CSI: Miami
CSI MiamiEine Straße in Miami. Kinder spielen Straßenhockey, ein Hund leckt sich die Eier und ein paar Schönheiten im Stringbikini flanieren gen Strand. Die Kamera zoomt in ein Haus. Hier hockt ein Glatzkopf und schaut TV. Die Tür hinter ihm öffnet sich langsam und leise. Schnitt. Horatio Caine betritt den Tatort. Eine Kollegin berichtet ihm, dass ein Mann ermordet wurde. Seine Kehle wurde aufgeschnitten und seine Zunge wurde durch den entstandenen Schlitz gezerrt und schmückt nun wie eine Krawatte die Leiche. Ein Yakuzaritual, so scheine es! Caine macht einen Schritt zur Seite, um den Tatort besser einsehen zu können und meint: „Tja, er wird nie wieder einen Lutscher lutschen!“ Schnitt, Vorspann, The Whos “Won’t get fooled again” ertönt ...
Und wir sind mitten drin in Jerry Bruckheimers Ableger seiner großen Erfolgsserie CSI: Las Vegas. Diese rief der König Midas der Hollywood-Traumfabrik einst ins Leben, um seinen Blockbusterlook, coole Effekte und kinoreife Geschichten auch ins TV zu übertragen. Die Folge: CSI: Las Vegas wurde zum großen Startschuss für die heute grassierende Real Crime Epidemie, die einen auf JEDEM Sender förmlich anspringt. Denn CSI: Las Vegas lief nicht nur gut, es lief mega gut! Das Ergebnis: Man dachte darüber nach, diesen Erfolg zu wiederholen: CSI: Miami war geboren und machte zu Beginn auch wirklich Spaß. Die Serie hatte Stil und hob sich durch ihren frischen und sonnendurchfluteten „Ich mache Lust auf Urlaub“ Look wohltuend vom Las Vegas Vorbild ab. Zudem wurde sie von Folge zu Folge optisch genialer ...
Doch wie das so ist, kann man es eben immer übertreiben. Und so gerieten gerade die aktuelle und die zwei Staffeln davor zu purer Verarsche der Fans und man begann sich als normaler Zuschauer schon zu fragen, ob die Verantwortlichen hinter der Serie noch alle Latten am Zaun haben. Darum hier einmal alle Punkte an CSI: Miami, die einfach mal nur nerven ...
Wo fangen wir an. Genau, bei den Storys. CSI: Miami ist das einzige CSI Franchise, das komplett ironieresistent daherkommt. Kein anderer CSI Ableger und noch nicht mal Folgeprodukte wie Navy CIS, The Closer und Co. nehmen sich auch nur annähernd so ernst, wie CSI: Miami. Und dennoch muss man permanent lachen bei CSI: Miami! Warum? Nun ja, kommen wir zu den nächsten Punkten:
Die Figuren in CSI: Miami unterhalten sich ausschließlich über Floskeln und One Liner. Es gibt keine Dialoge mit Tiefe oder Aussagen. Da wird einem Kollegen, der gerade auf dem Weg ins Labor ist, geraten, er solle doch mal ins Büro gehen! Dann erklärt der eine Kollege dem anderen Punkt für Punkt, wie er eine Tätigkeit angehen muss. Warum das? Hat der andere auf einmal Amnesie und weiß nicht mehr, wo er arbeitet? Witzig ist auch, dass Monologe in CSI: Miami immer daraus bestehen, dass die Ermittler genau beschreiben, was sie als nächstes tun werden. Wie alte Leute, die sich selbst noch einmal daran erinnern müssen, was als nächstes für eine Tätigkeit ansteht.
Auch wird in CSI: Miami gerne und viel mit Leichen geredet. Meist von der für Obduktionen zuständigen Dame. Diese erscheint an Tatorten IMMER vollkommen irrsinnigerweise mit Sonnenbrille, lackierten langen Fingernägeln und Edeldesignerklamotten. Hat man dies geschluckt, darf man sich Wortkotze anhören wie: „Du Armer ... Na du Kleiner ... Der Süße hat es gar nicht kommen sehen“ ... nur zur Erklärung: Ihr Gesprächspartner liegt tot vor ihr ... Am Anfang fand ich dies peinlich pietätlos, mittlerweile hat man es als vollkommen bekloppten Bestandteil der Serie akzeptiert und lacht sich einen.
Sehr witzig ist auch die Tatsache, dass man in Miami, Florida keine Kollegialität zu kennen scheint. Was sich die Mitarbeiter EINES TEAMS hier gegenseitig in die Pfanne hauen, hintergehen oder argwöhnisch belauern, das ist schon ganz großes Kino. Auch alle anderen Behörden um das CSI herum sind AUSSCHLIESSLICH Feinde! Keiner anderen Behörde oder Institution wird getraut. Warum, das erfährt man nie. Alles Schweine außer CSI! So!
