Marcel Reich Ranicki for President!
Am Donnerstag, den 9.10. war Thomas Gottschalk zu Gast bei Schmidt und Pocher. Hier verkündete er, dass ihm schon die Muffe ginge, immerhin müsse er am Wochenende den Deutschen Fernsehpreis moderieren. Voller Stolz berichtete er von seiner langjährigen Bekanntschaft mit Marcel Reich Ranicki, dem Mann, dem er am folgenden Wochenende den Preis für sein Lebenswerk übergeben sollte. Mit Herrn Ranicki telefoniert habe er, eine Laudatio vorbereitet und dennoch sei ihm nicht so wohl, sehe man als Moderator des Fernsehpreises doch allgemein eher schlecht aus. Was dann aber wirklich passierte, konnte Thommy freilich nicht ahnen.„Ich nehme diesen Preis nicht an“, polterte Marcel Reich Ranicki wutentbrannt und wetterte die Preisverleihung in Grund und Boden. Grenzdebile Köche, witzlose und dämliche Laudatios und sinnentleerte Preisträger in den verschiedensten Kategorien. Marcel Reich Ranicki deckte in einem Rundumschlag auf, was unsere Gruppe schon lange weiß: Das deutsche Qualitätsfernsehen ist von Qualität ungefähr so weit entfernt wie die Gewinner von Deutschland sucht den Superstar von einer Weltkarriere oder die Supermodels von Germanys Next Top Model von den wichtigen Catwalks dieser Welt.
Gut, die Bild deckte in ihrer gewohnt hochinvestigativen Manier diverse Ungereimtheiten in der Sendung auf. So wurden besonders miese Passagen der Show vor der Fernsehausstrahlung herausgeschnitten, so dass das TV Publikum bei Ranickis Wutanfall teilweise glauben musste, der große Mann der Literaturwelt sei geistig umnachtet, als er von Sendungselementen berichtete, die man gar nicht gesehen hatte. Auch sei Herr Ranicki geladen gewesen, weil er Ewigkeiten auf seinen Auftritt warten musste und immer weiter vertröstet wurde ... doch jetzt mal ganz ehrlich Bild: Wen juckt das?
Marcel Reich Ranicki hatte Recht! Egal ob er angepisst war, weil der Stuhl im verlängerten Rücken drückte. Das deutsche Fernsehen ist ein Ausbund an Fantasielosigkeit, das sich selbst konsequent in Grund und Boden wirtschaftet und sich irrigerweise immer wieder selbst einredet, die Qualität des derzeitigen Fernsehprogrammes habe ausschließlich damit zu tun, dass das Publikum nichts anderes sehen möchte oder nichts anderes akzeptieren würde. Eher müsste man sagen, dass die Leute eben genau jenes Programm verdient haben, weil sie jeden Mist kritiklos hinnehmen.
Wie akut die Lage ist, zeigt ja die dümmliche Preisverleihung selbst (im Übrigen von einem TV Flaggschiff ausgerichtet, dass dank Grundversorgungsgebotes eigentlich die Qualitätsfahne schwenken müsste: Das gebührenfinanzierte ZDF!), die Elke Heidenreich in einem FAZ Artikel sehr treffend als: „armselige und grottendumme Veranstaltung“ bezeichnete. Applaus ... doch sie findet noch treffendere Worte zum Fernsehprogramm selbst: „Wie jämmerlich unser Fernsehen ist, wie arm, wie verblödet, wie kulturlos, wie lächerlich.“
Aber genau diese Dummheit und Jämmerlichkeit ist es auch, die uns diese Gruppe ins Leben rufen ließ. Und darum sind WIR hier dankbar für diese Art Fernsehen, auch wenn es schöner wäre, wir hätten eine Gruppe namens "We love TV" ins Leben rufen können. Zumindest ernennen wir Herrn Ranicki und Frau Heidenreich schon mal zu Ehrenmitgliedern unserer Gruppe ... oder auch zu Legenden, zu denen wir aufschauen können ...
In diesem Sinne:
freeman