Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit!
Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit!Euer Lieblingsfreeman, also ich, hat unlängst an einer Fernsehsendung teilgenommen. Diese nannte sich: „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“. Auf dem Weg zum Sendestudio hatte ich übrigens eine nette junge Dame kennen gelernt (dazu später). Auf dem Sendegelände angekommen, wurden wir beide getrennt. Mir stellte man daraufhin eine ganze Latte an Fragen, die man mittels Polygraph, oder auch landläufig Lügendetektor genannt, auf ihren Wahrheitsgehalt hin abklapperte. Irgendwann meinten sie, sie hätten genug pikante Details erfahren und schleusten mich in das Studio.
Ich durfte mich auf einen Sessel setzen. Um mich herum standen viele Bildschirme, viele blinkende Lichter blinkten und vor mir stand eine Couch, auf der meine Zufallsbekanntschaft aufgebretzelt hockte. Sie sah richtig gut aus mit so viel Make Up Kram. Da erschien der geleckte Moderator der Show. Eine Type namens Christoph Bauer, gelackt und gegelt, kurz stinklangweilig, begrüßt das Publikum und stellt die Sendung noch einmal vor.
Fragen gelte es wahrheitsgemäß zu beantworten. 21 Stück. Schaffe ich das, erhalte ich 25 000 Euro. "Irgendwie recht wenig für meine intimsten Geheimnisse" dachte ich so, als es auch schon losging.
Moderator: Ist ihr Name freeman?
Ich: Jo
Moderator: Bitte nur mit Ja oder Nein antworten!
Ich: Ja
Das Publikum: übt sich in einvernehmlicher Stille
Die Stimme des „Lügendetektors“ ertönt: Diese Antwort ist … lange Kunstpause wahr!
Das Publikum klatscht, ich lächle, der Moderator reckt mir den Daumen seiner rechten Hand entgegen – in der Linken hält er seinen Text, kann wohl net vom Teleprompter ablesen. Soll es ja geben.
Moderator: Sind sie solo?
Ich: Ja!
Das Publikum raunt.
Lügendetektor: Diese Antwort ist … in der Pause überschlage ich meine augenblickliche Beziehungslage noch einmal und beginne zu lächeln wahr.
Applaus von allen Seiten, nur der Moderator meint: Na, ob man da wirklich klatschen darf?
Moderator: Sind sie glücklich als Single?
Ich: Naja …
Moderator: Ja, oder nein …
Ich: Dann halt nein.
Das Publikum raunt erneut und mir wird klar, ich stehe schon nach Frage drei auf dünnem Eis.
Lügendetektor: Diese Antwort ist wahr diesmal ging es schnell und in mir keimt der Verdacht, dass die Maschine recht menschenverachtend gepolt ist und sich am Unglück anderer weidet
Moderator: Haben sie sich darum beim Joyclub angemeldet?
Ich: Ja?
Das Publikum buht, es weiß wohl, wie versaut diese Community ist.
Der Lügendetektor skandiert: Diese Aussage ist … wahr.
Ein harter Wind schlägt mir von Seiten des Publikums entgegen, der Moderator schaut mitleidig. Er wendet sich an meine Zufallsbekanntschaft, die mich auf dem Weg zum Studio ansprach mit „Fuffzig“? Ich antwortete ihr, ich sei nicht Fuffzig. Sie rollte mit den Augen und meinte: Soll ich dich begleiten für Fuffzig? Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber ich sagte ja.
Moderator: Haben sie davon gewusst?
Zufallsbekanntschaft total empört: Nein, so eine Drecksau!
Das Publikum johlt und ich verstehe nur Bahnhof.
Moderator: Wissen sie, was Swinger sind?
Ich: Ja
Publikum: schweigt verblüfft
Lügendetektor meint: Das ist die Wahrheit.
Ein Mann im Publikum klatscht, er weiß wohl auch, was Swinger sind …
Moderator: Wissen sie, dass der Joyclub gerne swingt?
Ich: Das ist mir bewusst, ja.
Lügendetektor: Das ist wahr
Moderator: Sie stehen jetzt bei der ersten Gewinnstufe und haben 1000 Euro gewonnen. Wollen sie aufhören und gehen oder weitermachen? Als nächstes müssen sie fünf Fragen beantworten. Die allesamt ähnlich brutal sind, wie die bisherigen sechs. Sagen sie nur einmal die Unwahrheit, verlieren sie alles.
Ich: Auch mein Leben?
Moderator: Nein, nur das Geld.
Ich: Na dann hab ich ja nichts zu verlieren.
Moderator: Und was ist mir ihrer Bekannten da auf dem Sofa?
Ich: Was soll mit ihr sein? Oder soll ich ja oder nein sagen, nur wozu? Zählt das schon als Frage? Und wenn ja, ist die Frage, ob ich weitermache, auch schon Teil des Fragenblockes?
Moderator: Nein!
Ich: Dann spiel ich net weiter!
Knopf im Ohr vom Moderator: Mach weiter mit dem, wir haben ihn am Rande genialer Geheimnisse! Das bringt Quote! Los! Sex, Titten, Ärsche, Geil! Mehr mehr mehr …
Moderator: Ok, die beiden Fragen zählen, bleiben nur noch drei Fragen in diesem Block. Kann es losgehen?
Ich: Ja … das war doch Antwort neun, oder?
Moderator: Nein, Ja, … Nein! Oder doch? Egal … Frage zehn!
Moderator: Swingen sie auch?