Genial sind auch die Verhörmethoden. Grundsätzlich sind alle verdächtig und werden dementsprechend behandelt. Selbst die Opfer von Verbrechen sind in erster Linie schuldig. Weil ... Weil ... Ja ... Deshalb halt ... !
Und die Verbrecher? Oh ja, die Verbrecher. Also die Verbrecher in CSI: Miami leiden an einer chronischen Unlust, sich umzuziehen. So kann es schon mal vorkommen, dass ein Verdächtiger aus dem Hut gezaubert wird, den man irgendwo auf Arbeit abholt, ihn in den Verhörraum setzt und feststellt, dass dieser NATÜRLICH noch genau die gleichen Klamotten anhat, die er schon bei dem Mord trug. Gerne auch mit riesigen Blutspritzern dran. Verliert einer bei einem Mord einen Schnürsenkel (warum auch immer), kann man sicher sein, er wird ihn Monate später nicht ersetzt haben! Das TV berichtet, dass der gesuchte Verdächtige ein spezielles Basecap aufhatte? Ihr könnt sicher sein, er wird es im Verhör aufhaben. Kurzum: In Florida scheint akute Kleidungsarmut zu bestehen oder aber die Gangster dort haben sich in der prallen Sonne ein paar Hirnzellen zuviel zerschossen.
Seltsamerweise nutzen die Mörder in Florida auch immer sehr unpassende Orte, um ihre Tatwaffen verschwinden zu lassen. So wird ein Messer schon mal in genau den kryogenischen Tank gepackt, in dem das ermordete Opfer auf die Zukunft wartet, damit es wiedererweckt werden kann. Freilich wäscht die Flüssigkeit auch die Fingerabdrücke nicht runter. Das scheint auch allgemein ein Problem in Florida zu sein. Spuren und vor allem Blut lassen sich partout nicht wegwaschen. Und man findet es wirklich an allen Ecken und Enden. Im Grunde bräuchten die in Florida gar keine Blutspenden, soviel, wie da überall rumzuliegen scheint. Irre ...
Verrückt ist auch, dass die Killer meist alle gleich aussehen. Gegelte Haare, weites luftiges Hemd, Sneakers, Dreitagebart. Also wenn ihr mal dahin fliegen solltet, Vorsicht vor solchen Kameraden!
Sehr witzig ist auch die Ausrüstung der CSI: Miami Unit. Fette Hummer als Polizeiwagen, übelste Science Fiction Geräte, die innerhalb von Sekunden komplizierteste Rechenvorgänge ausführen können und Computertechnik, die selbst 100 x 100 Pixel große Webcambilder auf A1 Posterformat aufziehen kann und aus der Pixelsoße piekscharfe Details zaubert. Dazu coole Datenbanken, in denen man herausfinden kann, dass die eine Stofffaser nur in der und der Fabrik rechtsdrehend verarbeitet wird ... dagegen ist Star Trek teils echt veraltet ...
Alles andere als alt sieht CSI: Miami in optischen Belangen aus. Hier macht die Serie nach wie vor sogar großen Kinoproduktionen mühelos Konkurrenz. Doch in letzter Zeit verlor man jedwedes Maß aus den Augen. 20 Split Screens, die zeigen, wie ein Objektträger unters Mikroskop geklemmt wird. Fast Forward Sequenzen und Jump Cuts bei Szenen, in denen eine Figur eine Treppe hoch läuft. Zeitlupe selbst beim Nasepopeln und Bildverfremdungen, bis die Schwarte kracht. Sinn machen diese Spielereien ALLESAMT nicht, außer freilich, dass sie über die lächerlichen Storys hinwegtäuschen sollen. Was auch wirklich ab und an funktioniert. Denn während man sich gerade vors Hirn schlagen will, weil es gerade wieder extradoof wurde, knallen die Regisseure uns 30 Split Screens um die Ohren und wir versuchen zu erfassen, warum die letzten 10 Screens schwarz weiß sind.
Das größte Manko der Serie ist aber ihre vollkommen bekloppte Fixierung auf Horatio Caine, dem Chef der Truppe.
Hier ein Re-enactment der Kultfigur:
Ohne ihn läuft gar nichts! „Scheiße, wie geht diese Getränkedose auf? Ich rufe mal Horatio an!“. Immer wenn in CSI: Miami nichts mehr geht, ruft irgendwer Horatio an und Gott (so nenne ich ihn gerne) weiß IMMER Rat. Hat auf einmal Verdächtige. Weiß, dass ein Verhörter unschuldig sein muss und kann auch erklären, warum der Hund des Opfers nicht der Mörder war – ihm fehlte natürlich der Daumen, um den Revolver halten zu können. Horatio Caine IST Gott ... Und Gott darf alles! Andere Behören anfixen? Gesetze brechen? Huren einen neuen Start ins Leben ermöglichen? Tote wiedererwecken? Ruft Horatio!
