Keine leichte Kost - beste Unterhaltung
Ich mag den Rostocker Polizeiruf. Ich mag die lakonische, taffe, tapsige und gleichzeitig verletzbare Art von Burow (Charlie Hübner). Ich mag die mindestens genauso verletzbare Art von König (Anneke Kim Sarnau). Ich mag die Art des Storytellings über alle Rostocker 110-Folgen hinweg.
Und ich mag, dass die Beiden zusammengefunden haben… auch wenn es ein sehr besonderes „zusammen“ ist und aufgrund seiner Fragilität (König hat es ausgesprochen, dass sie sich für nicht beziehungstauglich hält) sicher noch einigen Stoff für die nächsten Folgen hergibt.
Das mal vorweg, um zu demonstrieren, dass ich nicht ganz unvoreingenommen bei meiner Bewertung bin ;-).
Auch mich hat die gestrige Folge „Sabine“ sehr stark an den Hollywood-Blockbuster „Falling down“ mit Micheal Douglas erinnert. Auch dort tickt der Protagonist „D-fens“-Forster unter Stress zusammen und wird zum amoklaufenden Rächer.
Doch nicht nur die Tatsache, dass im Polizeiruf eine Frau im Mittelpunkt steht, unterscheidet „Sabine“ von „Falling Down“. Vielmehr deckt die Handlung nach und nach das auf, was Sabine Brenner (in der Tat extrem stark gespielt von Luise Heyer) zur Mörderin werden lässt und zieht den Zuschauer Stück für Stück auf ihre Seite… einfach deshalb, weil man unweigerlich vollstes Verständnis für Sabine entwickelt, mit ihr leidet und mit ihr die Wut und den Zorn gegen die Menschen, die ihr unrecht tun und sie verletzen, fühlt.
Allein das ist ausgesprochen clever inszeniert, denn die Macher des Polizeiruf erzeugen bei Zuschauer eine permanente Ambivalenz zwischen mitleiden, mitfühlen und Verständnis haben auf der einen Seite und schlechtes Gewissen und Unrechtsbewusstsein über die Taten auf der anderen Seite. Und die Grenzen hier verschwimmen, je weiter die Handlung auf ihr unausweichliches Finale zusteuert.
Erst ein bisschen im Nebensatz „Der Mann hinterlässt eine Frau und drei kleine Kinder“ bei dem Opfer vom Spielplatz. Bis dann am Ende das Verständnis für Sabine vollends kippt, weil sie auf einen Guten schießt und nur noch ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
Das ist wirklich hochspannend in Szene gesetzt und bis in die letzte Nebenfigur und die vermeintlich unwichtigste Nebenhandlung exzellent ausgemalt. Sei es die verprügelte Frau, die herzerweichend um ihren brutalen Mann weint. Sei es die kleine Tatzeugin, die Sabine zur nächsten Tat animiert. Sei es das Geplänkel um „Pöschi“, der mir immer mehr ans Herz wächst oder die Herzprobleme des Ermittlungsleiters.
Ich bin eigentlich kein Freund davon, wenn zu viele Nebenhandlungen den eigentlichen Fall verwässern und ein Tatort oder Polizeiruf vollkommen überfrachtet wirkt. Aber hier hatte alles Hand und Fuß und obwohl mit Bukows Halbschwester und der Liebesgeschichte mit König wirklich bedeutsame Nebenstränge viel Raum eingeräumt bekommen haben, hat es für mich perfekt gepasst.
„Sabine“ ist für mich eine Polizeiruf-Folge, die spannend, kurzweilig und hochinteressant war. Und es war eine Folge, die von der Story her nachwirkt.