? Er war es nicht!') geht natürlich gar nicht. Dennoch sehr erfrischend und befriedigend, dass jeder einzelne Charakter dieser Folge bis zum Schluss weiterverfolgt und gestellt und überführt wurde. Solch konsequenten Abschluss bekommen wir nur selten serviert. Mir gefällts. Auch wenn 'Maria ist frei' das letzte Credo der Sendung war, als deutliches Zeichen, dass Apple, Android und wer noch alles, fleißig an ihren Sprachprogrammen basteln, dass (sich selbsteinstellende) Laptop- und Bildschirmkameras mitsehen, beabachten, kontrollieren, spionieren, und Handyaudiokanäle mithören, schon lange kein beängstigendes Zukunftsszenario mehr sind.
Im Endeffekt hatte die Münchner Richterin haargenau richtig entschieden und die Zulassung als Beweismittel abgelehnt.