Kathrin, eben wegen deiner enormen Kraft und Ehrlichkeit schrieb ich dir meine Worte. Meine Beiträge mögen zwar ein wenig pessimistisch klingen, aber ich berichte aus 15 Jahren Erfahrung, Erfahrungen meiner selbst, und Erfahrungen, welche ich von anderen an den Stammtischen wahrgenommen habe.
Aber ich möchte auch keineswegs entmutigen, im Gegenteil. Ich könnte mir ja auch sagen, okay ich kenne meine Erfahrungen, ich lebe mein Leben, das einer Frau, was geht mich noch die Trans*-Szene an.
Aber eben aus meinen Erfahrungen weiß ich selbst auch, wie schwer der Weg an sich ist. Und so versuche ich gerne, Ratschläge zu geben, im Bewusstsein, dass diese nicht für alle Situationen geeignet sind. Andererseits aber auch versuche ich, die Fallstricke aufzuzeigen.
Deine enorme Kraft und Ehrlichkeit zu deiner Frau, Kathrin, das ist einer dieser Fallstricke, die da lauern können. Das wünsche ich dir aber keinesfalls, im Gegenteil, ich wünsche dir von Herzen, dass dein Leben in ordentlichen Bahnen für euch beide verläuft.
Hast du bemerkt, Kathrin? Ich habe von "euch" geschrieben. Denn deine Kraft kann noch so stark sein, sollte dein Weg noch nicht zu Ende sein, kann es ungemütlich werden. Denn eine Beziehung, sei sie noch so ehrlich und voller Energie sein, lebt auch von Vertrauen und durch Kompromisse.
Aus eigener Erfahrung sage ich dir, Kathrin, wenn dein Weg noch nicht zu Ende sein sollte, dann bist du an einem Punkt, an dem lässt dein Leben für eine intakte Beziehung nicht mehr viele Kompromisse zu. Denn dann kannst du nicht mehr anders, du musst deinen Weg gehen.
Nun, ich kenne ein Paar, bei denen war es unproblematisch. Sie hat das alles mit der Angleichung begriffen und eingesehen, und sie hielt zu ihrer Partnerin.
Andererseits durfte ich vor Jahren mal ein Paar kennenlernen, sie kommen sogar ganz aus meiner Nähe, da fand sie durch Zufall heraus, wie ihr Gatte unterwegs ist, wenn er sich abseilt. Gut, sie hat sich mit dem Thema auseinander gesetzt, hat nach Informationen gesucht, aber nach mehreren Gesprächen mit ihr, wusste ich auch, sie hatte große Ängste, wie weit das geht. Hormone? Wie sieht dann das Sex-Leben aus, denn nach ihrer Aussage hatten sie guten und häufig Sex. OP? Auf keinen Fall, sie hat einen Mann geheiratet.
Wie war es bei mir? Meine Ex hatte keine Ängste, sie hatte sich ebenso umfangreich über die TS-Thematik informiert. Meine Ex, in Dingen, wo solche einschneidende Entscheidungen anstehen, da hatte sie wenig Selbstbewusstsein. Aber irgendwie liebte ich sie, aber auf eine andere Art. Mehr wie eine gute Freundin.
Und ich spürte, sie wollte einen Mann. So kam ich zu der Einsicht, dass ich nur das Beste für sie will. Für eine Beziehung komme ich dann für sie nicht mehr in Frage. So beschloss ich, ihr freiwillig ihre Freiheit wieder zu geben, damit sie in Ruhe einen Partner finden konnte. Den hat sie nun auch und ist glücklich, und wir konnten gute Freundinnen werden, trotz aller Schwere.
Nochmal, Kathrin, ich möchte dir nichts Schlechtes, beileibe nicht. Aber ich möchte dir mögliche Szenarien für alle Fälle aufzeigen. Solltest du irgendwann Fragen dazu haben, oder jemanden brauchen, der mit dir redet, scheue dich nicht, mich zu kontaktieren. Bleibt zu hoffen, dass es für dich so weiter gehen, wie es jetzt geht.
LG
Jeanny