Hallo ev_1
Ich verfolge diesen Thread seit seinem bestehen und habe mir immer überlegt, ob ich etwas dazu schreiben soll oder nicht, weil dass, was ich dazu schreiben kann, sicherlich nicht das ist, was Du gern lesen möchtest.
Es gibt natürlich bei Transsexuellen verschiedenste Facetten. Es ist eben alles sehr individuell. Und es gibt auch Beispiele dafür, dass Transfrauen mit ihren Partnerinnen, die sie bereits vorher hatten, weiter in Partnerschaft bzw. Ehe leben.
Das Problem ist nur, dass niemand vorher sagen kann, wo er/sie am Ende stehen wird. Ich sage da immer, den Weg zu gehen, ist wie ein Flug zum Mond mit halb vollem Tank. Ich weiß also nicht, ob ich ankomme und ich komme mit Sicherheit nie wieder zurück.
Die Hormonbehandlung bedeutet, nach meiner Erfahrung, eine tiefgreifende Veränderung. Den Anfang macht das unmittelbare emotionale Empfingen, die Gefühlswelt verändert sich. Und das zieht dann nach sich, dass Dinge um einen herum auch anders bewertet werden, was eben zu einer anderen Art des Denkens führt. Und somit verändert sich auch der betroffene Mensch. Aber es sind nicht nur die Hormone. Auch das Erleben einer völlig neuen sozialen Umgebung erzeugt ein neues Denken. Es ist schon etwas anderes, wenn Du als Frau nachts an der Straßenbahnhaltestelle plötzlich von einem etwas reiferen Herrn in gewissem Abstand ständig umrundet wirst. Oder der Müllfahrer, wenn Du früh zur Arbeit gehst, mit offenem Mund neben seiner Mülltonne steht und Dich anstarrt.
Aber auch das von Dir angesprochene Rollenverhältnis ist ein schwieriges Thema. Im Normalfall ist die Frau fürs kochen und wäschewaschen und der Mann fürs autoputzen und sonstige handwerkliche Dinge zuständig. Aber was tun, wenn die Neue ihre alten Aufgaben nicht mehr machen möchte und lieber das tun will, was die Alte schon immer tut und diese mit dem Rollentausch nicht einverstanden ist? Ich kenne eine Transfrau, die in ihrer Ehe verblieben ist (mit drei Kindern). Zu Hause ist sie dann eben Papa und Ehemann. Aber sie ist in Ihrer Rolle als Frau bisher nicht angekommen. In ihrem ganzen Habitus und Auftreten ist sie für mich noch immer ein Mann, auch wenn sie mit dem gesamten Programm (Hormone, Namenswechsel, OP etc. ) durch ist. Entschuldige bitte, aber ich betrachte die Dinge natürlich aus Sicht einer Transfrau.
Eine Hormonumstellung hat natürlich auch Auswirkungen auf das Sexualleben. Ob nun mit oder ohne Testosteronblocker, irgendwann ist das männliche Genital nicht mehr in seiner ursprünglichen Art zu gebrauchen. Du hast dann so ein Mischwesen vor Dir - weiblicher Oberkörper - männliches Genital - ständig Impotent. Und da braucht es noch nicht mal eine OP.
Und ich glaube, dass jede, die eine gewisse Zeit der Hormonumstellung hinter sich hat, auch die OP will. Du wirst Dich sicherlich fragen, warum ich mir da so sicher bin. Ganz einfach. Ich unterstelle mal, dass die Transfrau auch wirklich, und in allen Bereichen, als Frau leben will. Also genau so wie Du. Und nun versuch Dir mal vorzustellen, Du hättest plötzlich eine Penis zwischen den Beinen. Würdest Du so im Sommer an einen öffentlichen Strand gehen, wenn das Ding weder in einen Bikini noch in einen Badeanzug passt? Oder wie willst Du eventuell im Winter mal eine Sauna besuchen mit diesem Ding zwischen den Beinen, und alle Dich anglotzen? Oder mal einen schönen figurbetonenden Rock anziehen, wenn da ständig eine Beule an einer Stelle ist, wo keine hingehört? Und all diese Dinge haben erst mal noch gar nichts mit der sexuellen Orientierung der Transfrau zu tun.
Ok, es gibt sicherlich auch welche, die ohne OP auskommen. Aber nach meinen Erfahrungen ist das ein recht kleiner Prozentsatz. Und dann haben diese zumeist ein Problem mit Krankenhäusern oder allgemeine OP-Angst.
Das alles bezieht sich jetzt natürlich auf Transfrauen, die nicht nur eine weibliche Seite haben, sondern komplett als Frau leben bzw. leben wollen. Bei Menschen, die beide Seiten in sich empfinden und auch beide Seiten leben wollen, sieht es mit Sicherleit völlig anders aus. Jedoch stellt sich bei denen die Frage nach Hormonen und OP im allgemeinen nicht, da dies die Aufgabe ihrer männlichen Seite bedeuten würde.
Liebe Grüße
Claudia