Wo bleibt die Kraft?
Ich habe von mir immer geglaubt, dass nichts mich aus der Bahn werfen könnte, denn der Tod der Großeltern, der Eltern tut zwar weh, aber wie jemand zuvor formulierte, er gehört zum Leben. Man(n)/Frau lernt damit umzugehen.
Als ich meine Frau Anfang April ins Klinikum brachte, haben die besten Ärzte zwei Wochen versucht, eine Diagnose zu erstellen - ohne Erfolg. Es war nichts zu finden.
Nach Ostern ging es ihr rapide schlechter und dann erfolgte die Erkenntnis eines Non-Hodgkin-Lymphoms. Ich hab mir gedacht, das wäre ja Anfangsstadium und das müsste kein Problem sein. Ähnlich äußerten sich auch die Ärzte. Sechs Wochen später war sie tot und in der Nacht, in der sie gestorben ist, war ich nicht bei ihr, weil nichts darauf hingedeutet hat. Als ich das Krankenzimmer betrat, nachdem sie mich angerufen hatten, lag sie mit offenen Augen so da, als ob sie mich nur noch nicht wahrgenommen hat, so als ob sie mir gleich guten Morgen sagen und mich mit ihrem so wunderbaren, unwiderstehlichen Lächeln verzaubern würde.
Aber es war vorbei und ich habe ihr in dem schwersten Moment nicht beigestanden und wenigstens ihre Hand gehalten!
All die Kraft, sie war weg, völlig weg. Jeglicher Kampf sinnlos geworden.
Die Frage nach dem Warum soll man sich nicht stellen und doch tue ich es immer wieder. Sie war das ganze Gegenteil eines Risikopatienten und dennoch war mit 55 Jahren das Leben zu Ende. Sie war ein so positiv lebender und denkender Mensch.
Warum, warum?
Natürlich haben wir in den 33 Jahren unserer Ehe viele, sehr viele schöne Momente gehabt und genau die werden im Laufe der Zeit die Oberhand gewinnen, aber wenn man nach so langer Zeit immer noch eine Liebesbeziehung hatte, dann tut das so weh. Und da nützen keine noch so freundlichen, tröstenden Worte. Aus diesem Loch muss sich jeder selbst befreien oder er geht unter, vegetiert dahin wie meine Schwiegermutter, die ihr einziges Kind und vorher ihren Mann verloren hat, sich aus körperlichen Gründen nicht aus der Wohnung bewegen kann. Ich mache mir große Sorgen....
Was in dieser schweren Zeit sehr hilfreich war, sind die Gespräche mit den so vielen Freunden über sie, auch wenn dann oft die Tränen kullern. Aber die Trauer muss aus der Seele raus, immer wieder raus in der Hoffnung, dass sie endlich ist.
Allen Vorschreibern, die einen geliebten Menschen verloren haben, spreche meine Anteilnahme aus wohl wissend, dass der Panzer des Leids oft undurchdringbar ist.