Ein sehr sensibles Thema finde auch ich. Sensible nicht deshalb, weil es um „Emotionen“ geht, sondern weil es um die eigenen Emotionen geht. Und hier stimme ich HellomitStil zu. Es ist gewiss nicht schwer über meine eigenen Emotionen zu sprechen / schreiben, doch so in aller Öffentlichkeit darüber zu diskutieren, insbesondere wenn alle Joyler mitlesen können, macht es nicht entspannter.
Nicht nur bei Facebook, sondern auch hier im Joy kann man Emotionen wie Traurigkeit, Liebe oder Wut mit Emojis ausdrücken. Was passiert jedoch, wenn man das Features mal zu Ende denkt?
Bei Insta, Facebook oder auch hier, kann man sich emotional äußern, ohne schriftliche Sprache verwenden zu müssen. Dem mittlerweile langweiligen Like werden immer neue Emojis zur Seite gestellt, die wortlos Liebe, Trauer, Wut, Lachen und Verwunderung ausdrücken können.
Die digitale Emotionspalette ist ein blinkendes Neonschild. Vergebens suchen wir das sanfte Pastell des Zweifels. Auch das changierende Grau sich abwechselnder Argumente hat auf der Plattform nichts zu suchen. Flüsternde Bewunderung oder leichte Verstimmung werden erst einmal aussortiert: zu kompliziert, zu aufwändig, zu wortlastig. Der Mensch mag es einfach und der Joy eben auch.
Nun kann man sich der Verwendung dieser Reactions also total verweigern – oder ihr mit offenen Armen entgegenlaufen. Dann aber möchten wir bitte auch eine Gegenleistung, zum Beispiel monatlich abrufbare Statistiken unseres emotionalen Zustands. Wozu macht man denn sonst den ganzen Krempel? Auf einer Zeitachse möchten wir ablesen können, wann wir uns so richtig digital geärgert oder auf unsere Tastatur geweint haben. Wir möchten im Nachhinein sehen, wann wir vor Freude beinahe geplatzt sind und wie lange eigentlich. Und wenn doch immer von der Nutzerzentriertheit die Rede ist, möchten wir noch eine Schnittstelle zu Psychotherapie-Praxen und dazugehöriger Terminvergabe.
Schön wäre es zudem, wenn unser monatliches Emotionsreporting direkt an unseren behandelten Therapeuten gemailt sowie ein Alarm eingerichtet werden könnte, der uns warnt, falls unsere Verstimmung zu lange anhält. Überhaupt: Wahrsagen! Joy, Insta und Facebook könnten aufgrund unserer emotionalen Ausdrucksfreude seine eigenen Überlegungen anstellen, eventuell PMS prognostizieren oder uns warnen, wenn wir uns digital jemandem nähern, der uns schon häufiger wütend gemacht hat. Unsere Freunde bekämen zu bestimmten Uhrzeiten angezeigt, wann sie uns besser nicht anschreiben sollten. Unsere Eltern wüssten, wann wir entspannt genug sind, um uns telefonisch um ihre IT-Belange zu kümmern.
Dann bekämen wir endlich mal wieder was gebacken! Oder könnten im richtigen Moment das Super-Sonderangebot für die 10er-Packung Baldrian annehmen, dass nach einer ärgerlichen Diskussion in einer Gruppe direkt neben dem Newsfeed erscheint.
Und überhaupt: Wer braucht schon weitere Gefühle? Jeder hat genug Menschen in seinem Bekanntenkreis (sich selbst eingeschlossen), die schon mit den angebotenen Emotions-Emojis relativ überfordert sind. Was im echten Leben manchmal wirklich wünschenswert wäre, funktioniert nun endlich im Netz: ein Gefühl nach dem einem anderen und bitte nicht mehrere auf einmal. Die Welt ist dann wieder in Ordnung. Für mehr Gefühle werfen Sie bitte eine Münze ein. Die Emotionskollektionen, die uns sicherlich in Kürze für kleines Geld angeboten werden, liefern individuell gewünschte Komplexität. Dann gibt es ausgearbeitete Emoticon-Sets für Diskutanten und Zweifler, für hin und wieder Unentschlossene und emotional komplexere Menschen.
Fragt sich nur, ob unser Therapeut damit zurechtkommt, wenn wir in Zukunft das Gesicht verziehend vor ihm sitzen und versuchen, unsere inneren Abgründe ohne die Verwendung von Sprache verständlich zu machen. Keine Ahnung!
Da ich bisher nie mit einer Frau intim war, für die ich nicht auch eine gehörige Portion Emotionalität empfand, kann und will ich auch gar nicht ohne Emotionen einem Menschen gegenüberstehen. Emotionen sind daher für mich essentiell.