Ich: Ja
Publikum, in der Werbepause über den Begriff Swingen in Kenntnis gesetzt, buht aus vollem Halse.
Ich: Wassen? Sobald irgendwo Musik ertönt, muss ich swingen!
Publikum buht noch brachialer, in der Annahme, es müsse nur Musik ertönen, und ich mache sie klar!
Lügendetektorstimme: Diese Aussage ist wahr, bezieht sich nach Hirnstrommessung aber auf den Begriff des Swingens beim Erklingen von swingender Musik und ist darum nichts versaut…
Ein Krachen beendet die Stimme, man hört Interferenzen und ein Fiepen, dann erklingt eine neue, jetzt männliche Stimme am Mikro und verkündet: Diese Aussage ist wahr, freeman ist eine riesen Pottsau, der alles knattert, was ihm über den Weg läuft!
Der Moderator sieht sich fragend um und meint: Hier stimmt doch was nicht, oder?
Ich: Das ist Frage elf und ja, irgendwas ist hier net in Ordnung.
Stimme vom Knopf im Ohr des Moderators: Halt dein blödes Maul, wir machen jetzt fett Kohle … achja, ich bin’s, dein Chef und verstelle meine Stimme.
Moderator: Das hab ich bemerkt. Also freeman, sie haben jetzt 5000 Euro sicher. Aufhören oder weitermachen? Es locken 10 000 Euro! Aber denken sie daran, dass sie mit ihrer hier gezeigten Ehrlichkeit ihre Bekannte auf dem Sofa verärgern könnt… wo ist die denn jetzt hin?
Stimme aus dem Publikum: Die bläst hier grade meinem Mann einen für Fuffzig Euro und dann kommt der Herr hinter mir dran, dessen Dödel piekst mich schon die ganze Zeit in den Rücken.
Moderator: Was ist das denn für eine seltsame Bekannte, die sie da haben?
Ich: Darauf kann ich gar nicht mit Ja oder Nein antworten!
Moderator: Sie machen also weiter?
Ich: Hm, wieder so eine leichte Frage. Ja
Moderator: Das zählt doch nicht als Frage…
Knopf im Ohr Stimme: Halts Maul! Frag weiter.
Moderator: Ok, Frage Nummer … keine Ahnung … dreizehn?
Ich: Ja
Moderator: Ach scheiße … ok, jetzt die vierzehn.
Stimme aus dem Publikum: Ich komme!
Moderator: Wo bin ich hier hingeraten? Das kann doch alles nicht wahr sein, oder?
Ich: Nein, Ja, Nein oder doch?
Die neue Lügendetektorstimme meint vollkommen überfordert: Diese Aussage ist vielleicht wahr.
Moderator: Und damit haben wir die nächste Gewinnstufe erreicht. Wollen sie weitermachen? Noch drei Fragen und sie haben 10 000 Euro sicher.
Da ertönt eine Stimme aus dem Off. Die Sendung werde wegen kompletten Chaos gecancelt. Ich sehe, wie meine Zufallsbekanntschaft zeternd und schreiend aus dem Studio gezerrt wird, der Moderator atmet erleichtert durch, eine nette Praktikantin geleitet mich hinter die Bühne und verkündet mir, dass ich das Maul über diese Ereignisse halten solle, zum Dank erhalte ich die vollen 25 000 Euro. Draußen wird das Radaupublikum komplett ausgetauscht und ich nehme aus dem Augenwinkel wahr, dass der Chef der Sendung weinend im Lügendetektorraum zusammenbricht … Mein Fazit des Abends: Tolle Sendung … wirklich …
Ob das hier alles der Wahrheit entspricht? Was meint denn die Lügendetektorstimme?
Lügendetektorstimme: Diese Geschichte ist von vorne bis hinten ...
Eine abgemilderte Version dessen, was da wirklich jeden Montag vor Californication und Dexter von 21:15 bis 22:15 auf RTL II über den Äther geschickt wurde. Als Fan vollkommen bekloppter Fernsehunterhaltung kam man an diesem Stück Fernsehhistorie einfach nicht vorbei! Hier endeten Freundschaften, wurden Familien in Fehden getrieben, agierte der Moderator peinlich steif und unbeholfen, hatte man ein absolut genial parteiisches Publikum und redeten sich manche Leute um Kopf und Kragen. Klar, man könnte und muss eigentlich glauben, dass diese Sendung gestellt war. Denn so offenherzig wie hier für minimale Geldbeträge Fragen vor einem „Millionenpublikum“ frank und frei beantwortet wurden, das kann nicht real sein. Schreiben sie den Ausländern die Verantwortlichkeit für die miesen Zustände in Deutschland zu? „Ja“ meinte die blonde und blauäuige Dame in einer Sendung ohne zu überlegen. Wer von uns hätte genauso geantwortet?
Und ist das dann eigentlich noch Unterhaltung, wenn vor unser aller Augen eine Frau zur Persona non Grata degradiert wird? Und was hatte das Klatschen des Publikums zu bedeuten, als herauskam, dass diese Antwort auch noch wahr war? Befürwortet es die Aussage oder ist es einfach nur zum dauerblinden und rotzenhohlen Pöbel verkommen, der alles sinnlos beklatscht, was ihm vorgesetzt wird, weil ... weil ... weil Unterhaltung heute halt so ausschaut? Na ich weiß ja net ...
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Meine Meinung:
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Sendungsstatus:
Endlich abgesetzt!
In diesem Sinne:
freeman