Gespielt wird Horatio Caine von David Caruso. Einst als heiße Schauspielhoffnung gehypt, hat der eigentlich recht sympathische Schauspieler ein paar Verhaltensweisen für seine Figur entworfen, mit der er sich über eine komplette Episode retten kann! Dabei vermeidet es Caruso penibel, neue Posen oder Schauspielskills in sein Spiel zu integrieren. Hier mal die Bekanntesten:
Das wichtigste Schauspielelement von David Caruso ist die legendäre „Hände in die Hüfte Pose“, die er auf ALLE emotionalen Zustände anwenden kann und das Irre: Es funktioniert! Man erkennt immer hundertpro, wie Horatio gerade drauf ist. Auch hier ein Re-Enactment:
Doch man täte dem Mimen unrecht, würde man ihn nur auf diese Pose reduzieren. Immerhin hat er noch folgende drei Posen drauf, die dann die Minuten zwischen den Emotionen füllen:
Pose 1 stellt das berühmte Sonnenbrille auf- und absetzen nach. Man müsste mal mitstoppen, wie viele Minuten pro Staffel alleine für dieses Ritual draufgehen. Obendrein trägt Horatio seine Brille wirklich immer. Dunkle Nacht, unter Wasser, beim Kopf in den Sand stecken und sicher auch beim Sex ...
Pose 2 soll seine Art des Kommunizierens darstellen. Dabei steht der schwarze Pfeil dafür, in welche Richtung Horatio zu reden scheint - er schaut dabei im Übrigen IMMER zu Boden, als läge da das Drehbuch, so dass Caruso nicht erst die Texte auswendig lernen muss! Wo dann die eigentlichen Gesprächspartner normalerweise stehen, sollen die roten Pfeile darstellen. Entweder stehen sie links oder recht von ihm, manchmal auch hinter Horatio ... Caine schaut seinen Gesprächspartnern wirklich nie ins Gesicht, außer wie bei Pose 3 verdeutlicht.
In dieser Pose hebt er die Augen (das Gesicht bleibt gen Boden gerichtet!), stiert den Gesprächspartner an (ab und an muss er dazu sogar den Kopf drehen!!!) und presst ihm Sprüche wie: „Sie einzusperren, das ist mein Job!“ Oder „Das werden wir noch sehen!“ oder „Ich bin Horatio Caine, ich kann alles!“. Kurzum, Caruso = Schauspielgott.
Die anderen Männer im Team sind eigentlich nur da, um Caine anzuhimmeln oder ihn eben anzurufen, wenn’s net so recht weiter geht ...
Die Frauen im Team dagegen hat Horatio sehr gern. Vor allem, wenn sie so aussehen:
Re-Enactement:
Jung müssen sie sein, knackig und megahübsch. Wichtigste Voraussetzung: Enge Tops! Dabei gibt es zwei Varianten. Die oben angedeutete, die so eng ist, dass man permanent das Gefühl hat, es müsse sich um ein Bodypainting handeln. Variante zwei sind die Tops mit Knopfleiste, wobei die Knöpfe dann mindestens bis auf Höhe Schambehaarung geöffnet sind und die Moppen bei jeder Bewegung aus dem Dekollete fallen könnten. Charakterlich unterscheiden sich die Frauenfiguren außer in Topfragen nur noch in der Farbe ihres Haupthaares und ob sie es offen oder als Zopf tragen. Ansonsten sind sie alle mit dem Job verheiratet, haben eine kaputte Familie (Vater säuft, Mutter tot) und ein ambivalentes Verhältnis zu Waffen. Entweder geht ihnen einer ab, wenn sie eine Knarre in der Hand halten oder sie lehnen sie kategorisch ab. Ansonsten braucht die Serie die Frauen eigentlich auch nur zum Horatio anhimmeln und um ihn anzurufen ... Grandios ... Achja, cool gucken können sie auch noch …
Was nach diesem Moserrundumschlag bleibt, ist eigentlich nur noch die Täterfrage des Eingangs erwähnten Falles. Es war natürlich der Vater des Jungen, der beim Straßenhockey im Tor stand. Warum? Er hatte allgemein was gegen glatzköpfige Leute. Überführt wurde er, weil er zum Verhör in genau dem Jogginganzug erschien, den er beim Mord anhatte. In der rechten Hosentasche fand man die Mordklinge und auf der Brusttasche hatte sich etwas Speichel von der Zunge des Opfers verfangen. We won’t get fooled again ... Schön wär’s ja ...
Apropos Narren: In Deutschland ist die dümmste Variante aller CSI Serien zugleich die Erfolgreichste ... was sagt uns das?
Mein Urteil:
Schaut lieber CSI: Las Vegas ... das ist zwar auch nicht mehr das, was es mal war, ist aber zumindest nicht so radebrechend blöde wie CSI: Miami ...
---------------------------------------------------------------
-------------------------------------------
Aktueller Status:
Jeden Dienstag auf RTL um 20:15 Uhr zu bestaunen ...
In diesem Sinne:
freeman